Erklärung von Attac Frankreich zu den Unruhen in den französischen Vorstädten und zur Verhängung des Ausnahmezustandes / Communiqué d’Attac France
Massenarbeitslosigkeit, sozialer Wohnungsbau im Verfall, unrenovierter
Wohnraum, Mangel an Mitteln für das landesweite Erziehungswesen, Rückgang
der öffentlichen Dienstleistungen, ungenügende öffentliche Transportmittel,
Armut, sozialer Ausschluss und Segregation, die die Einwohner der ärmeren
Viertel erstickt. Trotz der Anstrengungen und der durch die lokal gewählten
Amtsträger geleiteten Aktionen und die Alarmrufe der Vereine, die sich die
Seele aus der Kehle schreien, um die Situation dieser Viertel anzuprangern,
geht es weiter mit den stetig wachsenden Ungerechtigkeiten und der
wirtschaftlichen und sozialen Misere, die sich mehr und mehr in diesen
Stadtteilen eingenistet hat. Diese Situation ist der direkte Ausfluss der
seit fast 30 Jahren geführten neoliberalen Politik.
Die Maßnahmen der Politik der Stadtverwaltungen erhoben den Anspruch, die
auffälligsten Schäden, die durch die Aufgabe seiner Rolle als Regulator und
Umverteiler durch den Staat entstanden waren, zu beheben. Trotz ihres
nichtsdestotrotz unzureichenden Charakters haben die Regierungen Raffarin-
De Villepin unaufhörlich an diesen Maßnahmen herumzuknabbern versucht, in
dem sie z.B. die Subventionen für die Vereine abgeschafft haben, was zum
Absterben einer ganzen Reihe von diesen geführt hat, die Maßnahmen der
Vorbeugung zu Gunsten der Repression liquidiert haben, im Jahre 2005 mehr
als 350 Millionen €s eingefroren haben, die für die Vororte bestimmt waren,
die Ausbildungsjobs für die Jugendlichen und Jungen ohne jedwede
Alternativmaßnahmen beendet haben und die Zuschüsse für die Sozialwohnungen
um 10% reduziert haben. Aber diese Politik ist kein „taktischer“ Fehler. Sie
ist der französische Ausdruck der (neo)liberalen Politik, die auch im
europäischen und internationalen Maßstab geführt wird. Die
Standortverlagerungen der Unternehmen, die Deregulierung des Arbeitsrechts
und das wachsende Gegeneinanderausgespieltwerden der Werktätigen des Südens
und des Nordens und das Sinken der Staatseinnahmen (immer weniger Steuern
für die Bevorzugtesten) werden zu alltäglichen Vorkommnissen. Die
Prekärsten, die am wenigsten „an das System angepassten“ werden als erste
und aufs grausamste getroffen. Sie sind es, die die Armenviertel der
Vorstädte bevölkern. Unter diesen, erfahren die Jungen, seien sie
französische Staatsbürger oder nicht, die immigrierte Eltern haben, darüber
hinaus Ausschluss und Ärgernisse, die mit ihrer Hautfarbe und dem Ursprung
ihres Namens zu tun haben. Eine ganze Generation wird der Hoffnung und der
Lebensperspektiven beraubt, die Schule ist fast schon nicht mehr in der
Lage, ihre Rolle zu erfüllen. Die Verzweifelung drückt sich heute auf das
Brutalste aus, so sehr ist sie von den Reden eines repressiven
Innenministers geschürt worden, der versucht, die Stimmen der extremen
Rechten für die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen im Jahr 2007 zu
gewinnen. Die politische Strategie um des Erfolges in der Politik willen von
Nicolas Sarkozy, die besonders darin besteht, die Ängste auszunutzen, ist
die eines überzeugten Liberalen.
Die Armenviertel zeigen heutzutage das Gesicht eines Laboratoriums des
wilden Liberalismus, den man auch in anderen Gegenden unseres Planeten
wieder findet. Während die Börsenprofite und die finanzielle Spekulation
nichts als ansteigen, die Fiskalparadiese blühen, nistet sich die Armut in
den reichsten Ländern ein und dies auf organisierte und gewollte Weise. Die
Diskussionen der WTO sehen vor, anlässlich des Gipfels von Hong Kong, der im
Dezember 2005 stattfinden wird, die Pfründe der Multinationalen weiterhin zu
organisieren und zu erweitern. Auf europäischer Ebene wird die reaktivierte
Bolkestein- Richtlinie am 22. November auf der Tagesordnung stehen.
Die Gesamtheit der Bevölkerung, Angestellte oder Erwerbslose, FranzösInnen
oder Einwanderer, müssen sich massiv für die Dekonstruktion der neoliberalen
Ideologie einsetzen. Attac appelliert an die Vereine zur Massenbildung, die
die Arbeit in den urbanen Vierteln, den Vororten und in den ländlichen
Gegenden leisten und alle Bürgerinnen und Bürger, an allen Initiativen gegen
die WTO, gegen die Bolkestein-Richtlinie, für die Entwicklung der
öffentlichen Dienstleistungen teilzunehmen, die im November und Dezember
stattfinden werden. Attac ruft seine AnhängerInnen und Ortsgruppen auf, ihre
Arbeit fortzusetzen und die Ränge des Vereins den ärmeren Kategorien der
Bevölkerung zu öffnen.
Die Revolte, die sich heute durch Gewalt ausdrückt, ist der
Verzweifelungsschrei einer verlassenen und aufgegebenen Generation. Dennoch
sind die Ziele dieser Anschläge (Schulen, Turnhallen, Autobusse etc.)
kollektive Güter, derer die leidenden Viertel zunötigst bedürfen, oder
Güter, die den EinwohnerInnen dieser Viertel gehören. Solche Aktionen werden
auf keinen Fall Verbesserungen der Lebensbedingungen der Einwohner oder
andere konkrete Perspektiven nach sich ziehen. Diese Gegenden, die schon
jetzt Opfer des Neoliberalismus sind, leiden schon seit einigen Tagen an der
Gewaltbereitschaft eines Teils der Jugend, die manchmal an Akte der
Selbstzerstörung grenzt. Diese doppelte Gewaltbereitschaft steigert das
Risiko der Weiterentwicklung der Sicherheits- und Unterdrückungspolitik, der
Spaltung der EinwohnerInnen und des Wiederauflebens der Ideen des Front
National. Die am 7. November durch den Premierminister angekündigten
Maßnahmen verfolgen fast ausschließlich diese Perspektive. Die Ausgrabung
eines Ausnahmezustands, die noch aus der Zeit des Algerienkriegs stammt, ist
dafür das sichtbarste Zeichen. Sie riskiert, die Spannungen zu verschärfen
und die schmerzhaftesten Erinnerungen der Eltern und Großeltern
wiederzuerwecken. Attac verurteilt die Inkraftsetzung dieses
Freiheitstötenden Gesetzes, das Hausarrest,
Schließen von Begegnungsstätten, ihr Verbot und Pressezensur erlaubt und den
Militärgerichtshöfen zivile Kompetenzen überträgt. In keinem Fall stellt
sie eine verantwortliche und wirksame Antwort auf die augenblickliche
Situation dar.
Junge und BewohnerInnen dieser Viertel, Angestellte oder Arbeitslose,
PensionärInnen oder Aktive: wir haben zur Aufgabe, unsere Antworten und
unseren Widerstand gegen unseren gemeinsamen Feind zu organisieren, der
unser Vermögen plündert und die Solidaritäten auflöst. Dies ist sicher der
Fall eines politischen Kampfes, in dem jeder Stellung und Verantwortung
übernehmen muss, so dass diese Viertel weder der Gewalt, noch der
Repression, noch der Misere, noch den religiösen Bewegungen ausgeliefert
sind. Attac drückt seine Solidarität allen jenen (Frauen und Männern) -
gewählten AmtsträgerInnen, SozialarbeiterInnen und einfachen BürgerInnen aus
- die sich durch ihre Anwesenheit vor Ort bemühen, den Dialog zu knüpfen,
die Konfrontationen und zusätzlichen Zerstörungen zu verhindern.
Die Situation der ärmeren Viertel ist die Angelegenheit aller, sie ist eine
Sache der Solidarität und der Bürgerlichkeit. Die Lösung des Problems geht
selbstverständlich über das Ende der Diskriminierungen und durch den Zugang
zur Beschäftigung. Das ist die erste Priorität. Zunächst einmal ist der
Zugang zu Einkommen unbedingt notwendig für die Jugendlichen, die weder
Arbeitslosenunterstützung erhalten - da viele von ihnen noch nicht
gearbeitet haben -, noch den RMI (Minimaleingliederungsunterstützung), da
sie noch unter 25 Jahre alt sind.
Nur eine radikale Veränderung der Politik könnte den Begehren der ärmeren
Kategorien der Bevölkerung und den in die Verzweifelung gestürzten
Jugendlichen entgegenkommen. Nichts wird ohne Infragestellung der Diktatur
der Märkte grundsätzlich gelöst werden können. Wirtschaftliche Alternativen,
solidarische Entwicklungsmodi und eine gleiche Verteilung der Reichtümer
sind möglich. Es ist an uns allen, diese Alternativen zu tragen und zu
fördern. So dass die Hoffnung einer radikalen sozialen Veränderung jeder
und jedem Perspektiven öffnen möge.
Das Büro von Attac Frankreich
Am 8. November 2005
Traduit par Carla Krüger, le 9 novembre 2005
Communiqué d’Attac France
Chômage de masse, logement social en désuétude, logements insalubres, absence de moyens pour l’éducation nationale, régression des services publics, insuffisance des transports en commun, pauvreté, exclusion sociale et ségrégation asphyxient les habitants des quartiers populaires. Malgré les efforts et les actions menées par des élus locaux et les associations qui s’époumonent à lancer des cris d’alarme sur la situation de ces quartiers, les inégalités ne font que s’accroître et la misère économique sociale et culturelle s’est peu à peu enracinée dans les cités. Cette situation est le produit direct des politiques néolibérales menées depuis près de 30 ans.
Les dispositifs de politique de la ville prétendaient réparer les dégâts les plus criants de l’abandon par l’Etat de son rôle régulateur et redistributeur des richesses. Malgré leur caractère pourtant insuffisant, les gouvernements Raffarin-De Villepin n’ont cessé de rogner sur ces dispositifs, supprimant les subventions aux associations, ce qui a entraîné la mort de nombre d’entre elles, liquidant les mesures de prévention au bénéfice du répressif, gelant en 2005 plus de 350 millions d’Euros destinés aux banlieues, mettant fin aux emplois jeunes sans solution alternative, diminuant de 10% ses apports pour le logement social. Mais cette politique n’est pas une "erreur" tactique. Elle est l’expression, en France, des politiques libérales menées aussi au plan européen et international. Se généralisent délocalisation des entreprises, dérégulation du droit du travail, mise en concurrence accrue des travailleurs du sud et du nord, diminution des recettes de l’Etat (toujours moins d’impôt pour les plus favorisés). Les plus précaires, les moins "adaptables au système" sont touchés les premiers et le plus violemment. Ce sont eux qui peuplent les quartiers populaires des banlieues. Parmi ceux-ci, les jeunes, français ou non, nés de parents immigrés, subissent de surcroît une exclusion et des vexations liées à la couleur de leur peau, à l’origine de leur nom. Une génération entière est privée d’espoir et de perspectives de vie, l’école n’étant même plus en mesure de remplir son rôle. Leur désespérance s’exprime aujourd’hui de la manière la plus brutale, d’autant qu’elle a été exacerbée par les propos d’un ministre de l’Intérieur répressif qui cherche à capter les voix de l’extrême droite pour les futures élections présidentielles de 2007. La stratégie politicienne de Nicolas Sarkozy, qui consiste notamment à jouer sur la peur, est celle d’un libéral convaincu.
Les quartiers populaires présentent aujourd’hui le visage d’un laboratoire du libéralisme sauvage que l’on retrouve sur d’autres territoires de la planète.
Alors que les profits boursiers et la spéculation financière ne cessent d’augmenter, que les paradis fiscaux prospèrent, la pauvreté s’installe dans les pays les plus riches et ce de façon organisée et délibérée. Les discussions de l’OMC prévoient, lors du sommet de Hong Kong qui se tiendra en décembre 2005, de continuer à organiser et amplifier les bénéfices des multinationales. Au plan européen, la directive Bolkestein, réactivée, sera à l’ordre du jour le 22 novembre.
C’est l’ensemble des citoyens, salariés ou chômeurs, français ou immigrés, qui doivent s’engager massivement dans la déconstruction de l’idéologie néolibérale. Attac appelle les associations d’éducation populaire, celles qui sont impliquées dans les quartiers, les banlieues et les zones rurales, tous les citoyens et citoyennes, à participer à toutes les initiatives contre l’OMC, contre la directive Bolkestein, pour le développement des services publics qui auront lieu en novembre et en décembre. Elle appelle ses adhérents, les comités locaux, à poursuivre le travail engagé pour ouvrir les rangs de l’association aux catégories populaires.
La révolte qui s’exprime aujourd’hui par la violence est un cri de désespoir d’une génération abandonnée. Toutefois, les cibles de cette violence (écoles, gymnases, autobus, etc.) constituent des biens collectifs dont les quartiers en souffrance ont impérieusement besoin, ou des biens appartenant aux habitants de ces quartiers. Ces actions ne peuvent en aucun cas apporter de réponses en faveur de l’amélioration des conditions de vie des habitants ni offrir de perspectives concrètes. Victimes de la violence du libéralisme, les quartiers populaires souffrent aussi, depuis ces derniers jours, d’une violence menée par une partie de la jeunesse, qui s’apparente parfois à des actes d’autodestruction. Cette double violence accroît le risque de développement des politiques sécuritaires et répressives, de division des habitants et de remontée des idées portées par le Front National.
Les mesures annoncées le 7 novembre par le Premier ministre se situent quasi exclusivement dans cette perspective. L’exhumation d’une loi d’exception, instaurant le couvre-feu, datant de la guerre d’Algérie, en est le signe le plus fort. Elle risque d’aggraver les tensions et de raviver la mémoire la plus douloureuse de parents et grands-parents. Attac dénonce la mise en oeuvre de cette loi liberticide qui permet des assignations à résidence, la fermeture des lieux de réunions, leur interdiction, la censure de la presse et peut donner une compétence civile aux autorités militaires. En aucune manière elle ne constitue une réponse responsable et efficace à la situation actuelle.
Jeunes et habitants des quartiers, salariés ou chômeurs, retraités ou actifs : nous avons pour tâche d’organiser ensemble nos ripostes et nos résistances face à l’adversaire commun qui pille nos richesses et défait les solidarités. Il s’agit bien d’un combat politique dans lequel il appartient à chacun de prendre sa part et ses responsabilités afin que les quartiers populaires ne soient livrés ni à la violence, ni à la répression, ni à la misère, ni aux mouvements religieux. Attac exprime sa solidarité avec toutes celles et ceux - élus locaux, militants associatifs, travailleurs sociaux, et simples citoyens - qui, par leur présence sur le terrain, s’efforcent de nouer le dialogue, de prévenir des affrontements et des destructions supplémentaires.
La situation des quartiers populaires est l’affaire de tous, elle est une affaire de solidarité et de citoyenneté. La résolution du problème passe évidemment par l’arrêt des discriminations et par l’accès à l’emploi. C’est la priorité numéro un. Dans l’immédiat, l’accès au revenu est indispensable pour les jeunes qui ne perçoivent ni les allocations chômage - car beaucoup n’ont jamais travaillé -, ni le RMI quand ils ont moins de 25 ans.
Seul un changement radical de politique pourrait répondre aux aspirations des catégories populaires et des jeunes plongés dans le désarroi. Rien ne pourra être fondamentalement résolu sans remise en cause de la dictature des marchés. Des alternatives économiques, des modes de développement solidaire et une répartition équitable des richesses sont possibles. A nous tous de porter et de promouvoir ces alternatives. Pour que l’espoir d’une transformation sociale radicale ouvre des perspectives de vie à chacun et à chacune.
Le bureau d’Attac,
Le 8 novembre 2005
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