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Gbagbo von Drohungen unbeeindruckt

Westafrikanischer Vermittlungsversuch in Côte d'Ivoire gescheitert / Fluchtwelle hält an *

Der Konflikt um das Präsidentenamt in Côte d'Ivoire (Elfenbeinküste) spitzt sich weiter zu.

Ein Vermittlungsversuch westafrikanischer Staatschefs, der von vielen als letzte Chance für eine friedliche Machtübergabe gesehen wurde, scheiterte am späten Dienstag (28. Dez.). Der abgewählte ivorische Präsident Laurent Gbagbo beharrte darauf, an dem Amt festzuhalten, wie der französische Auslandssender RFI am Mittwoch (29. Dez.) berichtete. Die westafrikanische Staatengemeinschaft ECOWAS hatte Gbagbo zuvor mit einem militärischen Angriff gedroht, sollte er sich weiter weigern, die Macht abzugeben. Eine Militärintervention sei allerdings derzeit vom Tisch, sagte ein Vertreter des kapverdischen Außenministeriums. Vielmehr gehe es jetzt darum, zu vermitteln und einen Dialog zwischen den rivalisierenden Lagern in Gang zu bringen.

Die Stimmung in der Bevölkerung ist zunehmend angespannt. So griff eine Menschenmenge einen Konvoi der UNO-Mission an und verletzte einen Soldaten. Gbagbo hat die Mission mehrfach aufgefordert, das Land zu verlassen. Die Blauhelme schützen den international anerkannten Sieger der Wahl von Ende November, Alassane Ouattara. Die UNO hat rund 9500 Soldaten in Côte d'Ivoire stationiert.

Aus Furcht vor einem erneuten Bürgerkrieg fliehen immer mehr Menschen in die Nachbarländer. Nach jüngsten Angaben des Flüchtlingshilfswerk UNHCR haben bislang über 15 000 Menschen das Land verlassen. Davon sind rund zwei Drittel unter 18 Jahren. Vor allem das arme Liberia stoße an seine Grenzen. Die Menschen in den Aufnahmedörfern hätten selbst kaum das Nötigste zum überleben, erklärte das UNHCR.

Das staatliche Fernsehen verbreitete derweil, die Millionen Ausländer aus afrikanischen Nachbarstaaten, die in Côte d'Ivoire leben, müssten mit Vergeltung rechnen, sollten die westafrikanischen Länder militärisch gegen Gbagbo vorgehen. Bereits 2007 kam es zu fremdenfeindlichen Ausschreitungen, der Konflikt wurde jedoch entschärft .

Bei den Auseinandersetzungen nach der Stichwahl vom 28. November sind nach UNO-Angaben mindestens 173 Menschen getötet und rund 100 gefoltert worden. Zudem wird befürchtet, dass viele Menschen verschleppt wurden.

Die drei ECOWAS-Vertreter – Benins Präsident Boni Yayi und seine Kollegen aus Sierra Leone, Ernest Koroma, und Kap Verde, Pedro Pires – sollten den Mitgliedern der Gemeinschaft nach dem Vermittlungsversuch Bericht erstatten. Dann sollten weitere Schritte entschieden werden.

Die 27 EU-Staaten haben sich darauf geeinigt, künftig nur Botschafter Côte d'Ivoires zu akzeptieren, die vom international anerkannten Präsidenten Alassane Ouattara ernannt wurden. Dies gab am Mittwoch der Sprecher des französischen Außenministeriums, Bernard Valero, in Paris bekannt. Die EU-Länder hätten sich bereits vergangene Woche auf dieses abgestimmte Vorgehen geeinigt.

Valero reagierte auf Fragen zum Streit um die künftige diplomatische Vertretung von Côte d'Ivoire in Frankreich. Die Pariser Regierung hatte das Akkreditierungsverfahren für einen neuen Botschafter Côte d'Ivoires eingeleitet, der von Ouattara ernannt wurde.

* Aus: Neues Deutschland, 30. Dezember 2010


AU im Zugzwang

Von Martin Ling **

Die Afrikanische Union (AU) und die westafrikanische Staatengemeinschaft ECOWAS sind im Zugzwang: Laurent Gbagbo ist offenbar mit diplomatischen Mitteln und wirtschaftlichen Sanktionen kurzfristig nicht zum Machtverzicht in Côte d'Ivoire zu bewegen. Selbst die vorab verkündete Bereitschaft zur Militärintervention hat den ECOWAS-Emissären nicht geholfen, Gbagbo zu einem Abgang ins Exil inklusive strafrechtlicher Immunität anregen zu können. Im Gegenteil: Die Drohung mit der militärischen Keule spielt Gbagbo im Machtpoker sogar in die Hände, hilft sie ihm doch, sich als Opfer ausländischer imperialistischer Interessen zu stilisieren. Und fraglos ist der ehemalige Mitarbeiter des Internationalen Währungsfonds, Alassane Ouattara, dem Westen rund um die einstige Kolonialmacht Frankreich als Präsident genehmer als Gbagbo selbst. Doch Gbagbo bleibt überzeugende Beweise schuldig, warum es einem Oppositionskandidaten besser möglich gewesen sein sollte, die Ergebnisse zu fälschen, als dem Machthaber. Das wäre ein Novum.

Für die AU steht in Côte d'Ivoire viel auf dem Spiel. Wenn es nach Mwai Kibaki in Kenia und Robert Mugabe in Simbabwe auch Gbagbo schafft, verlorene Wahlen in eine Regierung der nationalen Einheit mit eigener Präsidentschaft umzumünzen, ist die Glaubwürdigkeit der AU in Sachen Durchsetzung formaldemokratischer Standards dahin. Nach wie vor sind friedliche Machtwechsel via Wahlurne wie in Ghana in Afrika die Ausnahme. In Côte d'Ivoire hat die AU nicht mehr viele Optionen. Eine militärische Intervention wäre ein Risiko mit offenem Ausgang. Konsequente wirtschaftliche Isolierung ist als Alternative vorzuziehen.

** Aus: Neues Deutschland, 30. Dezember 2010 (Kommentar)


Côte d`Ivoire-Berichterstatter in Nigeria: Keine Lösung in Sicht ***

»Gut verlaufen« seien die Gespräche in Côte d`Ivoire (Elfenbeinküste), erklärte am Dienstag abend in Abidjan Boni Vayi, der Staatschef von Benin. Delegiert von der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS waren zuvor er und seine Amtskollegen aus Sierra Leone und Kapverdische Inseln mit den Kontrahenten um die ivorischen Präsidentschaft zusammengetroffen. Konkrete Ergebnisse indes wurden nicht bekannt – am gestrigen Mittwoch wollten die drei ECOWAS-Vertreter dem derzeitigen Vorsitzenden der Gemeinschaft, Nigerias Staatschef Good­luck Jonathan, in Abuja Bericht erstatten.

Ihr Auftrag in Côte d`Ivoire war es, den amtierenden Präsidenten Laurent Gbagbo zum Rücktritt aufzufordern, weil er die Stichwahl am 28. November gegen seinen Konkurrenten Alassane Ouattara verloren habe. Gbagbo bestreitet das und beruft sich dabei auf den Verfassungsrat. Ouattara, der international allgemein als Wahlsieger anerkannt wird, führt dagegen das Urteil eines Sprechers der Wahlkommission für sich ins Feld.

Nach dem Gespräch am Dienstag präsentierte sich Gbagbo lächelnd (im Bild links mit Sierra Leones Präsidenten Koroma). Im Anschluß trafen die drei Vermittler Ouattara.

In Abidjan sagte unterdessen Gbagbos »Jugendbewegung« eine geplante Kundgebung »im Interesse einer Verhandlungslösung« ab. Daß es schwierig wird, einen vernünftigen Weg aus der Krise des Landes, des größten Kakaoproduzenten der Erde, zu finden, hatte am Dienstag der Staatspräsident der Kapverden, Pedro Pires, formuliert. »Ich sehe gegenwärtig keinen Versuch, den ivorischen Konflikt auf Dauer zu lösen.« Im Gegenteil stelle er fest, daß alle bisherigen Maßnahmen darauf abzielten, »unmittelbare Interessen zu befriedigen«.
(AFP/dapd/jW)

*** Aus: junge Welt, 30. Dezember 2010


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