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Druck auf Israel erhöht sich

Türkei verlangt unabhängige Untersuchung des Seeüberfalls *

Israel kommt wegen seiner Gaza-Politik immer mehr unter Druck. Die Türkei forderte am Montag (7. Juni) ultimativ eine unabhängige Untersuchung des blutigen Einsatzes der Israelis.

Die Türkei hat gemeinsame Wirtschaftsprojekte und Militärmanöver mit Israel auf Eis gelegt. Außenminister Ahmet Davutoglu sagte am Montag in Ankara, sollte Israel sich einer internationalen Untersuchung verschließen, sei an eine Normalisierung der Beziehungen nicht zu denken. Die Organisation der Islamischen Konferenz forderte ihre 57 Mitgliedsländer in einer auch von Davutoglu unterzeichneten Erklärung auf, ihre Beziehungen zu Israel zu überprüfen.

Am heutigen Dienstag (8. Juni) will der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan die Regionalkonferenz für Sicherheit in Asien (CICA) in Istanbul dazu nutzen, um mit dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad über das Thema sprechen. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, der ebenfalls an dem CICA-Treffen teilnimmt, kündigte die Entsendung einer Delegation in den Gazastreifen an, um mit der Hamas-Organisation Versöhnungsgespräche führen zu lassen.

Die israelische Armee hat in den Gewässern vor dem Gazastreifen vier Palästinenser getötet. Hubschrauber und Schiffe der Marine hätten das Boot der Palästinenser unter Beschuss genommen, berichteten am Montag Augenzeugen und Rettungskräfte. Vier Leichen wurden demnach geborgen, nach zwei Vermissten werde noch gesucht. Ob an Bord des palästinensischen Bootes Fischer oder bewaffnete Kämpfer waren, wurde nicht mitgeteilt. Ein Sprecher der israelischen Armee sagte, an Bord des Bootes südlich der Stadt Gaza seien »Mitglieder eines Terrorkommandos« in Taucheranzügen gewesen.

Ungeachtet der israelischen Blockade will die iranische Sektion der Hilfsorganisation Roter Halbmond zwei Schiffe mit Helfern und Hilfsgütern zu dem Palästinensergebiet schicken. Die Schiffe würden Ende der Woche aufbrechen, sagte der internationale Leiter des iranischen Roten Halbmondes, Abdolrauf Adibsadeh, am Montag nach Angaben der Nachrichtenagentur Irna. Eines der Schiffe werde Spenden der iranischen Bevölkerung, vor allem Medikamente und Nahrungsmittel, transportieren, das andere Helfer. Freiwillige, die im Gazastreifen »dem unterdrückten Volk des besetzten Palästina« helfen wollten, könnten sich auf der Website des Roten Halbmondes registrieren lassen, sagte Adibsadeh.

Nach der Erstürmung der Gaza-Hilfsflotte durch das israelische Militär hat der französische Außenminister Bernard Kouchner eine vermittelnde Rolle der EU vorgeschlagen. »Wir können die Ladung von Schiffen, die in Richtung Gaza fahren, sehr gut kontrollieren«, sagte Kouchner in der Nacht zum Montag nach einem Treffen mit seinem britischen Kollegen William Hague vor Journalisten in Paris. »Wir können das machen, wir möchten das gerne machen, wir werden das sehr gerne machen«, fügte Kouchner hinzu. Die EU müsse mehr als bisher tun, um auf »dem Weg des Friedens« im Nahen Osten praktisch, politisch und »materiell« voranzukommen.

In der Vergangenheit habe sich die EU bereits um die Kontrollen am Grenzpunkt Rafah zwischen dem Gazastreifen und Ägypten gekümmert, sagte Kouchner. Dies könne die EU in Zukunft erneut übernehmen. Auch Hague sagte, die EU könne »helfen, wie sie es in der Vergangenheit bereits getan hat«. Es müsse gewährleistet werden, dass Handelsgüter in den von der Hamas-Bewegung kontrollierten Gazastreifen gelangten, aber keine Waffen. »Es kann nicht so weitergehen wie bisher«, sagte Kouchner. Die Einfuhr von Waffen in den Gazastreifen müsse durch Kontrollen verhindert werden, zugleich aber müsse dafür Sorge getragen werden, dass normale Handelsgüter in den Gazastreifen gelangten. Auch Kouchner und Hague plädierten für eine internationale Untersuchung der Erstürmung der Gaza-Hilfsflotte durch die israelische Marine.

* Aus: Neues Deutschland, 8. Juni 2010


Immer mehr Blockadebrecher

Aus Iran und Libanon sollen weitere Hilfsschiffe nach Gaza fahren

Von Karin Leukefeld **


Israel widersetzt sich weiterhin einer internationalen Untersuchung der gewaltsamen Erstürmung von Schiffen mit Hilfslieferungen für Gaza, bei der am Montag vergangener Woche mindestens neun Menschen getötet worden waren. Eine solche unabhängige Untersuchung hatte unter anderem der UN-Sicherheitsrat gefordert. Tel Avivs Botschafter in Washington, Michael Oren, erklärte im US-Fernsehsender Fox News, Israel sei ein »demokratischer Staat« und habe »die Fähigkeit und das Recht, selbst die Untersuchung zu führen«. Nahezu zeitgleich beschuldigten die israelischen Streitkräfte fünf Teilnehmer der Free-Gaza-Flotte, Kontakte zu Al-Qaida, Hamas und anderen Organisationen unterhalten zu haben. Die vier Männer und eine Frau hätten »verbotene elektronische Ausrüstung« nach Gaza schmuggeln wollen. Am Montag erschoß die israelische Armee in den Gewässern vor Gaza vier Palästinenser. Hubschrauber und Schiffe der Marine hätten das Fischerboot unter Beschuß genommen, berichteten Rettungskräfte und Augenzeugen.

Die Hilfsorganisation Iranischer Roter Halbmond - das Pendant zum Roten Kreuz in den islamischen Ländern - hat derweil angekündigt, ebenfalls Schiffe mit Hilfsgütern nach Gaza bringen zu wollen. Sie würden Ende der Woche aufbrechen, sagte der internationale Leiter der Organisation, Abdolrauf Adibsadeh, am Montag der iranischen Nachrichtenagentur IRNA. Auch aus dem Libanon soll noch im Juni ein solches Schiff auslaufen. Zugleich haben der französische Außenminister Bernard Kouchner und sein britischer Amtskollege William Hague vorgeschlagen, Hilfslieferungen für Gaza auf dem Seeweg durch die EU kontrollieren zu lassen. Bis zur Schließung des ägyptisch-palästinensischen Grenzübergangs Rafah 2007 hatten EU-Polizisten diesen kontrolliert, während Israel an der Abfertigung nur per Videoübertragung teilnahm. Als derzeitige EU-Präsidentschaft werde auch die spanische Regierung einen entsprechenden Vorschlag zur Überwindung der israelischen Blockade gegen Gaza unterbreiten, kündigte Spaniens Außenminister Miguel Angel Moratinos an.

Ägypten seinerseits will die in der vergangenen Woche geöffnete Grenze zum Gazastreifen bis auf weiteres nicht wieder schließen. Die Blockade habe ihre Ziele verfehlt, erklärte ein ägyptischer Sicherheitsbeamter, der namentlich nicht genannt werden wollte.

* Aus: junge Welt, 8. Juni 2010


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