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Rafale schürt Spannungen

Frankreich exportiert atomwaffenfähiges Kampfflugzeug nach Indien

Von Ralf Klingsieck, Paris *

Ausgerechnet an Delhi will Frankreich Kampfflugzeuge liefern, die Kernwaffen tragen können. Die Nuklearstaaten Indien und Pakistan liegen seit Jahren im Konflikt. Den Hersteller Dassault stört dies ebenso wenig wie die Rechtsregierung in Paris. Erst gab es an der Börse einen Sprung der Dassault-Aktie um 22 Prozent, dann Beifall von der rechten Mehrheit in der Nationalversammlung: Die Regierung hatte bekannt gegeben, dass der erste Exportauftrag für das französische Mehrzweckkampfflugzeug Rafale ins Haus steht. Indien habe sich für den Rafale entschieden und wolle 126 Stück im Gesamtwert von rund zehn Milliarden Euro bestellen. Nachdem der letzte Konkurrent, der Eurofighter, vom Kunden als zu teuer von der Liste gestrichen wurde, können die Verkaufsverhandlungen beginnen.

Der größte Rüstungsauftrag in der Geschichte Indiens hatte viele Begehrlichkeiten geweckt. Dass sich jetzt der Rafale durchsetzte, war für den privaten Rüstungskonzern Dassault höchste Zeit. Das für 41 Milliarden Euro entwickelte Flugzeug muss mindestens 286 Mal verkauft werden, um rentabel zu sein. Bisher haben nur die französischen Streitkräfte Rafale- Kampfflugzeuge in Dienst genommen.

Die Steuerzahler haben also dem Dassault-Konzern nicht nur einen großen Teil der Entwicklungskosten gezahlt, sondern auch die Weiterführung der Produktion gesichert. Dafür hatte die Regierung schon vor Jahren die Abnahme eines Rafale pro Monat zugesichert. Bisher wurden 104 geliefert, bis 2021 sollen es 180 sein und bis 2030 maximal 286 – falls sich kein ausländischer Käufer findet. Je mehr Flugzeuge exportiert werden, umso weniger müsste die Regierung fürs eigene Land kaufen. Doch im Ausland sind bisher alle Verkaufsanbahnungen gescheitert. Die Niederlande, Südkorea, Singapur und Marokko winken ab und entschieden sich meist für US-Modelle. Die Schweiz hat erst im Januar endgültig abgesagt.

Präsident Nicolas Sarkozy hatte sich in den Vereinigten Arabischen Emiraten und in Brasilien persönlich als Verkaufsvertreter für Dassault betätigt und war sich seiner Sache schon sehr sicher. Doch durch den Widerstand der Militärs beider Länder geriet das Geschäft auf die lange Bank. Die Entscheidung Indiens könnte zumindest in Brasilien den Durchbruch für Dassault bringen. Dies hat die dortige Regierung dieser Tage signalisiert.

Damit der von Serge Dassault – Senator der Regierungspartei UMP und Präsidentenfreund – dominierte Konzern in Indien den Zuschlag bekam, mussten erhebliche Zugeständnisse gemacht werden. Der Auftraggeber fordert einen umfassenden Technologietransfer.

Von den 126 Rafale werden nur 18 in Frankreich gebaut, 108 in Lizenz in Indien. Damit ist absehbar, dass Indien früher oder später auf dem Rüstungsgütermarkt zum Konkurrenten wird. Dazu kommt ein Aspekt von internationaler Tragweite: Indien wollte unbedingt ein Flugzeug, das Atomwaffen über weite Entfernungen tragen kann. Dagegen hatte sich das Eurofighter- Konsortium gesperrt. Die französische Regierung ist weniger zurückhaltend. Militärexperten glauben, dass auch der wohl nicht zufällig forcierte Einsatz des Rafale im Libyen-Krieg die indischen Militärs beeindruckt hat. Dagegen wird in Paris schamhaft verdrängt, dass Sarkozy 2007 kaum davon abzubringen war, auch Muammar al-Gaddafi den Rafale zum Kauf anzubieten.

* Aus: neues deutschland, 29. Februar 2012


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