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Sarkozy in Kriegslaune

Nach Libyen soll der UN-Sicherheitsrat auch in Côte d’Ivoire militärisches Eingreifen billigen. Präsidenten Frankreichs und der USA ergreifen Partei für Ouattara

Von Gerd Schumann *

Nachdem er in den vergangenen zehn Tagen mit Libyen befaßt war, kümmert sich Nicolas Sarkozy, der Napoleon-Darsteller aus Paris, wieder verstärkt um Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste). Als Präsident der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich, die dort immer noch mit ihrem größten Militärstützpunkt auf dem afrikanischen Kontinent vertreten ist, forderte er am Freitag (25. März) eine Verstärkung der Blauhelm-Truppe ONUCI.

Großes UN-Kontingent

Diese verfügt in dem westafrikanischen Staat schon jetzt über 10000 Soldaten, das drittgrößte UN-Kontingent nach Kongo-Kinshasa und Sudan. Die Vereinten Nationen müßten dafür sorgen, daß nicht mit schweren Waffen auf die unschuldige Zivilbevölkerung geschossen werde, so Sarkozy. Frankreich brachte bereits eine Resolution im UN-Sicherheitsrat ein, wonach eben jene »schweren Waffen«, eine Kategorie, die noch definiert werden müßte, geächtet würden. Sie wurde am Freitag erstmals behandelt, und noch in dieser Woche soll über sie abgestimmt werden. Ein möglicher Beschluß hätte – wie in Sachen Libyen – unübersehbare militärische Folgen, weil er mutmaßlich gegen die einheimische Armee durchgesetzt werden müßte.

Der Schaffung neuer Kriegsschauplätze gilt derzeit Sarkozys ungeteilte Aufmerksamkeit. In altkolonialer Manier drohte er ebenfalls am Freitag »jedem Herrscher«, insbesondere in der arabischen Welt, daß »die Reaktion der internationalen Gemeinschaft und Europas von nun an jedes Mal die gleiche« sein werde: »Wir werden an der Seite der Bevölkerung sein, die ohne Gewalt demonstriert.« Die UN-Koordinatorin für Nothilfe, Valérie Amos, stützte Sarkozys Vorstoß. »Die Eskalation der Gewalt und der Gebrauch schwerer Waffen, vor allem in Stadtgebieten«, lasse die Zahl der Opfer in der Zivilbevölkerung ansteigen.

Wieder wird mit der zweifellos vorhandenen Gefährdung der Zivilbevölkerung in Bürgerkriegen argumentiert. Mit der Resolution 1973 zu Libyen sei die Frage »Was ist wichtiger: Frieden oder Menschenrechte« beantwortet, behauptet Spiegel Online am Freitag. Autor Thomas Darstädt kommentierte unter der Überschrift »Ghaddafi darf nicht gewinnen!«: »Die Doktrin der Unantastbarkeit souveräner Staaten ist am Ende.« Nunmehr entscheide die »internationale Gemeinschaft«, als die sich der westlich dominierte UN-Sicherheitsrat auszugeben pflegt, wann wo interveniert wird. Das Gesetz der Stärkeren wird an die jeweilige Situation angepaßt.

Auch US-Präsident Barack Obama forcierte, so AFP am Samstag, die Konfrontation am Golf von Guinea, als er wider besseres Wissen die ivorischen Wahlen als »frei und fair« bezeichnete. Tatsächlich fanden diese nicht nur in einem Klima der Gewalt statt, es kam Augenzeugenberichten zufolge auch zu Manipulationen und Unregelmäßigkeiten, die Ausgangspunkt für den anhaltenden Machtkampf zwischen dem amtierenden Präsidenten Laurent Gbagbo und dessen vom Westen gestützten Widersacher Alassane Ouattara waren.

Hartleibige Westmächte

Wie in Libyen so in Côte d’Ivoire – die Westmächte und ihr Sicherheitsrat präsentieren sich hartleibig. Undenkbar scheint es, im Interesse der Zivilisten festgezurrte politische Positionen auch nur ansatzweise zu korrigieren. Im ivorischen Konflikt besteht die »internationale Gemeinschaft« auf einem Abtritt von Präsident Gbagbo. Warum wird diese starre Haltung, die diplomatischen Lösungsversuchen jeglichen Spielraum nimmt, ultimativ beibehalten?

Die Fraktion um UN-Generalsekretär Ban Ki Moon betreibt ein gefährliches Spiel, indem sie den Krieg als alltägliches Mittel zum Zweck der Durchsetzung von Forderungen akzeptiert. Die Agentur AFP zitierte bereits am Freitag eine Anhängerin des nun auch von Obama als Wahlsieger geführten Ouattara, die offen eine militärische Intervention fordert: »Warum Libyen und nicht Elfenbeinküste?«

* Aus: junge Welt, 28. März 2011


USA: Ouattara legitimer Staatschef

UNO-Sicherheitsrat legte Resolution zur Côte d'Ivoire vor **

Die USA haben den Politiker Alassane Ouattara als rechtmäßiges Staatsoberhaupt im westafrikanischen Côte d'Ivoire anerkannt.

Den als abgewählt geltenden Präsidenten Laurent Gbagbo forderte US-Präsident Barack Obama auf, im Interesse seines Volkes abzutreten, hieß es auf der Website des Weißen Hauses. Gbagbo weigert sich seit der Präsidentenwahl Ende November, die Macht an den vom Ausland als Sieger anerkannten Ouattara zu übergeben.

Angesichts der eskalierenden Gewalt in der Côte d'Ivoire will der Weltsicherheitsrat Sanktionen gegen die Führung in Abidjan verhängen. Frankreich und Nigeria legten dem UN-Gremium einen Resolutionsentwurf vor. Die Sanktionen richten sich gegen Gbagbo und vier seiner engsten Mitarbeiter, erläuterte der französische UN-Botschafter Gérard Araud in New York. Nach UN-Schätzungen sind bereits eine Million Menschen vor dem Konflikt geflohen, die meisten aus Abidjan. Die Stadt ist eines der Zentren der Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern Gbagbos und des früheren Oppositionspolitikers Ouattara.

»Der Resolutionsentwurf fordert Gbagbo auf, endlich zu gehen, die Gewalt gegen Zivilisten einzustellen und den Einsatz schwerer Geschütze zu stoppen«, sagte Araud nach einer Sitzung des Sicherheitsrates zur Lage in der Côte d'Ivoire. Das 15-Länder-Gremium wird sich laut Araud in dieser Woche eingehend mit den Sanktionen befassen. Die Staatschefs der westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS hatten zuvor bei ihrem Gipfeltreffen in der nigerianischen Hauptstadt Abuja ein stärkeres UN-Engagement im Staat Côte d'Ivoire gefordert. Ein Bündnis von 32 internationalen und afrikanischen Menschenrechtsgruppen rief die internationale Gemeinschaft angesichts des Leidens der Zivilbevölkerung zum Handeln auf.

In der ivorischen Wirtschaftsmetropole Abidjan haben sich am Wochenende Tausende Anhänger des vom Ausland nicht anerkannten Machthabers Gbagbo versammelt. Die überwiegend jungen Menschen waren einem Aufruf des Chefs der Gbagbo-treuen Jungen Patrioten, Charles Blé Goudé, gefolgt. Sie versammelten sich vor dem Präsidentenpalast im Plateau-Viertel und bekundeten Gbagbo ihre Solidarität: »Gbagbo – Präsident«, »Die Côte d'Ivoire gehört den Ivorern« und »Ich bin bereit, meine Côte d'Ivoire zu befreien« stand auf Schildern geschrieben. Andere Losungen waren gegen den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy gerichtet. Einige Teilnehmer der Kundgebung hielten die Staatsflagge hoch, andere die Bibel.

** Aus: Neues Deutschland, 28. März 2011


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