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Ecuador fördert nun doch Öl im Regenwald

Präsident verkündet Scheitern der Klimaschutzinitiative Yasuní ITT wegen ausbleibender Finanzmittel

Von Knut Henkel *

Eine Initiative, die die Welt hätte verändern sollen, ist gescheitert. Ecuador wollte darauf verzichten, in einem Naturschutzgebiet Erdöl zu fördern, wenn der Rest der Welt die Einnahmeausfälle kompensiere. Die Resonanz war so verhalten, dass die Regierung nun grünes Licht für die Bohrtürme geben will.

»Wir wollen die Artenvielfalt und die dort lebenden Völker schützen«, sagte Ecuadors Präsident Rafael Correa im April bei seiner Visite in Berlin. Da warb er noch für seine Initiative, gegen finanzielle Kompensation den Yasuní-Nationalpark unangetastet und das unter dem Regenwald lagernde Öl im Boden zu lassen.

Als Yasuní ITT wurde die 2007 vorgestellte Initiative bekannt. Für viele war es eine revolutionäre Idee, durch internationale Kompensation die reiche Biodiversität des Nationalparks zu schützen und die Freisetzung großer Mengen an C02 zu vermeiden. Als weltweites Pilotprojekt sollte es zeigen, dass es doch möglich ist, globalen Klimaschutz und Entwicklungspolitik unter einen Hut zu bringen.

Die Sache hatte aber einen entscheidenden Haken: Kaum jemand wollte zahlen. Ecuador verlangte, dass 3,6 Milliarden US-Dollar, die Hälfte der potenziellen Erlöse aus den schätzungsweise 920 Millionen Barrel Erdöl im Yasuní-Nationalpark, auf einem von der UNO verwalteten Treuhandkonto in einem Zeitraum von zwölf Jahren eingehen. Laut Correa waren es zuletzt nur 13,3 Millionen Dollar.

Am Donnerstag kündigte nun der Präsident in einer Fernsehansprache an, er werde grünes Licht für die Förderung im Ölfeld Tiputini geben. Dem entsprechenden Gesetz muss noch das Parlament zustimmen und erklären, dass die Förderung im nationalen Interesse sei. Daran hegt Correa keinen Zweifel. Ohnehin solle nur in einem Teil des Nationalparks gefördert werden, der »weniger als ein Promille der Fläche beträgt«.

Laut der Tageszeitung »La Hora« wird dank des gestiegenen Ölpreises inzwischen mit potenziellen Einnahmen von bis zu 18 Milliarden US-Dollar kalkuliert. »Wir brauchen die natürlichen Ressourcen, um die Armut zu überwinden und die souveräne Entwicklung voranzutreiben«, so Correa. Er gab dem Rest der Welt die Verantwortung für das Scheitern der spektakulären Initiative.

Die Bundesregierung weist dies zurück. »Wir verwahren uns dagegen, dass die Verantwortung in Richtung Weltgemeinschaft geschoben wird«, sagte ein Sprecher des Entwicklungshilfeministeriums. Mit den Bohrungen werde Ecuador umsetzen, »was wir immer vermutet haben«.

Die deutsche Entwicklungspolitik hatte sich gegenüber Yasuní ITT immer sehr reserviert gezeigt. Erst auf öffentlichen Druck hin sagte der Bund im Rahmen eines Sonderprogramms zum Schutz des Biosphärenreservats Zahlungen von knapp 35 Millionen Euro für Yasuní zu, die zudem nicht in den UN-Fonds flossen. Das Ministerium will nun je nach Umfang der Bohrarbeiten entscheiden, ob dieses Programm noch sinnvoll sei.

Die grüne Bundestagsabgeordnete Ute Koczy, die sich seit Jahren für die Initiative engagiert, sieht die Anstrengungen des Bundes mit anderen Augen: »Entwicklungsminister Dirk Niebel war schlicht nicht bereit, Deutschland zum Vorreiter für Yasuní ITT zu machen. Vielleicht war die Idee zu futuristisch, aber der zentrale Grund für das Scheitern ist die Tatsache, dass die internationale Gemeinschaft nicht bereit war, Kompensationszahlungen zu leisten«.

Für das indigene Volk der Kichwa, die im Naturpark leben, kommt das Scheitern einer Tragödie gleich – mit den Bohrtürmen werden wohl auch viele Siedler kommen. Dies belegen laut Studien der katholischen Universität in Quito die Erfahrungen am Rande des Nationalparks, wo bereits gefördert wird. Die Siedler leben dort vom Holzeinschlag und der Viehzucht – das droht auch dort, wo die Kichwa leben. Sie sind aber darauf angewiesen, dass der Wald unberührt bleibt.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 17. August 2013


Menetekel Yasuní

Von Martin Ling **

Ökonomie hat das Primat vor Ökologie. Dieses Grundmuster der kapitalistischen Produktionsweise sollte mit dem Modell Yasuní punktuell nach dem Motto »Es geht auch anders« durchbrochen werden. Ecuadors Regierung hatte angeboten, gegen Entschädigung auf die Ölförderung im Yasuní-Nationalpark zu verzichten, um damit dort die immense Artenvielfalt und den Lebensraum zweier indigener Völker unangetastet zu lassen. Ein Bruch mit der kapitalistischen Logik, für Profite alles in Kauf zu nehmen und die externen Kosten wie Umwelt- und Personenschäden auf die Gesellschaft zu überwälzen.

Ecuadors Angebot war fair: Wir verzichten auf die Hälfte, ihr zahlt uns die Hälfte. Nach Jahren ohne verbindliche Zusagen auch nur annähernd in der geforderten Höhe von insgesamt 3,6 Milliarden US-Dollar, hat die ecuadorianische Regierung von Rafael Correa nun die Reißleine gezogen: Die Erdölförderung in Yasuní wird freigegeben. Dieses Vorgehen ist verständlich, denn die Regierung sieht sich mit einer großen sozialen Schuld gegenüber der Bevölkerung konfrontiert. Für den Abbau dieser Schuld, für die Bereitstellung von Bildung, Gesundheit und Beschäftigung wurde Correa gewählt. Ohne Einnahmen ist das nicht zu machen. Dass der Modellcharakter von Yasuní nicht in die Tat umgesetzt werden konnte, ist freilich ein Menetekel: Es zeigt, dass die Menschheit auf dem Weg in eine Post-Öl-Ära nicht vorankommt. Ohne einen Bruch mit dem Primat der Ökonomie wird der Übergang nicht zu schaffen sein.

** Aus: neues deutschland, Samstag, 17. August 2013 (Kommentar)


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