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Arbeiten im Schatten des Kakaobaums

Elfenbeinküste (Côte d’Ivoire): Kinder werden auf den Plantagen "bevorzugt"

Von Thomas Nitz*

Hinter dem süßen Genuss von Schokolade verbirgt sich oft eine bittere Realität. Denn auf den Plantagen des größten Erzeugers von Rohkakao, der Côte d’Ivoire, müssen Kinder für einen Hungerlohn schuften.

Etwa 40 Prozent des auf dem Weltmarkt gehandelten Rohkakaos wird in der Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste) produziert. Ein großer Teil davon wird von Minderjährigen geerntet, die mit falschen Versprechungen aus den armen Nachbarländern Mali und Burkina Faso auf die Plantagen der Côte d’Ivoire gelockt oder oft sogar entführt werden. Die Kinder sind nicht nur billig, sie sind auch besonders gut für die schwere Arbeit auf den Plantagen geeignet. Denn der Kakaobaum ist eine typische Schattenpflanze, er gedeiht im Unterholz oder im Schatten anderer Kulturpflanzen, wie etwa Bananen. In dem unwegsamen Gelände zwischen den Bäumen können sich Kinder flinker bewegen, als Erwachsene.

Das Kinderhilfswerk UNICEF geht von 200 000 Minderjährigen aus, die allein in Westafrika jährlich verschleppt werden. Die internationale Arbeitsorganisation (ILO) schätzt, dass in ganz Afrika 30 Millionen Mädchen und Jungen unter 14 Jahren zum Arbeiten gezwungen werden.

Die Kakaopflanze war schon den Ureinwohnern Mittelamerikas bekannt. Den Azteken galt der Kakao als Heil- und Genussmittel, aber auch als Zahlungsmittel. In Afrika wurde mit dem Kakaoanbau in größerem Umfang erst Ende des 19. Jahrhunderts begonnen, vor allem in West- und Zentralafrika. Heute stammen knapp 70 Prozent der Weltproduktion an Rohkakao aus Afrika.

An der Arbeit auf den Kakaoplantagen hat sich seit Beginn der Kultivierung der Pflanze nichts geändert. Die reifen Früchte werden mit der Machete vom Baum abgeschlagen, die Kakaobohnen von Hand aus der sogenannten Fruchtpulpa, einer weißlichen, sehr süß schmeckenden Masse befreit. Danach lässt man die Bohnen mehrere Tage gären. Dabei werden Bitterstoffe abgebaut, durch Oxidation entstehen die braune Färbung und das Aroma. Anschließend werden die Kakaobohnen in der Sonne, in manchen Gegenden auch in Öfen, getrocknet. Der Rohkakao kann dann sortiert, verpackt und zur Weiterverarbeitung in andere Länder exportiert werden.

Der Arbeitsaufwand für die Bauern ist sehr groß, die Gewinnspanne hingegen klein. Nach Angaben des Vereins Transfair bekommt ein westafrikanischer Kleinbauer im Durchschnitt 150 Euro für seine Jahresernte. Selbst dieser geringe Erlös unterliegt je nach Weltmarktpreisen starken Schwankungen. In Europa oder den USA werden für eine Tonne Kakao zwischen 800 und 3700 Dollar gezahlt. Derzeit liegt der Weltmarktpreis bei 2700 Dollar pro Tonne. Ohne billigste Arbeitskräfte ließe sich der niedrige Endverbraucherpreis kaum halten.

Aber große Hersteller beginnen unter dem Druck der Öffentlichkeit ihre Verantwortung wahrzunehmen. So arbeitet der Schweizer Konzern Barry Callebaut, zu dem auch die Marke Sarotti gehört, zunehmend mit Farmen in Ghana zusammen. Mehr als zwölf Prozent der Kakaoweltproduktion stammen inzwischen aus dem kleinen westafrikanischem Land. Dort erhalten die Bauern zumindest 70 Prozent vom Weltmarktpreis und garantieren dafür, dass keine Kinder auf ihren Plantagen arbeiten müssen.

* Aus: Neues Deutschland, 17. Januar 2006


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