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Das Gesetz der Sieger

Amnesty International kritisiert Menschenrechtsverletzungen in Côte d’Ivoire

Simon Loidl *

Knapp zwei Jahre nach dem Sturz des Präsidenten von Côte d’Ivoire, Laurent Gbagbo, kommt es in dem westafrikanischen Land nach wie vor zu »ernsthaften Menschenrechtsverletzungen«. Diese richten sich vor allem gegen Anhänger Gbagbos oder gegen Menschen, die verdächtigt werden, solche zu sein. Zu diesem Schluß kommt ein am Dienstag veröffentlichter Bericht von Amnesty International.

In dem Papier mit dem Titel »The Victors’ Law« macht die Organisation vor allem Angehörige der Forces Républicaines de Côte d’Ivoire (FRCI) für ethnisch und politisch motivierte Verbrechen verantwortlich. Die Streitkräfte setzen sich zu einem großen Teil aus Angehörigen der vormaligen Rebellenorganisation zusammen, die zwischen 2002 und 2007 den Norden des Landes kontrolliert hatte. Ermöglicht worden seien die Taten nicht zuletzt durch die Einrichtung zahlreicher inoffizieller Haftanstalten seit der Machtübernahme durch Alassane Ouattaras im Frühjahr 2011. In diesen würden Menschen festgehalten und häufig auch gefoltert, denen die Behörden versuchte Anschläge gegen die nationale Sicherheit vorwerfen würden. Amnesty zeigt sich »extrem besorgt« darüber, daß »das gesamte Wirken der Justiz grundlegenden Normen internationalen Rechts und ivorischer Gesetzgebung zuwiderlaufen würde«. So würde Gefangenen der Kontakt zu einem Rechtsanwalt verweigert, Aussagen würden von verhörenden Soldaten diktiert und »Geständnisse« durch Folter erreicht.

Besonderes Augenmerk richtet der Bericht auf die Situation im Westen des Landes, wo es bereits seit Jahren zu ethnisch aufgeladenen Auseinandersetzungen um Ressourcen kommt. Seit Beginn der Präsidentschaft Ouattaras haben sich die Kräfteverhältnisse in den kommunalen Auseinandersetzungen verschoben – nach wie vor jedoch stehen Gewalt und Übergriffe auf der Tagesordnung. Davon betroffen sind insbesondere jene, die während der vergangenen Jahren vor Kämpfen und Auseinandersetzungen fliehen mußten: »Die neuen Machtverhältnisse haben viele Menschen aus Furcht vor Repressalien, oder weil ihr Besitz von anderen in Beschlag genommen wurde, davon abgehalten, in ihre Dörfer zurückzukehren«, heißt es in dem Bericht.

Amnesty hatte während der vergangenen zwei Jahre bereits mehrmals die Repression gegen Anhänger von Laurent Gbagbo beklagt. Dieser war im Frühjahr 2011 durch eine von der UN unterstützte Militärintervention Frankreichs gestürzt worden. Zuvor war es zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Gbagbos Lager und jenem von Ouattara, dem Herausforderer bei den Präsidentschaftswahlen im Dezember 2010, gekommen. Beide hatten sich nach der Abstimmung zum Sieger erklärt. Während sich der Verfassungsrat von Côte d’Ivoire hinter Gbagbo stellte, unterstüzten die ehemalige Kolonialmacht Frankreich, die UNO und westliche Medien Ouattara. Paris verhängte Sanktionen gegen das Land.

Im März 2011 wurde Gbagbo verhaftet, Anfang Dezember schließlich an den Internationalen Strafgerichtshof (IStGh) nach Den Haag überstellt, wo in der vergangenen Woche erste Anhörungen begannen. Gbagbo werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit während der Auseinandersetzungen nach der Präsidentenwahl vorgeworfen. Simone Gbagbo, die Ehefrau des Expräsidenten, steht nach wie vor unter Hausarrest. Auch gegen sie liegt ein IStGh-Haftbefehl vor, die Vorwürfe lauten ähnlich wie jene gegen ihren Mann.

Amnesty steht der Verfolgung durch Den Haag zwar grundsätzlich positiv gegenüber, mahnt jedoch in dem aktuellen Bericht zum wiederholten Mal an, daß der Internationale Strafgerichtshof Verbrechen »beider Seiten« untersuchen und verfolgen müsse. Die Rolle Frankreichs oder der UN in dem Konflikt spielt für die Organisation indes keine Rolle.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 28. Februar 2013


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