Bushs neuer Mann in Europa?
Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy »korrigiert« die Außenpolitik seines Landes
Von Ralf Klingsieck, Paris *
Von der ersten Rede des neuen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy vor der UNO-Vollversammlung
am heutigen Dienstag (25. Sept.) verspricht man sich mehr Klarheit über die künftige
Außenpolitik des Landes.
Es war Nicolas Sarkozy, der zuerst vor einer »katastrophalen Alternative« gewarnt hatte: »Entweder
die iranische Bombe oder die Bombardierung Irans.« Als sein Außenminister Bernard Kouchner vor
einer Woche leichtfertig von einem möglichen Krieg gegen Iran sprach, schränkte Sarkozy vorsichtig
ein: »Ich für meinen Teil benutze das Wort ›Krieg‹ nicht.« Kouchner hatte mit seiner Aussage eine
Welle der Entrüstung im In- und Ausland ausgelöst. Immer wieder betonte er danach, dass er
eigentlich eine »ernsthafte Friedensbotschaft« aussenden wollte und dass eine militärische
Operation gegen Irans Atomrüstung natürlich nur die letzte Option wäre. Bis zuletzt müsse man sich
mit aller Kraft für eine Verhandlungslösung einsetzen. Zurückgenommen haben indes weder
Kouchner noch sein Präsident etwas.
An diesem Beispiel wird eine zumindest gemäßigt martialische Neuausrichtung der französischen
Außenpolitik unter dem neuen Herrn im Elysee sichtbar. So will Sarkozy, dass Frankreich
baldestmöglich wieder vollständig in die militärischen Strukturen der NATO zurückkehrt. 1966 hatte
Präsident Charles de Gaulle sein Land aus den militärischen NATO-Strukturen zurückgezogen. Seit
1996 sitzt Frankreich zwar wieder im Militärausschuss der Allianz, nicht aber in der Nuklearen
Planungsgruppe und im Ausschuss für Verteidigungsplanung. Sarkozy indes will Paris in der NATOFührung
auf höchster Ebene vertreten sehen, zumal Frankreich zu den Hauptgeldgebern des
Militärpakts gehört. Er verspricht sich davon mehr Einfluss auf Politik und Militärstrategie der NATO,
den er nutzen will, um das »Europa der Verteidigung« voranzutreiben und dessen Anerkennung
durch die USA durchzudrücken. »Die NATO muss eine Allianz von Gleichen werden«, ist Sarkozys
Leitspruch in dieser Frage.
Schon seine ersten außenpolitischen Schritte bezeugten, dass er für sein Ziel, von den USA als
gleichberechtigter Partner respektiert zu werden, zu einigen versöhnlichen Gesten gegenüber
Washington bereit ist. So schickte er Kouchner demonstrativ zum ersten offiziellen Besuch eines
französischen Ministers seit dem Irak-Krieg nach Bagdad. Dafür gab es während seines Urlaubs in
den USA ein demonstrativ herzliches Treffen mit seinem »Freund« George W. Bush. Kritiker
bezeichnen den Franzosen bereits als Nachfolger des Briten Tony Blair in der Rolle von »Bushs
Mann in Europa«. Die Eile, mit der Sarkozy seine Vorhaben in Gang setzt, könnte sich auf
internationalem Gebiet freilich als kontraproduktiv erweisen. Viele Europäer meinen, es wäre klüger,
mit einer Neugestaltung der Beziehungen Frankreichs – und darüber hinaus der EU – zu den USA
zu warten, bis im Weißen Haus ein neuer Präsident den diskreditierten Bush abgelöst hat.
In Europa erwarb sich Präsident Sarkozy zwar durch seinen gelungenen Vorstoß für einen
abgespeckten Vertrag an Stelle der gescheiterten EU-Verfassung einigen Respekt, aber seine
Forderung nach einer »Wirtschaftsregierung« für die Euro-Zone verliert durch die wiederholten
Angriffe auf die Europäische Zentralbank und deren Politik zugunsten eines starken Euro viel an
Seriosität.
An außenpolitischer Glaubwürdigkeit hat Sarkozy auch dadurch eingebüßt, dass er noch im
Wahlkampf die Aufnahme der Türkei in die EU kategorisch ausschloss, als Präsident aber der
Fortsetzung der Aufnahmeverhandlungen zugestimmt hat. Unklar und umstritten sind auch seine
Ideen bezüglich einer Intensivierung und Institutionalisierung der Beziehungen zwischen Europa und
den Staaten des Mittelmeerraums. Er mag sich davon eine Aufwertung der Rolle Frankreichs in der
EU versprechen, doch in den weiter nördlich gelegenen Partnerländern, nicht zuletzt Deutschland,
trifft er auf viel Skepsis. Die Beziehungen zwischen Paris und Berlin, die seit einiger Zeit nicht mehr
im Zenit stehen, wurden in den vergangenen Monaten ohnehin neuen Belastungen ausgesetzt.
Dazu gehörte das Gerangel um die Rolle im gemeinsamen Raum- und Luftfahrtkonzern EADS
ebenso wie Sarkozys Forderung nach einer Kehrtwende Deutschlands zugunsten der Atom-energie.
Unvergessen auch die taktlose Art, wie sich der französischen Präsident von den Medien für die
Befreiung der bulgarischen Krankenschwestern aus libyscher Haft feiern ließ, während er die
monatelangen zähen Verhandlungen der anderen Europäer und nicht zuletzt die Rolle der
deutschen EU-Präsidentschaft souverän überging.
* Aus: Neues Deutschland, 25.09.2007
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