Großer Druck aus Washington
Trotz Reformen in Ecuadors Ölsektor bekommt US-Firma Sonderkonditionen
Von Tommy Ramm, Bogotá*
Sorgte die Nationalisierung der Energiereserven in Bolivien Anfang Mai für weltweites Aufsehen,
gingen geringere, aber folgenreiche Reformen in Ecuador weitgehend unter.
Wie stark die Erdölwirtschaft ihre Schatten auf die Politik werfen kann, zeigt sich derzeit in Ecuador.
Ende April verabschiedete der Kongress eine Reform des Gesetzes über die Erdölreserven, wonach
die im Land tätigen privaten internationalen Unternehmen mehr Abgaben auf die Gewinne bei der
Erdölförderung zu leisten hätten. Ecuador fördert seit 1970 überwiegend Rohöl für den Export, die
tägliche Produktion des Landes liegt derzeit bei 400 000 Barrel und ist damit der wichtigste
Wirtschaftssektor. Der Barrelpreis in den Verträgen mit den Unternehmen lag seit Jahren bei 15 USDollar,
während die Weltmarktpreise auf 70 Dollar gestiegen sind. Somit schafften die Ölmultis bis
zu 75 Prozent der Gewinne außer Landes, während die Staatskasse leer blieb. Die Reform soll das
nun ändern. Sie sieht vor, dass die Mehreinnahmen halbiert werden. Dem Staat würden so etwa 700
Millionen US-Dollar pro Jahr zufließen.
Doch Vertreter der internationalen Erdölunternehmen erklärten das Gesetz für verfassungswidrig
und kündigten an, weder die Verträge neu verhandeln noch die geänderten Bedingungen
akzeptieren zu wollen. Washington stoppte die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit
Ecuador, das in der ersten Hälfte des Jahres unterzeichnet werden sollte. Noch im April hatte
Wirtschaftsminister Diego Borja auf die Souveränität seines Landes gepocht. Doch der Druck ist nun
so groß, dass sich die Regierung in Quito wohl zum Nachgeben gezwungen sieht.
Knackpunkt ist dabei der Umgang mit dem US-amerikanischen Ölmulti OXY, dem in Ecuador
Menschenrechtsverletzungen in indigenen Reservaten und Gesetzesverstöße zur Last gelegt
werden. Seit Jahren steht die Annullierung der Verträge mit dem Konzern, der ohne Konsultierung
des Staates Fördergebiete an eine kanadische Firma verkauft hat, juristisch aus, da das
Energieministerium bisher keine formelle Klage eingereichte. »Wenn es gelingt, zu einem
Abkommen mit OXY zu kommen, könnten die Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen mit den
USA wieder aufgenommen werden«, formulierte der Chef der ecuadorianischen
Verhandlungskommission, Manuel Chiriboga, seine Hoffnung vorsichtig. Zwar solle laut Chiriboga
eine saftige Geldstrafe verhängt werden, doch von einem Rausschmiss des Unternehmens, welches
allein 20 Prozent des Öls in Ecuador fördert, ist innerhalb der Regierung keine Rede mehr. So
verwundert es auch nicht, dass OXY die Gewinnhalbierung in Kauf nehmen will und eine
Entschädigung von 1,7 Milliarden US-Dollar angeboten hat – das Geschäft lohnt sich wohl zu sehr.
»Die Regierung ist dabei, einen neuen Verrat am Land zuzulassen«, wetterte dagegen Ex-
Wirtschaftsminister Rafael Correa, der darauf hinwies, dass Ecuador mit jedem Tag im juristisch
ungelösten Fall OXY fünf Millionen US-Dollar an Einnahmen verliert. Die indigene politische
Bewegung Pachakutik warf der Regierung vor, dass die Freihandelsgespräche zur politischen
Einmischung ausarten. Der Fall OXY entwickelt sich deshalb zum Wegweiser darüber, wie das Land
zukünftig mit seiner angekratzten Souveränität umgeht. Am letzten Dienstag demonstrierten rund
7000 Indigenas aus den betroffenen Amazonas-Provinzen in der Hauptstadt Quito, um der
Forderung nach einer Vertragsannullierung Nachdruck zu verleihen. Indigenenverbände drohten
offen mit landesweiten Blockaden, sollte die Regierung gegenüber dem Ölmulti nachgeben – was in
Ecuador ausreichen kann, um eine Regierung zu Fall zu bringen.
* Aus: Neues Deutschland, 13. Mai 2006
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