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Fidschi-Inseln vor düsteren Weihnachten

Gegner des Militär-Regimes werden verfolgt – Putschführer signalisiert Aufhebung der Verfassung

Von Boris B. Behrsing, Wellington/Suva *

Ein Fest der Freude wird es nicht. Selbst an den Weihnachtstagen werden die Fidschianer mit Straßensperren und schwerbewaffneten Soldaten konfrontiert sein. Der Putsch wirft weiter seine Schatten auf den Alltag.

»Wir gleiten mehr und mehr in eine Militärdiktatur im Stile Saddam Husseins hinein.« So beschreiben viele Fidschianer ihre politische Krise, nachdem das rebellische Militär Anfang Dezember die Regierung gestürzt hatte. Seitdem amtiert ein ehemaliger Militärarzt als Übergangspremierminister. »Die Regierung Qarase war unfähig und korrupt«, hatte der Militär- Kammandeur Frank Bainimarama, der Führer des Putsches, den Sturz der demokratisch gewählten Regierung begründet.

Leer sind heute die luxuriösen Strandhotels, die üblichen reichen Weihnachtstouristen sind ausgeblieben. Auch die für die Wirtschaft wichtige Ernte des Rohrzuckers steht still. Arbeitslosigkeit und Armut wachsen. In einem Staat ohne ein Sozialhilfe-System spüren die Landesbewohner in einer solchen Situation besonders die Not. Das Militär überwacht die Medien des Landes scharf. Gegen den unliebsam gewordenen Chefredakteur der Zeitung »Daily Post«, Dr. Robert Wolfgram, hat die Militärverwaltung sogar einen Deportationsbefehl erlassen. Und wehe dem Bürger, der zu laut Kritik an den Militärmachthabern übt. Die Menschenrechte-Kommission in der Hauptstadt Suva hat alle Hände voll zu tun, um den Beschwerden von Landesbewohnern über Misshandlungen durch Soldaten und vorübergehende Inhaftierungen in Gefangenenzellen nachzugehen. Zahlreiche Funktionäre des alten Regierungsapparats sind aus ihren Ämtern geworfen worden. Auch die Internationale Kommission der Juristen hat Bedenken wegen der Situation zum Ausdruck gebracht. Aber der Widerstand gegen das Militär wächst. Auch die 25 Kirchen des Landes haben in scharfen Tönen den Putsch verurteilt und in einer gemeinsamen Erklärung die Gläubigen aufgerufen, friedlich »für Gerechtigkeit, Demokratie und Gesetzmäßigkeit« einzutreten.

Seinen formidabelsten Widersacher hat das Militär aber in dem traditionellen »Großen Rat der Häuptlinge«, einer auch heute noch politisch einflussreichen außerparlamentarischen Kraft. Dass Militär-Kommandant Frank Bainimarama offen damit gedroht hat, sein Militär-Regime könne bis zu 50 Jahre lang an der Macht bleiben, falls der »Große Rat der Häuptlinge« weiterhin die Einsetzung einer Übergangsregierung hintertreibe, und dass er daran denke, nötigenfalls die Staatsverfassung von 1997 aufzuheben, hat die Landesbürger aufgestört.

Das Commonwealth, die Gemeinschaft der Staaten des ehemaligen britischen Weltreiches, hat Fidschi gerade als Mitglied ausgestoßen. Der Commonwealth-Generalsekretär Don McKinnon beurteilt die Lage in Fidschi sogar so ernst, dass er Blutvergießen als Folge des Putsches für möglich ansieht. Vor der australischen Botschaft in Suva stehen die Fidschianer in diesen Tagen Schlange, um ein Besuchervisum für Australien zu erhalten. Ein Sprecher der Botschaft glaubt allerdings nicht, dass es sich bei diesen Reisenden um Auswanderer oder potenzielle Flüchtlinge handelt. Familien des Militärpersonals sind allerdings von einer Einreise nach Australien ausgeschlossen.

Der »Große Rat«, diese prominente Vertretung der einst mächtigen fidschianischen Kriegerstämme, hält in den nächsten Tagen eine Konferenz in Suva, um ihre künftige Haltung gegenüber der Militärverwaltung zu überdenken. Viele Fidschianer hofften, dass sich bei diesem Treffen eine Lösung der politischen Krise erreichen lässt. Aber der Militär-Kommandant Frank Bainimarama hat die Einladung zum Treffen abgelehnt, weil er es als Affront ansieht, dass er nur als Befehlshaber der Streitkräfte eingeladen wurde und nicht als Interimspräsident. Diesen Titel hatte er sich selbst nach dem Putsch zugelegt. »Ich gehe nur als Präsident dahin, oder gar nicht«, tönte der Armeechef.

Der »Große Rat« besteht nämlich bisher darauf, dass der Staatspräsident nach wie vor Ratu Josefa Iloilo ist, den das Militär abgesetzt hat. Die Häuptlinge haben auch den gestürzten Premierminister Laisenia Qarase zu ihrem Treffen eingeladen, den sie immer noch als rechtmäßigen Regierungschef ansehen. Aber Qarase ist vom Militär auf eine kleine Insel verbannt worden und Bainimarama hat gedroht, Qarase zu verhaften, sobald er nach Suva kommt.

Als in den letzten Tagen Australien seinen Kriegsschiffen, die vor der Küste Fidschis für einen Notstand bereitlagen, befahl, Kurs auf die Heimat zu nehmen, löste dies bei vielen Fidschianern ein Gefühl des Bedauerns aus, denn sowohl Australien als auch Neuseeland hatten das Ersuchen der Regierung Qarase, eine militärische Intervention gegen den Militärputsch zu starten, abgelehnt.

Indessen hat das Militärregime ein Rezept konzipiert, das die Bildung einer neuen Übergangsregierung samt Parlament auch ohne Wahlen ermöglichen soll. Der Zauberschlüssel dazu heißt ganz einfach: per Zeitungsanzeigen. Einstellungsbedingungen: »Politische Erfahrung nicht nötig, auch Altersrentner sind willkommen.« Die Interessenten sollen sich außerdem verpflichten, bei keiner zukünftigen Wahl zu kandidieren. Auf die Ausschreibung der Positionen haben sich immerhin 400 interessierte Fidschianer gemeldet, deren Bewerbungen derzeit vom Militär geprüft werden. Die politische Farce geht weiter.

* Aus: Neues Deutschland, 21. Dezember 2006


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