Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Welchen Wert hat ein Rucksack?

Mariela Quintanilla über die Outdoor-Kleiderbranche in El Salvador

Mariela Quintanilla (30) ist Gewerkschafterin des Nationalen Arbeitskomitees (Comité Nacional Laboral)

ND: Was ist der Grund Ihrer Reise nach Deutschland?

Quintanilla: Ich bin hier, um auf die Arbeitsbedingungen in den Nähfabriken, bei uns »maquilas« genannt, aufmerksam zu machen. Dort werden Schuhe, Rucksäcke und Hosen hergestellt, die in Deutschland und anderen Ländern verkauft werden. Auf der Messe »OutDoor« bekomme ich die Produkte zu sehen, die in El Salvador unter fragwürdigen Bedingungen produziert werden.

Welchen Eindruck haben Sie von der Fachmesse für Outdoorbekleidung und -zubehör, die gerade in Friedrichshafen zu Ende ging?

Ich war sehr überrascht, wie man die Produkte hier präsentiert, wie schön alles hergerichtet wird und vor allem darüber, wie teuer die Sachen sind. Es gibt Rucksäcke, die kosten dreimal so viel wie eine Näherin in El Salvador verdient. Es gibt aus meiner Sicht einen fundamentalen Widerspruch zwischen dem Endpreis und den Arbeitsbedingungen, unter denen es hergestellt wird. Zudem könnte man das Geld, das für Marketing ausgegeben wird, in die Löhne der Arbeiterinnen investieren.

Sie haben für die Konfektionsfirma Omega gearbeitet. Wie waren dort die Arbeitsbedingungen?

Wir haben unter ausbeuterischen Bedingungen in dem Unternehmen gearbeitet und dagegen protestiert und eine eigene Gewerkschaft gegründet. Viele der rund 1600 Arbeiterinnen der Fabrik hatten allerdings Angst, sich zu organisieren. Sie fürchteten entlassen zu werden.

Eine berechtigte Angst?

Ja, Druck von Seiten des Unternehmens gibt es immer, obwohl man grundsätzlich das Recht hat, sich zu organisieren. Allerdings gibt es diese Rechte nur auf dem Papier, die Gesetze werden in der Praxis oft nicht respektiert.

Was ist der aktuelle Stand im Arbeitskonflikt um die Omega-Fabrik in Santa Ana?

Am 6. November wurde die Fabrik geschlossen, seitdem stehen 1600 Arbeiterinnen auf der Straße.

Wird das vom Arbeitsministerium in San Salvador geduldet?

Ja, denn es gibt mafiaähnliche Strukturen zwischen dem Ministerium und den Unternehmen. Wir hoffen auf die Beilegung des Konflikts unter der neuen Regierung.

Acht Monate ohne Lohn – wie kommen Sie über die Runden? An und für sich gar nicht. Ich habe als Generalsekretärin der Gewerkschaft internationale Unterstützung, für meine Kollegen gilt das nicht.

Wer ist für die Arbeitsbedingungen verantwortlich?

Neben den Unternehmen vor allem Arbeitsministerium und Justiz.

Welche Bedeutung haben Auftraggeber und Konsumenten?

Sie können Druck auf die Unternehmer in EL Salvador ausüben, deshalb ist es so wichtig, auf die Arbeitsbedingungen aufmerksam zu machen.

Was verdient eine Näherin in EL Salvador?

Den offiziellen Mindestlohn, der bei 163,70 US-Dollar liegt. Doch der reicht nicht, denn schon für die Grundversorgung mit Lebensmitteln, Strom und Wasser muss eine vierköpfige Familie 213 US-Dollar aufwenden. Als alleinerziehende Mutter kann ich davon nicht leben.

Gab es Gespräche mit Auftraggebern im Umfeld der Messe?

Ja, ich hoffe, dass sich etwas ändern wird.

Fragen: Knut Henkel

* Aus: Neues Deutschland, 22. Juli 2009


Zurück zur El-Salvador-Seite

Zurück zur Homepage