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Israel wird bedient

EU-Außenminister beraten in Brüssel mit arabischen Gästen neuen "Friedensplan" für Palästina. Hamas ist weder eingeladen, noch wird sie auch nur erwähnt

Von Karin Leukefeld *

Eine Woche nach Beginn des Waffenstillstandes in Gaza begannen am Sonntag abend in Brüssel die EU-Außenminister damit, die Zusagen zu konkretisieren, die ihnen Israel als Preis für ein Ende des Gaza-Krieges abgerungen hatte. Offiziell hieß es, man berate über einen neuen »Friedensplan« zwischen Israel und den Palästinensern. Im Mittelpunkt des Treffens der 27 Außenminister mit ihren Amtskollegen aus Jordanien und Ägypten stand allerdings laut Planung die Frage, wie die Grenze zwischen dem Gazastreifen und Ägypten »gesichert« werden kann, damit keine Waffen mehr das Palästinensergebiet erreichen. Auch der türkische Außenminister Ali Babacan und ein Vertreter der palästinensischen Autonomiebehörde waren eingeladen. Die Türkei verfügt über gute Beziehungen zur Hamas als auch zu Israel und könnte für die EU als Vermittler tätig werden. Die Autonomiebehörde soll nach dem Willen der EU die Verteilung der angekündigten humanitären Hilfe für Gaza übernehmen. Entscheidungen sollen erst am heutigen Montag getroffen werden.

In einem Interview mit dem Deutschlandfunk machte der oberste EU-Diplomat, Javier Solana am Sonnabend klar, daß man den Wiederaufbau Gazas mit einer »konsensgestützten Allparteienregierung (...) unter der Führung von Präsident Abbas« koordinieren werde. Eventuelle Verbrechen Israels während des Gazakrieges müßten untersucht und alle Grenzen nach Gaza geöffnet werden, sagte Solana, der trotz mehrfachen Nachfragens die Hamas mit keinem Wort erwähnte. Dem Beispiel Israels und der USA folgend, hat auch Brüssel die Hamas als »Terrororganisation« eingestuft und damit nicht mehr die Möglichkeit, Verhandlungen für einen nachhaltigen Waffenstillstand und eine Friedenslösung zwischen Israel und den Palästinensern zu vermitteln.

Laut einer Vorabmeldung der Nachrichtenagentur AP ist die EU bereit, einen ganzen Katalog von Kontrollmaßnahmen anzubieten, um Israel zufriedenzustellen und Waffenlieferungen in den Gazastreifen zu unterbinden. Frankreich will ein Kriegsschiff mit Hubschraubern zur Überwachung der Gewässer vor Gaza entsenden; Deutschland ist bereit, Experten zur Tunnelüberwachung mit entsprechendem Radargerät nach Ägypten zu schicken. Die EU würde erneut Kontrolleure an den Grenzübergängen zum Gaza-Streifen postieren, wie es bereits 2004 und 2005 im Rahmen der »EU Border Assistance Mission« (EUBAM Rafah) am Grenzübergang Rafah der Fall war. Die Türkei würde sich ebenfalls an einer Beobachtermission beteiligen. Ob diese bewaffnet wäre, ist unter den EU-Staaten noch umstritten. Ebenso die Frage, ob EU oder Nato die Führung übernehmen sollen. Von palästinensischer Seite war gelegentlich der Wunsch nach einer UN-Friedenstruppe zu hören, was Israel ablehnt. Ägypten, dem ohnehin in weiten Teilen der arabischen Welt Kollaboration mit Israel vorgeworfen wird, lehnt derzeit zumindest offiziell noch fremde Truppen an seiner Grenze zu Gaza ab.

Die Alternative zu einem möglichen internationalen Truppenaufmarsch in der Region wäre es, mit der Hamas zu reden, was aber innerhalb der EU bisher nur Finnland vorgeschlagen hat. Die Hamas hat mehrfach Vorschläge für einen anhaltenden Waffenstillstand sowie perspektivisch eine Zweistaatenlösung in den Grenzen von 1967 gemacht, was weder in Israel noch in der EU aufgegriffen wurde. Auch der neue US-Sonderbeauftragte George Mitchell hat nicht vor, mit der Hamas zu sprechen, wenn er am Mittwoch in die Region fliegt. Mitchell wird in Ramallah mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas zusammentreffen und Gespräche in Israel, Ägypten und Jordanien führen.

* Aus: junge Welt, 26. Januar 2009


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