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Krisenausschuß nach Abidjan

AU-Gipfel: Hochkarätige Delegation soll den Konflikt in Côte d’Ivoire lösen

Von Raoul Wilsterer *

Zum sechzehnten Mal trafen sich Afrikas Staats- und Regierungschefs zu einem Gipfel –mit Routine indes hatten die zweitägigen Beratungen im äthiopischen Addis Abeba, die am Montag abend zu Ende gehen sollten (nach jW-Redaktionsschluß), nichts zu tun. Das lag an den von der Aktualität bestimmten Themen – zuvorderst die dramatische Lage in den Maghreb-Staaten und Ägypten. Die Aufstände ebendort prägten das Kongreßgeschehen, selbst wenn sie nicht zur Behandlung auf der Tagesordnung standen. Dabei demonstrierten die Aussagen sowohl des scheidenden Kommissionspräsidenten der Afrikanischen Union (AU), Jean Ping, als auch von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon ein Stück Hilflosigkeit. So sprach Ping davon, daß die ägyptischen Ereignisse »mit großer Aufmerksamkeit verfolgt« würden.

Weitere Krisenlagen prägten die Agenda. Ob allerdings die dazu von den Repräsentanten und Vertretern der 53 AU-Staaten ins Auge gefaßten Maßnahmen realisierbar sind, steht auf einem anderen Blatt. Beispielsweise soll die Militärpräsenz der AU im ostafrikanischen Somalia um 12000 Soldaten aufgestockt werden, um auf diesem Weg einen Weg zur Wiedererrichtung einer funktionierenden staatlichen Infrastruktur zu sorgen (siehe jW v. 31.1.) – ein Vorhaben, das bereits an dem Personalproblem scheitern könnte. Die jetzige Truppe von 8000 Mann stammt aus Uganda und Burundi, weitere ugandische Soldaten sollen ab März stationiert werden. Die Gewinnung von Beteiligten aus anderen Ländern dürfte sich – wie in der Vergangenheit – als schwierig erweisen.

Extrem kompliziert bleibt der Kampf um Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste). Dort stehen sich nach der Stichwahl zur Präsidentschaft vom 28. November zwei Parteien gegenüber: Der auch von der AU zunächst und – wie sich mittlerweile zeigt – voreilig als Sieger anerkannte Alassane Ouattara, ein Mann des Westens, und der amtierende Präsident Laurent Gbagbo. Vermittlungsversuche ebenso wie Debatten über eine eventuelle Militärinvasion prägen seitdem die verfahrene Situation.

Nunmehr beschloß die AU die Entsendung einer hochkarätigen Delegation aus fünf Regierungschefs, dem AU-Kommissionspräsidenten sowie dem Chef der westafrikanischen ECOWAS-Staaten nach Abidjan. Geleitet wird der »Krisenausschuß« vom mauretanischen Staatsschef Mohamed Ould Abdel Aziz. Südafrika als das politische Schwergewicht in der Gruppe wird von Präsident Jacob Zuma vertreten. Innerhalb eines Monats, so die Aufgabe, soll eine Lösung erzielt werden. Ob diese allerdings angesichts der sturen Haltung der Vereinten Nationen realistisch ist, ist mehr als zweifelhaft.

Ban Ki Moon zumindest hatte sich vergangene Woche beim Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos erneut kompromißunfähig gezeigt und die »Anerkennung des Wahlergebnisses« durch Gbagbo verlangt. Das geschah wider des Wissens über die bedenkswerten Manipulationsvorwürfe und trotz vieler kritischer Stimmen aus Afrika. Ban in Davos wörtlich: »Ich bin betroffen darüber, daß nunmehr Meinungsunterschiede innerhalb der AU auftauchen.« Dieses sei »nicht angenehm« zu einem Zeitpunkt, wo es um die Bewahrung von Einheit und demokratischer Prinzipien gehe, scholt er die afrikanischen Dissidenten und Kritiker der UN-Parteinahme für Ouattara.

Am Gipfel nahm auch Sudans Präsident Omar Al-Baschir, der auf Veranlassung des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) in Den Haag zur Fahndung ausgeschrieben ist. Nunmehr warfen die AU-Staaten ICC-Chefankläger Luis Moreno-Ocampo »Vorurteile« vor. Wenn er vorrangig afrikanische Politiker anklage, mache er sich »schuldig, doppelte Standards zu benutzen«.

* Aus: junge Welt, 1. Februar 2011


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