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"Fidschi-Inseln sind eine Diktatur und kein Paradies"

Australische Gewerkschaften wollen die Öffentlichkeit über die wahre Lage auf den Inseln aufklären. Ein Gespräch mit Mark Phillips *


Mark Phillips ist Medienkoordinator des australischen Gewerkschaftsbundes ACTU.

Sie haben eine Kampagne zur Lage auf den benachbarten Fidschi-Insel gestartet. Die dortige Regierung wirft Ihnen vor, Sie wollten die Wirtschaft des Landes durch einen Tourismus-Boykott ruinieren. Stimmt das?

Das ist Blödsinn, Ziel unserer Initiative ist es vielmehr, die Öffentlichkeit über die Zustände dort aufzuklären. Die Regierungen Australiens und Neuseelands müssen dazu gebracht werden, mehr Druck auf den Militärdiktator des Regimes, Frank Bainimarama, auszuüben. Die 2006 durch einen Putsch gestürzte Demokratie muß wieder hergestellt werden.

Warum gerade jetzt?

Der wichtigste Grund ist der vom Regime vorgelegte Verfassungsentwurf, der die für das kommende Jahr geplante Wahl zu einer Farce machen würde. Eine Rolle spielt aber auch, daß die neu gegründete Fiji Airways ab nächstem Monat regelmäßig Australien anfliegen darf – eine derartige Normalisierung der Beziehungen kann nicht ohne Antwort bleiben. Die Inseln werden nämlich hauptsächlich von Touristen aus Australien und Neuseeland besucht.

Wie sehen die Verhältnisse in der ehemaligen britischen Kolonie konkret aus?

Das Regime hat massiv die Löhne gesenkt: Die Arbeiter in der Zuckerindustrie etwa haben in den vergangenen sieben Jahren 40 Prozent ihres Lohnes eingebüßt. Ein anderes Beispiel sind die Beschäftigten der Telekom Fiji: Ihnen wurde vergangene Woche der Lohn um bis zu 50 Prozent gekürzt.

Der durchschnittliche Lebensstandard ist seit dem Putsch deutlich gesunken. 60 Prozent der Erwerbstätigen leben unterhalb der Armutsgrenze, während die Lebenshaltungskosten explodieren. Gewerkschafter – auch Gewerkschaftsführer! –, die sich dagegen wehren, werden schikaniert und verprügelt. Als Konsequenz haben Kriminalität und Selbstmorde spürbar zugenommen.

Die Fiji Airways hingegen verbreiten die Illusion einer paradiesischen Tropeninsel. Deshalb müssen die Menschen erfahren, wie es hinter diesem Postkartenimage wirklich aussieht, sie müssen wissen, daß für den normalen Arbeiter auf den Fidschis nur selten die Sonne scheint. Das ist eine Militärdiktatur und kein Paradies!

Die Internationale Arbeitsorganisation ILO hat im November Fidschi als einen von fünf Fällen angeprangert, in denen die Rechte der abhängig Beschäftigten »ernsthaft verletzt« werden. Warum?

Die ILO hat ihre Besorgnis über Schikanen, Überfälle, Einschüchterungsversuche und Verhaftungen von Gewerkschaftern zum Ausdruck gebracht. Insbesondere wird kritisiert, daß seit 2012 in einem Dekret zur öffentlichen Ordnung sehr breit definiert wird, was als »terroristischer Akt« zu gelten hat. Die Teilnahme an unerlaubten Versammlungen kann einem jetzt bis zu fünf Jahre Gefängnis einbringen, die Polizei hat umfangreiche Vollmachten, Kundgebungen kurzerhand zu verbieten. 2011 wurden mit dem »Nationalen Industriedekret« diverse Tarifverträge abgeschafft, Gewerkschaften wurde verboten, die Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten. Mit dem Entwurf zu einer neuen Verfassung versucht das Regime jetzt, sich einen rechtlichen Deckmantel für die Fortsetzung seiner Verbrechen zu verschaffen.

Was fordern Sie?

Die Einrichtung einer unabhängigen Wahlkommission, Aufhebung der Dekrete über Parteien, öffentliche Ordnung und Tarifsystem sowie die Schaffung eines legalen Rahmens für freie und unabhängige Medien. Falls das nicht bis ein Jahr vor den geplanten Wahlen im September 2014 geschieht, können diese nicht als frei und fair betrachtet werden.

Rufen Sie deshalb zu einem Tourismus-Boykott auf?

Wir sagen den Touristen nicht: »Flieg nicht nach Fidschi!«. Wir fordern sie vielmehr auf, wenn sie schon dorthin fliegen, mit den Einheimischen darüber zu reden, was auf ihren Inseln wirklich abläuft.

Wie sehen die Gewerkschaften der Inseln Ihre Kampagne?

Positiv. Der Generalsekretär des Gewerkschafbundes FTUC, Felix Anthony, erklärte kürzlich: »Das Fehlen von Demokratie schadet den armen Menschen am meisten. Solange wir nicht zur Demokratie zurückkehren, wird es keine Zunahme der Beschäftigung geben. (...) Die Tourismusindustrie ist keine heilige Kuh, die eine Vorzugsbehandlung erfahren sollte, so als ob sie nicht Teil von Fidschi wäre.«

Interview: Raoul Rigault

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 22. Mai 2013


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