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Wir werden genügend Unterschriften sammeln!

Jorge Espinosa über die Chancen in Ecuador, per Referendum die Ölförderung zu stoppen *


Jorge Espinosa engagiert sich seit vier Jahren für den Erhalt des Yasuní-Nationalparks in Ecuador. Im Bündnis Yasunidos ist er für Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Als Präsident Rafael Correa im August 2013 das Ende der staatlichen Initiative Yasuní-ITT bekannt gab, die den Verzicht auf Ölförderung bei Zahlung von Entschädigung vorsah, zog Espinosa mit Hunderten Ecuadorianern in Quito auf die Straße und protestierte. Mit ihm sprach für »nd« Katharina Schwirkus.


Wann entstand die Yasuní-ITT-Initiative, und worin bestand ihr Ziel?

Die staatliche Yasuní-ITT-Initiative ging auf einen Vorschlag zivilgesellschaftlicher Gruppen aus den 90er Jahren zurück. Zu diesem Zeitpunkt waren bei Erdölbohrungen die Quellen Ishpingo, Tambococha und Tiputini (ITT) im Nationalpark Yasuní entdeckt worden. Vor dem Hintergrund der Umweltschäden, die durch Erdölförderungen seit den 70er Jahren in der Provinz Sucumbíos, oberhalb des Yasuní-Nationalparks entstanden waren, wurde die Idee entwickelt, für den Yasuní ein Erdölmoratorium auszurufen. Durch die Verhinderung weiterer Erdölförderungen im Yasuní sollte zum einen der Schutz der indigenen Völker sichergestellt werden, die in freiwilliger Isolation leben. Zum anderen sollte die einzigartige Biodiversität des Yasuní bewahrt werden. Diese erste Initiative hieß also noch nicht »Yasuní-ITT«, da die Bewahrung des gesamten Nationalparks im Vordergrund stand.

Die Regierung Rafael Correas nahm sich 2007 der Initiative an, beschränkte sie aber auf die ITT-Ölquellen. Außerdem forderte die ecuadorianische Regierung von den Vereinten Nationen Kompensationszahlungen in Höhe von 3,6 Milliarden US-Dollar für die Nichterdölförderung, diese Summe stellte die Hälfte der errechneten Gewinne aus der Förderung der ITT-Quellen zum damaligen Zeitpunkt dar.

Wie kam es dazu, dass die Regierung Rafael Correas die Initiative im August 2013 für gescheitert erklärte?

Correa hat damals erklärt, auf die finanziellen Einnahmen aus neuen Erdölförderungen für die Bekämpfung der Armut angewiesen zu sein. Bezüglich der Kompensationszahlungen für die Nichterdölförderung sei Ecuador von der internationalen Staatengemeinschaft im Stich gelassen worden, weil bis zum August 2013 nur 13,3 Millionen US-Dollar in den Yasuní-Treuhandfonds eingegangen waren. Allerdings muss man sehen, dass die Regierung Correa in den letzten vier Jahren selbst Entscheidungen traf, die die Yasuní-ITT-Initiative schwächten. Zum Beispiel die Neubesetzung des staatlichen Yasuní-ITT-Verhandlungskomitees im Jahr 2010. Die Leitung der internationalen Verhandlungen wurde mit Ivonne Baki besetzt, die sich in der Vergangenheit für die Interessen des US-amerikanischen Erdölkonzerns Chevron-Texaco in Ecuador eingesetzt hatte. Zudem wurde in Ländern nach Unterstützung für die Initiative gesucht, die international nicht gerade für Umweltschutz bekannt sind, wie etwa in Indonesien, Iran oder der Türkei.

Wie reagierte die Bevölkerung auf diese Entscheidung?

Noch am Tag der Regierungsansprache Correas formierten sich Proteste für den Erhalt der Initiative und die Nichterdölförderung im Yasuní. Mehrere Nichtregierungsorganisationen und soziale Bewegungen schlossen sich zusammen, nach kurzer Zeit wurde das Bündnis Yasunidos gegründet, um gemeinsame Interessen zu vertreten.

Warum versucht Yasunidos, eine Volksbefragung herbeizuführen?

Die ecuadorianische Verfassung verbietet unter Artikel 407 die Förderung von Erdöl in Nationalparks, ermöglicht jedoch Ausnahmen, sofern ein »nationales Interesse« vorliegt. Präsident Correa hat im August 2013 das Parlament angerufen, dieses nationale Interesse bezüglich der ITT-Quellen zu prüfen. Der Präsident oder das Parlament können zur Prüfung des Interesses auch eine Volksbefragung einleiten, oder als dritte Möglichkeit können Bürger Unterschriften sammeln und selbst eine Befragung einleiten. Dafür müssen 600 000 Unterschriften beim Nationalen Wahlrat eingereicht werden. Obwohl im August 2013 und auch in den darauf folgenden Monaten Hunderte Protestierende auf die Straßen und vor das ecuadorianische Parlament zogen, leitete weder das Parlament noch der Präsident eine Volksbefragung ein. Als das Parlament im Oktober 2013 das nationale Interesse an der Förderung der ITT-Quellen bestätigte, entschloss sich das Bündnis Yasunidos, Unterschriften zu sammeln, um eine Volksbefragung durchzusetzen. Das Gute an einer Volksbefragung ist, dass die Meinung aller Ecuadorianer ausschlaggebend und das Ergebnis für die Regierung bindend ist.

Worin bestehen die größten Herausforderungen für die Mobilisierung gegen die Erdölförderung im Yasuní?

Ein großes Problem sind Protestierende, die von der Regierung bezahlt werden, um Proteste aufzuheizen. In den staatlichen Medien werden Proteste gegen die Erdölförderung im Yasuní als aggressiv und »anti-correista« dargestellt, obwohl wir immer betonen, dass wir nur für den Yasuní und nicht generell gegen die Regierung Correa protestieren. Zudem haben wir bei Protesten massive und unverhältnismäßige polizeiliche Gewalt wahrgenommen, die von offizieller Seite kleingeredet wird.

Denken Sie, dass es Yasunidos gelingen wird, die geforderten 600 000 Unterschriften für eine Volksbefragung zu erreichen?

Auf jeden Fall. Wir haben jetzt schon mindestens 500 000 Unterschriften zusammengetragen. Wenngleich wir nur noch bis zum 12. April Zeit haben, denke ich, dass die Anlaufzeit deutlich schwieriger war und wir es in der verbleibenden Zeit schaffen werden, weitaus mehr als weitere 100 000 Unterschriften zu sammeln.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 11. März 2014


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