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Gambias Kampf gegen den Hunger

Alhagie Kebbeh will, dass sein Land von Nahrungsmittelimporten unabhängig wird

Auf Einladung des INKOTA-Netzwerkes war Alhagie Kebbeh aus Gambia vor kurzem in Deutschland. Er ist Präsident der Afrikanischen Jugendkoalition gegen Hunger (AYCAH) und Direktor der Nationalen Jugendvereinigung für Ernährungssicherheit in Gambia. Kebbeh plädiert für die Förderung lokaler Produktion und kritisiert europäische Strategien. In Berlin protestierte er gegen Agrospritpläne der Bundesregierung. Mit Alhagie Kebbeh sprach Kai Walter für das "Neue Deutschland". Wir dokumentieren das Interview im Folgenden.



ND: Herr Kebbeh, was führt Sie im Kampf gegen Hunger nach Deutschland?

Alhagie Kebbeh: Ich möchte ein Gesicht von AYCAH nach Deutschland bringen, Partner finden und Netzwerke bilden. Wir müssen näher zusammen rücken und bestehende Verbindungen stärken. Für den Hunger in Afrika sind auch politische und wirtschaftliche Entscheidungen in Deutschland und Europa verantwortlich.

Wie sieht die Regierung in Gambia Ihre Arbeit?

Es ist nicht einfach, aber wir mobilisieren eine große Menge von Menschen. Ich sehe eine wachsende Akzeptanz des Engagements der Zivilgesellschaft in afrikanischen Ländern, nicht nur in Gambia. Wir haben auch dazu beigetragen, dass in Gambia, Senegal, in ganz Westafrika kritisch über die EPA, die ökonomischen Partnerschaften mit Europa, nachgedacht wird.

In Europa werden die EPA als Möglichkeit gesehen, die afrikanischen Länder wirtschaftlich zu stärken. Was ist schlecht daran?

Liberalisierung der Landwirtschaftsmärkte in Afrika funktioniert nicht. In der momentanen Situation verschärfen die EPA die Ernährungslage in vielen afrikanischen Ländern. Sie fördern den freien Handel, aber nicht den fairen Handel. Während wir in Gambia versuchen, die Menschen zu überzeugen, die Felder zu bestellen, kommen Importe aus Europa und Asien ins Land.

Das Preisdumping der EU-Staaten macht es schwer für unsere Bauern. Der Geflügelmarkt wird von Billigimporten bestimmt. Niederländische Hähnchen kosten in Gambia nur ein Drittel des Preises im Erzeugerland. Unsere Bauern können das nicht unterbieten.

Sollten Nahrungsmittelimporte stärker eingeschränkt oder gar verboten werden?

Nein, noch sind die meisten Länder in Afrika nicht in der Lage, ohne diese Importe auszukommen. Die Entwicklungen der letzten Jahre haben dazu geführt, dass selbst Grundnahrungsmittel nicht mehr ausreichend im Land produziert werden. Bauern haben ihre Felder aufgegeben, weil sie ihre Produkte unter dem Druck des Dumpings nicht mehr verkaufen konnten.

Einerseits Dumping, andererseits drastisch erhöhte Preise für Grundnahrungsmittel. Wie wirkt sich das in Gambia aus?

Die Lebensmittel sind so teuer geworden, dass sie sich viele nicht mehr leisten können. Der importierte Reis hat seinen Preis innerhalb kurzer Zeit verdreifacht. Fünfzig Kilogramm kosten ohne Subvention bis zu 1200 Dalasi. Damit kann man eine fünfköpfige Familie einen knappen Monat ernähren. Ein Angestellter in der Stadt verdient aber im Monat nur etwa 1500 Dalasi, und davon müssen Schule, Ärzte und Kleidung bezahlt werden. Deshalb subventioniert die Regierung diesen Reis. Der subventionierte Preis liegt bei 850 bis 950 Dalasi. Aber das ist keine nachhaltige Lösung. Im letzten Jahr produzierten wir nur etwa zehn Prozent unseres Reisbedarfs selbst. Es werden 160 000 Tonnen pro Jahr benötigt. Ein Land wie Gambia mit 1,4 Millionen Einwohnern importiert Reis aus China, das mehr als eine Milliarde Menschen ernähren muss. Da läuft etwas falsch.

Was muss getan werden?

Wir sagen: Iss, was du anbaust! Lokal angebaute Produkte sollen gefördert werden, um eine unabhängige Nahrungsversorgung zu erreichen.

Woher sollen die Menschen in Ihrem Land das Geld für teurere einheimische Produkte nehmen?

Die Bauern müssen ihre Produkte verkaufen können. Dann können sie auch einheimische Waren kaufen. Deshalb wollen wir den lokalen und regionalen Handel stärken. Wir suchen im Rahmen der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Wege, um lokale Produktion und lokalen Konsum zu stärken.

Wie wollen Sie Bauern motivieren?

Da müssen die Regierungen etwas tun, zum Beispiel Steuern für lokale Produzenten senken. Die Landwirtschaft muss in die Lage versetzt werden, für Nahrungsmittelsicherheit zu sorgen. Und die Bauern müssen ihren Lohn für die Arbeit bekommen, damit sie ihre Kinder zur Schule schicken und in die Landwirtschaft investieren können.

In diesem Jahr wurden in Gambia aufgrund der Krise Saatgut und Dünger an Bauern gegeben, obwohl die Weltbank und der IWF das nicht gerne sehen. Aber da geht es um unsere Menschen und die Regierung darf gar nicht hinschauen, wenn die Weltbank die rote Karte zeigt. Es kann nicht sein, dass Länder in denen fünf Prozent der Menschen von der Landwirtschaft leben, diese subventionieren und uns das untersagt wird.

Ist der Anbau für Agrarsprit in Gambia ein Problem?

Mit der Erdnuss haben wir in dieser Hinsicht gute Erfahrungen gemacht. Sie ist eine wichtige Frucht, die wir auch als Nahrungsmittel nutzen. Der ökonomische Wert des Produktes entscheidet, was ein Bauer macht. Wenn es sich für Bauern lohnt, Nahrungsmittel anzubauen, dann können sie dem Druck der Industrieländer widerstehen. Trotzdem befürchten wir, dass der neue Trend zum Anbau für Agrosprit auch nach Gambia kommt. Deshalb äußern wir unsere Bedenken überall, wo wir können.

* Aus: Neues Deutschland, 16. Dezember 2008


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