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Kein Karneval der Macht in Paris

Merkel und Hollande gaben sich nach gemeinsamen Beratungen harmonisch

Von Ralf Klingsieck, Paris *

Der Deutsch-französische Ministerrat, der am Mittwoch im Pariser Elysée-Palais stattfand, war außerhalb der geplanten Tagesordnung stark durch die Ereignisse in der Ukraine bestimmt.

Zu dem Kiewer Machtkämpfen betonten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsident François Hollande auf der anschließenden Pressekonferenz, dass die Gewaltanwendung gegen Demonstranten »inakzeptabel« sei und Konsequenzen haben werde. »Jeder dafür Verantwortliche soll wissen, dass er seiner Strafe nicht entgehen wird«, versicherte Hollande. Laut Merkel komme es jetzt vor allem darauf an, Ruhe und Sicherheit wiederzustellen und einen politischen Dialog einzuleiten. Deutschland, Frankreich und die ganze Union seien bereit, mit beiden Seiten zusammenzuarbeiten und sich an der Lösung der Probleme im Interesse der Bevölkerung der Ukraine zu beteiligen. In diesen Prozess wolle man ganz besonders auch die Nachbarländer der Ukraine einbeziehen.

Um der französischen und der deutschen Regierung »einzuheizen«, hatte Greenpeace am frühen Morgen vor dem Tor des Elysée fünf Tonnen Kohle abgekippt. Zu der Ladung gehörte auch ein Fass mit nuklear verseuchtem Grundwasser aus der Nachbarschaft der Wiederaufbereitungsanlage in La Hague. Durch diese symbolische Aktion wollte die Organisation eine »echte Energiewende in beiden Ländern« und die Einhaltung des Versprechens anmahnen, den Anteil erneuerbarer Energie bis 2030 auf 45 Prozent zu steigern.

Auf der Pressekonferenz war zu spüren, dass sich das Klima zwischen beiden Landeslenkern deutlich erwärmt hat. Zwischen den Wahlen in Frankreich im Frühjahr 2012 und in Deutschland im Herbst 2013 hatten die bilateralen Beziehungen eher stagniert. In Paris stemmte man sich vor allem gegen die stark durch die neoliberale FDP geprägte Außen- und Wirtschaftspolitik der deutschen Partner. Gleichzeitig haben die Politiker der Linksregierung die Kontakte zur SPD intensiviert, was nach der Bildung der Großen Koalition die offiziellen Beziehungen zwischen den Regierungen wesentlich erleichtert hat, zumal man eine Reihe von Positionen der französischen Seite wie beispielsweise Mindestlohn jetzt auch im deutschen Regierungsprogramm findet. An diese Gemeinsamkeiten konnte man beim Ministerrat anknüpfen, während man Themen, zu denen man nach wie vor unterschiedlicher Meinung ist, von vornherein ausgeklammert hat. Von diesem Neuanfang waren natürlich keine Sensationen zu erwarten und so haben Hollande und Merkel auch vor allem kleine Schritte angekündigt.

Die spektakulärste Entscheidung ist wohl, dass die Deutsch-französische Brigade zum ersten Mal an einer gemeinsamen Intervention teilnimmt, indem 250 deutsche Soldaten nach Mali entsandt werden, um für die Ausbildung der Armee und für logistische Aufgaben eingesetzt zu werden, und eine entsprechende Zahl französischer Soldaten freisetzen.

Näher gekommen ist man sich auch zum Thema Zusammenarbeit auf dem Energiesektor. Hier hatte Hollande auf seiner Pressekonferenz Mitte Januar einen »Airbus der Energie« vorgeschlagen. Doch daraus wird kein gemeinsames Unternehmen wie im Flugzeugbau, sondern zunächst eine Intensivierung der Zusammenarbeit der Forschungseinrichtungen beider Länder und ihrer Energiespar-Agenturen. Breiten Raum nahm das Thema der Annäherung der Volkswirtschaften im Interesse von Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Beschäftigung sowie die Steuervereinheitlichung ein. Hier wurden konkrete Maßnahmen zur Angleichung der Unternehmenssteuer in beiden Ländern vereinbart und gleichzeitig kritisiert, dass die entsprechenden Schritte auf der Ebene der EU zu schleppend verlaufen.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 20. Februar 2014


Die Rückkehr der »Schutztruppe«

Deutschland übt in Mali Bündnistreue – mit Frankreich. Gemeinsame Intervention vereinbart

Von Christian Selz **


Krieg stand auf dem Programm, als sich am gestrigen Mittwoch die Regierungschefs, Verteidigungs- und Außenminister Deutschlands und Frankreichs in Paris trafen. Im Rahmen des deutsch-französischen Ministertreffens beschlossen sie den Einsatz im westafrikanischen Mali. Berlin will sein Truppenkontingent dort von 180 Soldaten auf 250 aufstocken. Der Bundestag soll die Erweiterung des Mandats am heutigen Donnerstag »beraten«.

Paris, das in seinen ehemaligen Kolonien gewichtige Rohstoffinteressen verfolgt, steht bereits mit einer Kampftruppe in Mali. Das nun neu beschlossene gemeinsame Kontingent wird aus der deutsch-französischen Brigade gebildet werden. Die Soldaten der 1989 gegründeten Infanterieeinheit sollen zunächst zur »Ausbildung malischer Soldaten« eingesetzt werden, können aber »auf längere Sicht auch als Schutztruppe um die Hauptstadt Bamako sowie zur Absicherung eines Ausbildungsvorhabens an anderem Ort eingesetzt werden«, wie die Nachrichtenagentur AFP mit Verweis auf das entsprechende Bundestagsmandat konstatierte.

Der historische Begriff »Schutztruppe« birgt dabei unfreiwillige Zynik. Mit der gleichen Bezeichnung hatte bereits Reichskanzler Otto von Bismarck die deutschen Kampfverbände im Afrika des späten 19. Jahrhunderts bedacht, weil er die dortigen Kolonien lieber als Schutzgebiete bezeichnete. »Operettenarmee wandelt sich zu effektiven Streitkräften«, jubelte dazu passend bereits am Dienstag in freudiger Erwartung die in der ehemaligen deutschen Kolonie Namibia erscheinende deutschsprachige Allgemeine Zeitung.

Das damalige Deutsch-Südwest­afrika fiel 1915 an die unter britischer Regie agierende Südafrikanische Union. Das heutige »deutsche Engagement« wird dagegen laut Frankfurter Allgemeiner Zeitung als »großer Fortschritt auf dem Wege zu einer gemeinsamen Afrika-Strategie« bewertet.

** Aus: junge Welt, Donnerstag, 20. Februar 2014


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