Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Blockade des Gazastreifens ist noch lange nicht aufgehoben

Bundestagsvizepräsident Thierse unterstützt Friedensaktion "Ein Schiff für Gaza" - Holmes (UNO): "We saw a lot of shocking destruction"

Im Folgenden dokumentieren wir einen Artikel, der sich mit dem Zustand des Gazastreifens wenige Tage nach dem Waffenstillstand befasst und zu dem Schluss kommt, dass sich an der Blockade noch nicht sehr viel geändert hat. Zum Zweiten wird eine Initiative zur Unterstützung der Aktion "Free Gaza" dokumentiert (siehe: Ein Schiff nach Gaza – Blockade beenden.) Und am Ende veröffentlichen wir noch einen Artikel von der Website der Vereinten Nationen, in dem aus Sicht der UN-Organisation u.a. die gigantischen Herausforderungern geschildert werden, Gaza nach all den verheerenden Zerstörungen die nötige Hilfe zu bringen. (Siehe Senior UN officials survey ‘shocking’ aftermath of Israeli offensive in Gaza.)



Gaza bleibt eingesperrt

Von Rüdiger Göbel *

Israel will die eineinhalb Millionen Palästinenser im kriegszerstörten Gazastreifen auch nach dreiwöchigem Bombardement gefangenhalten. Die Regierung in Tel Aviv weigert sich, trotz Aufforderungen seitens der EU und einer Entschließung des UN-Sicherheitsrates, die Blockade aufzuheben. Lediglich die Lieferung von Hilfsgütern nach Gaza soll erlaubt werden. Wann, blieb am Donnerstag allerdings unklar. Israelische Kriegsschiffe ignorierten gestern die Waffenruhe und beschossen den Gazastreifen. Fünf Palästinenser – zwei Kinder, zwei Frauen und ein älterer Mann – im direkt am Mittelmeer gelegenen Flüchtlingslager Schati wurden verletzt, ein Haus und mehrere Fischerboote beschädigt.

UN-Nothilfekoordinator John Holmes forderte Israel am Donnerstag (22. Jan.) auf, sofort die Grenzübergänge zum Gazastreifen zu öffnen, um Baumaterialien für den Wiederaufbau einführen zu können [siehe weiter unten!]. Unmittelbar würden nun sauberes Wasser, Abwasserentsorgung, Strom und Unterkünfte benötigt. Die Zahl der Kriegsopfer nannte Holmes »extrem schockierend«. Nach neuen Angaben der palästinensischen Gesundheitsbehörde wurden bei den israelischen Angriffen 1330 Palästinenser getötet. Unter den Toten sind 437 Kinder, 110 Frauen und 123 ältere Menschen. Weitere 5450 Menschen – 1855 Kinder und 795 Frauen – wurden verletzt. Auf israelischer Seite wurden 84 Menschen verletzt. Drei Zivilisten und zehn Soldaten starben, vier von ihnen durch Beschuß aus den eigenen Reihen.

Nach und nach berichten auch die großen Medien über israelische Kriegsgreuel. Im britischen Independent (21.1.2009) schildert Khaled Abed Rabbo, seine Familie sei am 7. Januar von der Besatzung eines israelischen Panzers zum Verlassen ihres Hauses im Flüchtlingslager Dschabalija aufgefordert worden. Als sie herausgekommen seien, hätten Soldaten auf sie gefeuert und dabei seine Töchter Amal (2) und Suad (7) getötet. Seine vierjährige Tochter Samer liege schwer verletzt im Krankenhaus. Laut Rabbo sei auch auf seine 60jährige Mutter geschossen worden, die beim Verlassen des Hauses noch mit ihrem weißen Kopftuch gewunken hatte. Die israelische Armee erklärte dem Independent, sie greife keine Zivilisten an, »nur Hamas-Terroristen und ihre Infrastruktur«.

Esther Saoub vom ARD-Hörfunkstudio Kairo berichtet über die Folgen des Einsatzes von Phosphorgranaten, die furchtbare Verbrennungen verursachen. Im Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt sprach die Korrespondentin mit der verletzten Sabah Abu Halimeh. Deren Mann und vier ihrer Kinder sind tot, zwei Söhne wurden mit schweren Brandwunden nach Ägypten gebracht. »Meine Familie ist buchstäblich geschmolzen«, erinnert sich die Frau an den Beschuß ihres Hauses am 4. Januar. Chris Cobb-Smith, Militärexperte von Amnesty International, bestätigte dem ARD-Rundfunk: »Wir haben überall im Gazastreifen Nachweise für weißen Phosphor gefunden.« Der frühere britische Offizier geht davon aus, daß weißer Phospor in Gaza als »Antipersonenwaffe« eingesetzt wurde. »Es ist unmöglich, daß dies versehentlich geschehen ist. Die Granaten wurden bewußt auf dicht besiedelte Wohngebiete abgefeuert.«

Israels Außenministerin Zipi Livni drohte am Donnerstag mit weiteren Angriffen auf die Palästinenser in Gaza. So sollen weitere Tunnel an der Grenze zu Ägypten zerstört werden. Sie sind zur Zeit der einzige Weg, über den die Palästinenser versorgt werden.

* Aus: junge Welt, 23.01.2009

Ein Schiff nach Gaza – Blockade beenden

Bundestagsvizepräsident Thierse und zahlreiche Prominente unterstützen Friedensaktion

Ein Schiff mit Hilfsgütern nach Gaza entsenden will ein Friedensbündnis aus IPPNW, Jüdischer Stimme, Palästinensischer Gemeinde, Deutsch-Palästinensischer Gesellschaft und pax christi. Mit der Aktion protestiert das Bündnis gegen die andauernde Blockade des Gazastreifens. Die Aufhebung der Blockade sei ein notwendiger Schritt zu mehr Sicherheit und Freiheit für alle Menschen der Region.

Unterstützt wird die Aktion u.a. von Dr. Wolfgang Thierse, Vizepräsident des Deutschen Bundestages; Prof. Dr. Ulrich Gottstein, Mitglied des Vorstandes der IPPNW Deutschland; Prof. Dr. Rolf Verleger, ehemaliger Vorsitzender des Landesverbands Jüdische Gemeinschaft Schleswig-Holstein; Hans-Christof von Sponeck, ehemaliger Diplomat der Vereinten Nationen, Rolf Becker, ver.di Hamburg, FB Medien; Pfarrer Bernhard Dinkelaker, Generalsekretär des Evangelischen Missionswerks in Südwestdeutschland; Bischof Heinz Josef Algermissen, Fulda und pax christi Präsident sowie Bischof Dr. Hans-Jürgen Abromeit, Pommersche Evangelische Kirche.

Das Bündnis sieht die dreiwöchige Bombardierung des Gazastreifens und den militärischen Einmarsch als Fortsetzung der Blockadepolitik. Wegen der von Israel verhängten Blockade, gelangen zu wenig Lebensmittel, Treibstoff und Zement in den Gazastreifen. Seinen Bewohnern bleibt die Ein- und Ausreise verwehrt.

Insbesondere US- und EU-Regierungen würden die Blockade kommentarlos zulassen und damit faktisch diese eklatante Verletzung der völkerrechtlich bindenden Genfer Konventionen, nach denen Kollektivbestrafung der Zivilbevölkerung strikt verboten ist, unterstützen, heißt es im Aufruf des Bündnisses. Trotz Waffenruhe ist eine Aufhebung der Blockade, durch die ein gutes wirtschaftliches Leben möglich würde, nicht in Sicht.

Das Völkerrecht biete den Rahmen für die Konfliktlösung. Die Blockade von Gaza und Raketen auf zivile Ziele verstoßen nach Meinung des Friedensbündnisses gegen das Völkerrecht: „Wir wollen der Strangulation und dem Aushungern einer Bevölkerung von 1,5 Millionen Menschen nicht tatenlos zusehen, zumal sie weiterhin unter den fortgesetzten militärischen Angriffen und ihren Folgen leiden,“ heißt es im Appell. Mutige Aktivisten aus vielen Ländern, darunter auch aus Israel, hätten im Rahmen der „Free Gaza“-Kampagne mit bisher fünf Fahrten von Schiffen von Zypern nach Gaza bewiesen, dass die Blockade durchbrochen werden kann, wenn genügend öffentliche Aufmerksamkeit und Unterstützung mobilisiert wird. Frieden könne es nur geben, wenn Menschenrechte und Völkerrecht von allen Seiten respektiert werden und die Blockade aufgehoben wird.

Email: kontakt@freegaza.de; Webseite: www.freegaza.de




Senior UN officials survey ‘shocking’ aftermath of Israeli offensive in Gaza

22 January 2009 – Senior United Nations officials today began their assessment of the humanitarian needs in Gaza, getting a first-hand look at the damage and destruction inflicted on the Strip’s 1.5 million residents during three weeks of Israeli military operations.

“The mission was struck by the scale and urgency of the needs of the people of Gaza, and the heavy and multi-faceted impact that this conflict has had on the civilian population,” according to a joint statement issued by Under-Secretary-General for Humanitarian Affairs John Holmes and UN Special Coordinator for the Middle East Peace Process Robert Serry.

The 22-day offensive, which Israel launched on 27 December with the stated aim of ending Hamas rocket attacks, claimed over 1,300 lives, 412 of them children, and wounded more than 5,450, 1,855 of them children, as well as causing widespread destruction and suffering.

The bombing and shelling caused extensive damage to civilian facilities throughout the Strip, and supplies of basic food and fuel, and the provision of electricity, water and sanitation services remain critical.

“We saw a lot of shocking destruction,” Mr. Holmes said in an interview with UN Radio, describing the scene at several sites in Gaza, including the still-smouldering ruins of the UN compound that was hit last week by Israeli forces. “What is evident when you’re there is how miraculous it was that no one was killed.”

Secretary-General Ban Ki-moon has demanded a thorough investigation by Israel into all attacks against UN facilities in Gaza, and that those responsible be held accountable for their actions.

Mr. Holmes stressed that it was crucial to ensure that investigations do take place, adding that “questions of compensation will arise because there was obviously very significant damage… to UN installations, work and UN staff.”

During the course of their mission, Mr. Holmes and Mr. Serry will meet with Israeli authorities to underscore that country’s role in facilitating humanitarian assistance for the people of Gaza, including the need for full, timely, and unrestricted access for all goods and humanitarian actors.

They are also meeting the Palestinian Authority regarding the best way to scale up humanitarian assistance in Gaza.

Once the assessment is completed, the UN will launch a Flash Humanitarian Appeal for Gaza in early February.

Meanwhile, the UN World Food Programme (WFP) today began emergency distributions of vitamin A-fortified date bars and high-energy biscuits to thousands of displaced people in Gaza City. The distributions also include ready-to-eat meals for hospitals and milk for children. They are part of WFP’s recently launched Operation Lifeline Gaza. The agency is also scaling up its regular distributions of wheat flour, vegetable oil, chick peas and sugar.

WFP emphasized that all crossing points into Gaza will need to be re-opened for the agency to be able to move 600 tons of food every day into the Strip as is currently planned. So far WFP shipments have only been crossing through Kerem Shalom, at the southern tip of the Gaza Strip, including shipments from Egypt.

www.un.org


Zurück zur Gaza-Seite

Zur Seite "Stimmen gegen den Krieg"

Zur Israel-Seite

Zurück zur Homepage