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Sarkozy sucht Rettung bei Rechtsextremen

Frankreichs Präsident attackiert Linke und Ausländer

Von Ralf Klingsieck, Paris *

»Noch zwei Wochen mit Vollgas voraus, und dann beschleunigen wir«, rief Nicolas Sarkozy seinen Anhängern auf einem Wahlkampfmeeting am vergangenen Sonnabend im Badeort Saint-Raphael zu.

Der Kurs, den der waghalsige Lenker der französischen Staatsgeschäfte im Wahlkampf einschlägt, geht scharf nach rechts. Mit Hilfe von Anhängern der rechtsextremen Front National, die er wie schon 2007 auf seine Seite ziehen will, glaubt Sarkozy das Steuer in letzter Minute herumreißen und die Wahlniederlage noch verhindern zu können.

Die französische Mittelmeerküste, wohin sich viele »Pieds noirs« - französische Siedler aus der ehemaligen Kolonie Algerien - nach dem Ende des Algerienkrieges zurückgezogen hatten, ist eine Hochburg der Front National. Ihr langjähriger Chef Jean-Marie Le Pen hatte hier seinen unangefochtenen Wahlkreis. Nun ließ sich Sarkozy in Saint-Raphael zu einigen aufschlussreichen Äußerungen hinreißen. Seinem sozialistischen Herausforder François Hollande warf er vor, mit unverantwortlichen Versprechungen den Ruin des Landes zu provozieren. Dagegen lobte Sarkozy François Mitterrand, der 1983 »nach nur zwei Jahren Linksregierung das gemeinsame Programm über Bord warf und angesichts der Krise ein strenges Maßhalteprogramm in Gang setzte«. Dagegen fände sich Frankreich mit einem Präsidenten Hollande »schnell auf einer Stufe des Notstands mit den ebenfalls von Sozialisten heruntergewirtschafteten Ländern Griechenland und Spanien«.

Auch der Umgang seiner linken Konkurrenten mit dem Ausländerproblem ist Sarkozy ein Dorn im Auge. Hollande will nicht wie 1997 die Linksregierung unter Lionel Jospin die illegal in Frankreich lebenden Ausländer massiv »legalisieren«, sondern nach Einzelfallprüfung denen Papiere ausstellen, die schon lange im Land leben, Arbeit haben und sich gut integrieren. Dagegen spielt Sarkozy auf der Klaviatur ausländerfeindlicher und rassistischer Vorurteile und Beschuldigungen. »Wir wollen unseren Lebensstil, unsere Zivilisation, unsere Kultur und unsere Sprache bewahren«, rief er in Saint-Raphael pathetisch aus, als sähe sich Frankreich einem existenziellen Angriff des nichteuropäischen Auslands ausgesetzt. Tatsächlich wird diese Gefahr bewusst hochgespielt, wie die jüngste Welle von Verhaftungen radikaler Islamisten deutlich machte. Nach der Mordserie von Toulouse wollte die Regierung die antiislamische Stimmung nutzen. Sie verbot nicht nur die Einreise einiger für ihre antiwestliche und antisemitische Hetze bekannter ausländischer Redner für den Jahreskongress der muslimischen Organisation UOIF, sondern verhaftete gleich noch ein Dutzend junger Franzosen, die verdächtigt wurden, Reisen in pakistanische Terroristenlager unternommen oder geplant zu haben oder regelmäßig entsprechende Internetseiten zu konsultieren. Nach wenigen Tagen mussten alle mangels Beweisen wieder freigelassen werden.

Bleibt also die Hetze gegen »Einwanderungsdruck« und »Überfremdung«. Seit Monaten häufen sich Äußerungen oder Maßnahmen des Präsidenten und seines Innenministers Claude Guéant gegen Ausländer oder Franzosen ausländischer Herkunft. Das reichte von einer Medienkampagne gegen rituelle Schlachtungen und Schulkantinen mit islamkonformem Essen bis zu der von Sarkozy in Saint-Raphael wiederholten Ankündigung, die legale Einwanderung zu halbieren, weil man »besser integrieren kann, wenn man weniger aufnimmt«. Mit seiner Ausländerpolitik hat Sarkozy sogar den Unternehmerverband Medef gegen sich aufgebracht, denn das vor Monaten erlassene Verbot, ausländische Absolventen französischer Universitäten anzustellen und ihnen dafür langfristiges Aufenthaltsrecht zu gewähren, widerspricht den Interessen vieler französischer Konzerne und spielt deren Konkurrenz in die Hände.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 11. April 2012


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