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"International anerkannt"

Wie Côte d’Ivoire demokratisiert wird

Von Raoul Wilsterer *

Alassane Ouattara gab sich staatsmännisch. In einer TV-Ansprache am Donnerstag abend verkündete der 69jährige, er bereite nunmehr die Machtübernahme in Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste) vor. Schließlich sei er gewählt worden, behauptete der seit Monaten als »international anerkannter Präsident« des westafrikanischen Landes gepushte Exfunktionär des Internationalen Währungsfonds bei der Gelegenheit erneut – und gleicht in seiner diesbezüglichen Beharrlichkeit Laurent Gbagbo.

»Ich habe die Wahlen gewonnen. Warum soll ich Ouattara anerkennen?« So die rhetorische Frage des in die enge getriebenen Präsidenten. Der »bekennende Sozialist und leidenschaftliche Kritiker Frankreichs« (Berliner Zeitung, 7.4.) will »die Wahrheit der Urnen«. Er werde sich nicht ergeben, erklärte Gbagbo, der sich trotz schwerer Angriffe von Blauhelmen, französischen Legionären und den Rebellenhorden Ouattaras am Freitag abend (bei jW-Redaktionsschluß) weiter auf dem Gelände seines Präsidentensitzes in Abidjan aufhielt – ein Mann von »absurder Sturheit«, wie Frankreichs Außenminister Alain Juppé wertete. Nunmehr soll Gbagbo ausgehungert werden. Man werde ihn »nicht mit Gewalt aus seinem Bunker herausholen«, erklärte Ouattara im TV. Einer seiner Berater meinte: »Wir werden warten und ihn (Gbagbo) herauskommen lassen wie eine Ratte.«

So klingt sie, die Sprache des Siegers. Seit Beginn der politischen Krise nach den Stichwahlen zwischen ihm und Gbagbo am 28. November zeigte sich Ouattara erstarrt in einer Kompromißlosigkeit, die sich nur jemand leistet, der um seine Macht oder vielmehr: die seiner Unterstützer, weiß. Nichts unterhalb der Präsidentschaft war für Ouattara denkbar während jener monatelangen Phase im exklusiven Golf-Hotel in Abidjan, rund um die Uhr beschützt von 800 Blauhelmen. Nein, keine internationale Überprüfung der Ergebnisse, keine Kontrolle bestimmter Wahlkreise, keine Gespräche mit Gbagbo, und eine neue Abstimmung sowieso nicht. Ouattara baute auf die Postkolonialmacht Frankreich, auf seinen Freund Nicolas Sarkozy und auf das Geld seiner Frau, der einflußreichen Besitzerin eines »weltumspannenden Immobilienimperiums« (FAZ, 8.4.). Und er bekam Recht – jenes Recht, das aus den Gewehrläufen kommt.

Die »Demokratie« hat sich durchgesetzt. An deren Beginn stand Youssouf Bakayoko, Präsident der ivorischen Wahlkommission. Er wurde zu einer Art Schlüsselfigur des Putsches gegen Gbagbo. Bakayoko, ein 68jährige Machtpolitiker, der in der Schweiz und Frankreich ausgebildet wurde, hatte zuletzt als Außenminister nach 2007 unter dem heutigen Rebellenführer Guillaume Soro gedient. Er gehört zudem der Parteiführung der PDCI-RDA an, die am 28.11. zur Wahl von Ouattara aufgerufen hatte. Nach der von Turbulenzen begleiteten Auszählung tauchte er – laut Verfassung etwa einen Tag zu spät – ausgerechnet in Ouattaras Hotel-Hauptquartier auf, um ebendort vor Journalisten jene 54,1 Prozentanteile zu verkünden, auf die sich heute die »internationale Gemeinschaft« nach Pariser und Washingtoner Lesart beruft, wenn sie Ouattara als »gewählt« huldigt.

»International anerkannt« hat er das Gebiet, in dem sich Gbagbo aufhielt, am Freitag zur »Sperrzone« erklärt. Er stützt seine zukünftige Präsidentschaft auf etwa 11000 Blauhelme, 1650 Fremdenlegionäre und eine wilde, massakerbelastete Rebellentruppe. Insbesondere im Süden, wo Ouattara über keinerlei Rückhalt verfügt, geht die Angst um. Das Land ist gespalten wie nie, physisch wie psychisch traumatisiert. Ein Bürgerkrieg droht.

* Aus: junge Welt, 9. April 2011


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