Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Die britische Regierung "wird Herrn Assange kein sicheres Geleit aus dem UK gestatten"

Verhärtete Fronten im Streit um WikiLeaks-Gründer Julian Assange / Bericht über einen Besuch in der ecuadorianischen Botschaft / London antwortet der deutschen Friedensbewegung


Seit einem Dreivierteljahr befindet sich Julian Assange, Gründer der Internet-Enthüllungsplattform WikiLeaks, in der ecuadorianischen Botschaft in London, um sich auf diese Weise dem Zugriff durch britische, schwedische und - was wohl am schlimmsten wäre - US-amerikanische Justizbehörden zu entziehen. Im Herbst letzten Jahres schrieben etwa 300 Friedensaktivisten aus Deutschland an die britische Regierung und forderten von ihr freies Geleit für Assange (siehe den Appell).

Mittlerweile haben wir von "Her Majesty's Government" eine Antwort auf unsere Eingabe erhalten; sie ist weiter unten im Faksimile sowie in einer deutschen Übersetzung einzusehen.

Beginnen wollen wir aber mit einem Bericht von Mairead Maguire über einen Besuch bei Julien Assange. Mairead Maguire hat Assange am 13. Dezember 2012 in der Botschaft aufgesucht. Ihren Bericht hat Eckart Fooken für uns ins Deutsche übersetzt.


Aufstehen für Julian Assange

Seit sechs Monaten in der ecuadorianischen Botschaft eingeschlossen - "Sein einziges Verbrechen bestand darin die Wahrheit zu sagen"

Von Mairead Maguire *


Letzten Monat, am 13. Dezember 2012 besuchte ich Julian Assange, den australischen Gründer und Chef-Herausgeber von WikiLeaks, in der ecuadorianischen Botschaft im Londoner Stadtteil Knightsbridge.

Es ist nun sieben Monate her, dass Julian Assange die ecuadorianische Botschaft betrat und dort politisches Asyl gewährt bekam. Er betrat die Botschaft, nachdem britische Gerichte schändlicher weise seinen Widerspruch gegen die Auslieferung nach Schweden abgelehnt hatten, wo er gesucht wird für ein Verhör hinsichtlich sexueller Belästigung, ohne dass eine Strafanzeige gegen ihn erhoben wurde. Julian Assange hat eingewilligt, Fragen bezüglich der Anschuldigungen im Vereinigten Königreich zu beantworten, oder – alternativ – nach Schweden zu kommen, unter der Voraussetzung, dass die schwedische Regierung eine Garantieerklärung abgibt, ihn nicht an die USA auszuliefern, wo Pläne laufen, ihn wegen Verschwörung zum Begehen von Spionage anzuklagen. Die schwedische Regierung verweigert derartige Garantien.

Herr Assange hat Recht besorgt zu sein über die Gefahren einer Auslieferung in die USA. Die amerikanischen Medien haben berichtet, dass das US-Justizministerium und das Pentagon strafrechtliche Untersuchung durchgeführt haben darüber, ob der WikiLeaks Gründer Julian Assange Strafgesetze verletzt hat durch das Veröffentlichen von Regierungsdokumenten durch die Gruppe und deshalb nach dem Spionagegesetz angeklagt werden solle.

Herr Assanges einziges Verbrechen ist, dass er die USA und andere mächtige Regierungen in Verlegenheit brachte durch WikiLeaks Veröffentlichungen von tausenden von Depeschen des US-Außenministeriums und der Videoaufzeichnung des Vorfalls von 2007, in dem ein Apache-Helikopter des US-Militärs offensichtlich willentlich Zivilisten tötete, darunter zwei Angestellte der Nachrichtenagentur Reuters. Diese Enthüllungen zeigen Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch die Vereinigten Staaten.

Für sein Aussprechen der Wahrheit hat er sich den Zorn der US-Regierung zugezogen und wird nun in einer äußerst rachsüchtigen Art und Weise verfolgt – wie auch der amerikanische Soldat, Gefreiter Bradley Manning, der zur Zeit einer Anhörung vor einem Militärgericht unterzogen wird wegen angeblicher Überstellung geheimer Dokumente an WikiLeaks. Gefreiter Bradley Manning ist dabei, laut einer formellen UN-Untersuchung, einer „grausamen und inhumanen Behandlung“ unterzogen worden, während er in Isolationshaft in einem US-Gefängnis einsaß. Im Endeffekt hat die amerikanische Regierung die Folterung des Gefreiten Bradley Manning, einem ihrer eigenen Soldaten, zugegeben.

Allerdings werden, selbst wenn die schwedischen Behörden beschließen, Julian Assange nicht anzuklagen, die USA wahrscheinlich von der britischen Regierung die Auslieferung dorthin verlangen, für eine Anklage durch eine Grand Jury. (Diese U.S. Grand Jury tagt bereits seit 16 Monaten und soll bereits einen Beschluss gefasst haben, Julian Assange anzuklagen und sie hält eine noch verschlossen gehaltene Anklageschrift bereit zum Öffnen an einem für die USA günstigsten Zeitpunkt. Das U.S. Grand Jury System stellt eine fehlerhafte, ungerechte Justizvorgehensweise dar, mit vier Anklägern und für die Verteidigung erlaubten Beweismitteln. Es gibt keinen Richter und die Gruppe der Geschworenen wurde aus Alexandria in Virginia zusammengestellt, einem Ort mit dem höchsten Prozentsatz von Familien bei Militärzulieferbetrieben in den USA.)

Als ich Julian Assange traf, war ich überwältigt von seinem hellsichtigen, intelligenten und einfühlsamen Verstand, und ich war froh, dass er trotz all der Verfolgungen und der Missachtung seiner Menschenrechte in guter Stimmung und bei guter Gesundheit ist. Seit sieben Monaten ist er nun bereits auf einen Aufenthalt innerhalb eines Gebäudes beschränkt, ohne eine Möglichkeit auch nur für fünf Minuten draußen frische Luft zu schnappen, was ein Grundrecht für alle politischen Gefangenen darstellt. Falls er versuchte nach draußen zu gehen, würde er sofort von den zahllosen Polizisten außerhalb der Botschaft verhaftet und an Schweden oder die USA ausgeliefert. (Die Kosten zum Aufrechterhalten dieser Polizeikräfte um die Botschaft belaufen sich auf etwa 11.000 Britische Pfund. pro Tag.)

Anders als die meisten politischen Gefangenen hat er keine Ahnung davon, wie lange dieses eingesperrt sein in der Botschaft dauern wird – 6 weitere Monate oder 6 Jahre. Das diplomatische Patt dauert weiter an. Dies ist in der Tat grausam, inhuman und eine seelische Folter. Sein einziges Verbrechen bestand darin, die Wahrheit zu sagen und die illegalen Handlungen der US-Regierung und ihrer Verbündeten in der ganzen Welt transparent zu machen.

Ich glaube, dass die Regierungen des Vereinigten Königreichs, Schwedens und der USA alle Mittäter bei dieser seelischen Folter von Julian Assange sind, und ich appelliere an die australische Regierung, an Verteidiger der Menschenrechte, an aufrechte Medien und an alle Menschen in der Welt, die Wahrheit und die Freiheit lieben, aufzustehen für Julian Assange und seine Menschenrechte und für die Zusicherung, dass er die Möglichkeit erhält, auf alle gegen ihn erhobenen Anklagepunkte im Vereinigten Königreich zu antworten oder in Schweden, ohne an die USA ausgeliefert zu werden, wo er die gleiche „grausame und inhumane Behandlung“ erfahren könnte wie der Gefreite Bradley Manning.

Das mindeste, was wir tun können ist unsere Stimmen zu erheben um Julian Assange zu schützen – und auch Bradley Manning – die beide, bei Gefahr für ihre eigene Freiheit, solch tapfere Versuche unternahmen, Kriegsverbrechen offenzulegen und Freiheit und Demokratie zu verteidigen.

[Übersetzung: Eckart Fooken]

Originalartikel: Stand Up for Julian Assange, January 29, 2013 by Common Dreams, https://www.commondreams.org

Die britische Regierung antwortet der deutschen Friedensbewegung



Übersetzung des Antwortschreibens

Lieber Dr. Strutynski!

Vielen Dank für Ihren Brief vom 3. Dezember an den Innenminister mit den beigefügten Julian Assange betreffenden Petitionen. Ich bin gebeten worden im Auftrag des Innenministers zu erwidern.

Wie Sie wissen liegt gegen Herrn Assange ein europäischer Haftbefehl (EAW) seitens Schwedens vor. Die Vergehen, derer Herr Assange beschuldigt wird und derenthalben seine Auslieferung beantragt wird, sollen im August 2010 an zwei Frauen in Stockholm begangen worden sein. Die beziehen sich auf „sexuelle Belästigung“ und, in einem Fall, Vergewaltigung.

Im Anschluss an eine Entscheidung des Höchsten Gerichts des Vereinigten Königreichs (UK) im Mai 2012 hatte Herr Assange alle ihm im UK verfügbaren rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft, um seine Auslieferung nach Schweden zu verhindern. Am 19. Juni betrat Herr Assange die Botschaft der Republik Ecuador in London und ersuchte um Asyl. Da Herr Assange gegenwärtig seine Kautionsbedingungen verletzt, besteht nach den Gesetzen des UK ein Haftbefehl gegen ihn.

Der Außenminister des UK stellte die Position der Regierung klar in seinem Statement vom 16. August, in dem es heißt:

„(Das UK) wird Herrn Assange kein sicheres Geleit aus dem UK gestatten, noch besteht für uns irgendeine rechtliche Grundlage dies zu tun. Das UK erkennt das Prinzip des diplomatischen Asyls nicht an. Dies Konzept ist auch keinesfalls universell anerkannt: das UK wird sich nicht an rechtlichen Verfahren beteiligen, die von uns die Anerkennung der Gewährung eines diplomatischen Asyls durch eine ausländische Botschaft in diesem Land verlangen. Im Übrigen ist es akzeptierter Brauch , selbst für die Länder, die ein diplomatisches Asyl anerkennen, dass es nicht angewendet werden sollte um ordentlichen Gerichtsverfahren zu entkommen.“

Die Regierung Ihrer Majestät wird ihre Bemühungen fortsetzen, mit der ecuadorianischen Regierung eine zufriedenstellende Lösung in dieser Angelegenheit zu erreichen. Das UK ist bestrebt eine diplomatische Lösung zu finden, die den Interessen der ecuadorianischen Regierung Rechnung trägt und gleichzeitig unsere Verpflichtung zur Auslieferung von Herrn Assange für dessen Strafverfolgung erfüllt.

Vielen Dank für Ihr Interesse in dieser Angelegenheit.

Ihr ergebener
D. Kumar
Auslieferungsabteilung

[Übersetzung: Eckart Fooken]


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