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Israels schmutziger Krieg im Gazastreifen und die Beihilfe seiner Alliierten

Von Marc Herbermann *



In den vergangenen Jahren ist das Leben zunehmend unerträglicher geworden in einem Gebiet, das einst Palästina hieß. Die Palästinenser heute leben unter einem jüdischen Staat, der ihnen keine Autonomie gewährt. Sie leiden unter elenden Lebensbedingungen in einem Land, das ihnen gehörte vor mehr als sechzig Jahren.

Juden, die durch riesige Betonwände von der Bevölkerung Palästinas getrennt sind, leben in Angst vor ununterbrochenem Raketenbeschuss und der Vorstellung, ein Opfer eines erneuten verheerenden Selbstmordanschlages zu werden. Heute sind die Palästinenser, die von ihrem früheren Heimatland vertrieben wurden und nun zusammengepfercht in einem Ghetto im Gazastreifen-Streifen festsitzen, das Opfer einer kriminellen Militärkampagne.

Um es klar zu sagen: Wir sollten den Wunsch der Menschen in Frieden zu leben respektieren, gleich in welchem Land sie leben, ob sie nun Juden, Muslime oder Buddhisten sind. Das brutale Ermorden von Zivilisten ist ein Verbrechen, und die Massenhinrichtung von Leuten, die nicht in militärische Operationen verwickelt sind und der bewusste Beschuss von UN-Gebäuden, -Konvois, Krankenhäusern, Medieneinrichtungen und Moscheen sind Kriegsverbrechen.

Die israelische Militärkampagne, die nun schon 16 Tage dauert, startete mit der Rückendeckung einer apathischen US-Administration, die einen schändlichen Krieg im Irak führt, den sie illegitimerweise begann. Das israelische Unternehmen hat bereits das Leben von mehr als 800 Menschen gefordert, mehr als die Hälfte davon waren Zivilisten. Tausende sind verwundet oder traumatisiert. Die Militärschläge waren dazu konzipiert, die "Infrastruktur des Terrors" zu zerstören, aber in Wirklichkeit vernichten sie die soziale und kulturelle Infrastruktur einer Gemeinschaft, die bereits unter einer rigorosen Blockade leidet, die Israel und Ägypten vor mehr als 18 Monaten verhängten.

Die Gemeinsamkeiten zwischen der derzeitigen Attacke und dem Libanonkrieg im Jahre 2006 sind offensichtlich. Vor mehr als zwei Jahren fabrizierte Israel einen Casus belli, um den Libanon mit überwältigendem Einsatz aus der Luft anzugreifen, ein Land, das nur halb so groß ist wie Israel. Dabei zeigte Israel ausgesprochene Verachtung für das Leben von Zivilisten und internationale Einrichtungen. Erinnern wir uns an die tödliche Bombardierung eines Wohnhauses in Kana und die Zertrümmerung eines UN-Postens, bei der vier UN-Beobachter ums Leben kamen.

Doch ist dieses schmale, verhältnismäßig prosperierende Land fast dreißig Mal so groß wie der Gazastreifen, wo nun eine verzweifelte Bevölkerung zitternd zwischen verwüsteten Mauern ausharrt - nicht in der Lage zu schlafen, sauberes Wasser zu trinken, zu essen oder Zuflucht in Moscheen oder Krankenhäusern zu finden - und auf den nächsten vernichtenden Schlag wartet.

Sogar als solche gekennzeichnete internationale Gebäude werden absichtlich beschossen. Mehr als 40 Menschen starben nach einem israelischen Angriff auf eine UN-Schule im Jabalya-Flüchtlingslager, in dem sich keine Kämpfer versteckt hatten. Im Shifa Krankenhaus sowie in anderen Kliniken ist die Situation katastrophal.

Die gegenwärtigen Massenhinrichtungen der Israelischen Verteidigungs Kräfte (IDF) zielen nicht darauf ab, eine gut ausgerichtete Armee zu zerstören, wie israelische Kommandeure glauben machen wollen, sondern sie vernichten eine verarmte Bevölkerung, die von Hamas verwaltet wird, einer politischen Organisation mit einer militanten Ideologie, die im Januar 2006 demokratisch gewählt wurde.

Was sind die Motive, die der israelischen Offensive in Gaza zugrunde liegen? Mark Regev, der Sprecher des israelischen Premierministers, behauptet mit Nachdruck, die IDF wolle das Feuern von Raketen unterbinden, die jeden Tag aus dem Gazastreifen aufsteigen und tiefer und tiefer in den Süden Israels dringen.

Aber wenn dies wahr wäre, warum kann dann die am besten ausgerüstete Armee des Nahen Ostens, die Milliarden Dollar amerikanischer Militärhilfe erhält und die neuesten Waffen ihres amerikanischen Verbündeten einsetzt (darunter Lenkwaffen, Phosphorbomben und Geschosse mit abgereichertem Uran) nicht das Aufsteigen dieser primitiven, hausgemachten und überwiegend ungenauen Raketen verhindern?

Deswegen scheint die IDF andere Ziele zu verfolgen. Sie will das vom Libanonkrieg schwer angeschlagene Image der Streitkräfte reparieren durch das Zeigen von Stärke - ohne Rücksicht auf Opfer in der Zivilbevölkerung. Plausibler erscheint es, dass die versteckte Agenda der Operation darauf abzielt, Hamas vom Gazastreifen zu entfernen und schließlich, wie der kanadische Ökonom Michel Chossudovsky betont, geht es darum, die Palästinenser zu terrorisieren und von ihrem Land zu vertreiben.

Wie begann die gegenwärtige Krise im Gazastreifen? Die Standarderzählung, vertreten von den etablierten Medien, erklärt von George Bush, seiner voreingenommenen Kollegin Angela Merkel und dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, macht nur Hamas zum Schuldigen.

Doch die EU-Ratspräsidentschaft gestand zu, dass auch "das unstrittige Recht des Staates auf Selbstverteidigung keine Handlungen erlaubt, die das Leben von Zivilisten umfassend beeinträchtigen". Die UN-Resolution 1860 vom Freitag, die darauf abzielt, den Gaza-Konflikt zu lösen, muss allerdings noch Früchte tragen.

Stattdessen tritt der Krieg nun in seine dritte Phase ein, den blutigen Häuserkampf. Internationaler Druck führt wahrscheinlich zu einem erneuten wackeligen Waffenstillstand.

Doch wer brach den vergangenen Waffenstillstand? Nach verschiedenen Quellen, und ich beziehe mich hier nicht auf "arabische Propaganda", sondern auf westliche Zeitungen und Zeitschriften wie The Guardian, The Economist und U.S. News and World Report, lautet die Wahrheit, dass israelische Kommandos sechs Hamas Kämpfer Anfang November töteten, als sie diese verdächtigten, einen Tunnel zum Entführen israelischer Soldaten zu graben.

So wie es der Guardian sieht, "antwortete Hamas damit, eine Welle von Raketen in das südliche Israel zu feuern." Die israelische Zeitung Haaretz behauptet, dass die Vorbereitung des Unternehmens "Gegossenes Blei" sechs Monate zurückliegt. Sie sei verbunden gewesen mit einer sorgfältig geplanten, schrittweisen Desinformationskampagne, die sogar begann als Israel anfing, einen Waffenstillstand mit Hamas zu verhandeln.

(Übersetzung aus dem Englischen vom Autor)

* Marc Herbermann, Bankkaufmann und Soziologe, eh. Lehrbeauftrager für "quantitative und qualitative Methoden der Politikwissenschaft" an der Uni Trier; unterrichtet heute an der Dongduk Frauen-Universität in Seoul (Süd-Korea).

Der Ursprungsartikel (englisch) erschien in: Korea Times, Online-Ausgabe: 12. Januar, Printausgabe: 13. Januar 2009



Israel's Dirty War in Gaza and Complicity of Her Allies

By Marc Herbermann **

In recent years, life had become more and more unbearable in the area which once was called Palestine. Palestinians today, under a Jewish state that allows them no autonomy, suffer from miserable living conditions in a land that was theirs more than 60 years ago.

Jews, separated by huge concrete walls from the Palestine population, are scared of continuous rocket fire and the notion of being a victim of another devastating suicide attack. And now, Palestinians, expelled from their former homeland, crammed and trapped in a ghetto in the Gaza Strip, are the victims of a criminal military campaign.

Let's get it right; we should respect people's wish to live in peace, no matter in which country they live, whether they are Jews, Muslims or Buddhists. The brutal murder of civilians is a crime, the summary execution of people that are not involved in military operations and the deliberate shelling of U.N. buildings, convoys, hospitals, media installations and mosques are war crimes.

Over the last 16 days, covered by the complicit apathy of the U.S., which is leading a disgraceful war in Iraq which it started illegally, the Israeli military operation in Gaza had claimed over 800 lives, at least half of them are civilians.

Thousands are wounded and traumatized. The attacks were meant to destroy the "infrastructure of terror," yet they are ruining the social and cultural infrastructure of a community that has already been suffering under a harsh blockade Egypt and Israel imposed nearly 18 months ago.

Similarities between the current onslaught and the Lebanon War are evident. More than two years ago, Israel concocted a casus belli to attack Lebanon, half the size of Israel, with overwhelming air power, in utter contempt for civilian life and international institutions. Remember the deadly bombing of the apartment building in Qana and the destruction of the U.N. post that killed four U.N. observers.

And yet this small, relatively prosperous land, Lebanon, has nearly 30 times the landmass of the Gaza Strip, where now a desperate population is hiding and trembling between shattered walls, waiting for the next fatal blow, unable to sleep, drink clean water, eat or seek refuge in mosques or hospitals.

Even clearly marked international buildings are intentionally shelled. More than 40 people died after an Israeli attack on a U.N. school in the Jabalya refugee camp, where there were no fighters. In the Shifa and other hospitals, the situation is disastrous.

The current mass executions by the Israel Defense Forces (IDFs) are not meant to destroy a well equipped enemy, as Israeli commanders suggest, but they knock down an impoverished population administrated by Hamas, a political organization with a militant ideology, which was elected democratically in January 2006.

What are the underlying reasons for Israel's assault on Gaza? Mark Regev, spokesman for the prime minister of Israel, repeatedly claims that the IDFs want to stop the firing of rockets, which fly out of the Gaza Strip everyday, flying deeper and deeper into the south of Israel.

If so, why is the best equipped army in the Middle East, which receives billions of dollars in military aid and uses the latest weapons from its American ally (including precision-guided munitions, phosphor bombs and depleted uranium shells) incapable of preventing these crude, homemade, and mainly inaccurate rockets from firing?

The IDFs, therefore, seem to pursue other aims: restoring their prestige, damaged by the Lebanon war, by demonstrating their strength regardless of civilian causalities.

More likely, the hidden agenda of this operation is aimed at removing Hamas from the Gaza Strip and finally, as the Canadian economist Michel Chossudovsky puts it, terrorizing and expelling the Palestinians from their land.

How did the current mess in the Gaza Strip begin? The standard narration -- shared by mainstream media outlets and declared by the Israeli government, George W. Bush, his biased German colleague, Angela Merkel, and the French President Nicolas Sarkozy -- blames Hamas alone.

Yet the EU presidency conceded that "even the undisputable right of the state to defend itself does not allow actions which largely affect civilians." Friday's United Nations Security Council Resolution 1860, intended to resolve the 2008-09 Israel-Gaza conflict, has yet to bear fruit.

Instead, the war enters phase three: bloody house-to-house fighting. International pressure will likely lead to another provisional ceasefire.

But who really broke the last ceasefire? According to various sources, and I don't mean Arabic propaganda but Western newspapers and magazines such as The Guardian, The Economist and the U.S. News and World Report, the truth is that Israeli commandos killed six Hamas fighters during a raid on a tunnel they suspected was being dug for the kidnapping of Israeli soldiers at the beginning of November.

According to The Guardian, "Hamas responded by firing a wave of rockets into southern Israel." Israeli newspaper Haaretz claims that operation "Cast Lead" had been prepared six month earlier and, coupled with a carefully staged disinformation campaign, even as Israel was beginning to negotiate a ceasefire agreement with Hamas.

** Marc Herbermann, full-time instructor at Dongduk Women's University in Seoul, works occasionally as a journalist and lectured on methods of political science at the University of Trier. He can be reached at herbermann@gmx.de The views expressed in the above article are those of the author and do not reflect the editorial policy of The Korea Times.

Korea Times, 01-12-2009; https://koreatimes.co.k



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