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Kampf um Kakao

In Côte d’Ivoire droht der offene Bürgerkrieg. Eine Lösung des Konflikts scheint weiter entfernt denn je

Von Gerd Schumann *

Der Machtkampf in Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste) nimmt an Härte zu. Nach dem gescheiterten Schlichtungsversuch der Afrikanischen Union (AU), der Ende vergangener Woche auf deren Gipfel in Addis Abeba offenkundig wurde, geht in dem westafrikanischen Land erneut das Gespenst eines bevorstehenden Bürgerkriegs um. Das geschieht nicht zum ersten Mal seit den von Gewalt und Manipulationen begleiteten Stichwahlen Ende November 2010.

Damals standen sich der amtierende Präsident Laurent Gbagbo und Alassane Ouattara gegenüber, ein ehemals hochrangiger Funktionär des Internationalen Währungsfonds und Expräsident (1990–1993), dessen Regierungszeit von einer Politik der Privatisierung geprägt war. Nach der turbulenten Abstimmung vom 28. November und einer unübersichtlichen Auszählung der Voten war Ouattara übereilt nicht nur vom Westen und den Instanzen der Vereinten Nationen (UN) zum Sieger erhoben worden. Tragischerweise wurde diese Position – unter dem Druck von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon – auch von der AU vertreten.

Schon vor dem Gipfel in der äthiopischen Hauptstadt war absehbar gewesen, daß die einen Monat zuvor gebildete Vermittlungsgruppe aus fünf afrikanischen Präsidenten nicht die verlangte Lösungsformel für den ivorischen Konflikt würde vorlegen können. Eine solche war auch deswegen nicht denkbar, da sich die Spaltung des Landes am Golf von Guinea in zwei Lager in der AU-Moderation widerspiegelte. Während ein Teil, repräsentiert durch Burkina Fasos Staatschef Blaise Campaoré, für einen bedingungslosen Rückzug Gbagbos plädierte und in der Hinterhand die Invasionsdrohung der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) bereithielt, traten die an Ausgleich orientierten Kräfte mit Südafrikas Präsidenten Jacob Zuma an der Spitze für die Bildung einer Übergangsregierung unter Beteiligung aller wichtigen Parteien ein. Diese sollte, so die Vorstellung unter anderem auch von Angola, bis zur Durchführung von international kontrollierten Neuwahlen das Zepter des Handelns übernehmen.

Der Kompromiß, der herauskam, war keiner. Er wurde folglich eher beiläufig des Gipfels bekannt. Ausgerechnet der nach Addis Abeba gereiste Ouattara – Gbagbo zog es vor, in Côte d’Ivoire zu bleiben, offensichtlich, weil er sich das programmierte Vermittlungsergebnis hatte ausrechnen können – verbreitete gegenüber Journalisten den Stand, wonach Gbagbo ein »ehrenhafter« Abtritt angeboten werden sollte. Wie der aussehen könnte, blieb unklar. Statt dessen erklärte Ouattara: »Das Gremium bestätigte, daß ich der vom ivorischen Volk gewählte Präsident bin. Es ist die endgültige Entscheidung, und es gibt keinen Weg zurück.« Inzwischen hält sich der Präsident ohne Amt wieder in seinem Hauptquartier auf, dem von UN-Soldaten geschützten Golfhotel in der ivorischen Hafenmetropole Abidjan.

Am Montag (14. März) verlautete von dort, daß die mit Ouattara liierte Rebellenarmee »Forces Nouvelles«, die nach einem gescheiterten Putsch gegen Gbagbo 2002 den Norden des Landes kontrolliert, nunmehr eine vierte Stadt im ivorischen Westen eingenommen hätten. Der Spiegel von Montag (11/2011) weiß, daß die bewaffneten Kräfte »nur noch schwer unter Kontrolle zu halten« sind, »sie rücken nach Süden vor«.

Bei einer weiteren militärischen Zuspitzung droht tatsächlich ein Bürgerkrieg, zumal sich das Ouattara-Lager seit Monaten kompromißunwillig präsentiert. Unter den Vorzeichen unversöhnlicher Gegnerschaft wird der Konflikt nicht lösbar sein. Ihn prägen kontroverse Politikkonzepte. Während sich Ouattara zunehmend als IWF-Hardliner profiliert, der selbst vor einer militärischen Invasion nicht zurückschreckt, um sich durchzusetzen, verschärft Gbagbo – mit dem Rücken zur Wand – seine schon in der Vergangenheit praktizierte Politik einer nationalen Eigenständigkeit, die er als »antikolonial« bezeichnet. Als Gbagbos Regierung in der vergangenen Woche – nach der Verstaatlichung der französischen Großbank BNP Paribas sowie der Société Générale Mitte Februar – nunmehr Maßnahmen zur Kontrolle des mächtigen Kakaosektors ankündigte, bezeichneten die USA diesen Schritt als »Diebstahl«. Paris erklärte, der »international nicht anerkannte Präsident« würde »sein Land plündern«.

Bisher lag »der Vertrieb der Bohnen in den Händen internationaler Konzerne«, wie Spiegel online (9.3.) trefflich feststellt, und eben diese hatte Ouattara erfolgreich dazu aufgefordert, den Export zu boykottieren – eine Maßnahme mit Folgen. Sie betrafen nicht nur die Staatseinnahmen und also die Entlohnung im öffentlichen Dienst inklusive der Sicherheitskräfte, sondern auch Hunderttausende, zum Teil in Genossenschaften organisierte Kleinbauern.

Mittlerweile haben die Weltmarktpreise mit 3712 Dollar für eine Tonne Kakao ihren höchsten Stand seit 32 Jahren erreicht. In den Lagerhallen der Hafenstädte liegen 475000 Tonnen auf Lager. Die Schokoladenhersteller des Westens sind für ihre Produk­tion »maßgeblich« (Spiegel online) auf ivorische Kakaobohnen angewiesen – und laut der online-Ausgabe des britischen The Telegraph (14.3.) soll das von der EU und den USA gestützte Embargo am heutigen Dienstag enden. Das wiederum würde die Unruhe im Ouattara-Lager weiter fördern.

* Aus: junge Welt, 15. März 2011


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