Livni: Kriegsende entscheiden wir
Israelischer General fordert "dritte Phase der Offensive" im Gaza-Streifen
Ungeachtet weltweiter Bemühungen um eine Waffenruhe sind bei einigen der schwersten Kämpfe
seit Beginn der israelischen Offensive im Gaza-Streifen am Wochenende erneut Dutzende Menschen getötet worden. In vielen Ländern forderten gleichzeitig Hunderttausende Demonstranten
Frieden im Nahen Osten.
Gaza/Berlin (AFP/ND). Israels Regierungschef Ehud Olmert hat am Sonntag angekündigt, die
Kämpfe würden weitergehen, während Vize-Verteidigungsminister Matan Vilnai erklärte, die
Forderungen des UN-Sicherheitsrates ließen Israel nicht viel Spielraum, und deshalb habe es den
Anschein, »dass wir kurz vor einem Ende des Einsatzes insgesamt stehen«. Der Sicherheitsrat hatte
in der Nacht zum Freitag eine Waffenruhe und den Abzug Israels aus dem Gaza-Streifen gefordert.
Die israelische Außenministerin Zipi Livni hat ihrem deutschen Kollegen Frank-Walter Steinmeier für
die deutsche Hilfe bei der besseren Absicherung der Grenze zum Gaza-Streifen gedankt. Zugleich
bekräftigte sie am Sonntag nach einem Treffen mit Steinmeier, dass die israelische Armee ihre
Angriffe bis zu einem Einlenken der Hamas fortsetzen werde. »Wir entscheiden, wann der Krieg
endet, nicht die Staatengemeinschaft«, sagte Livni.
Der Chef der Offensive »Operation Gegossenes Blei«, General Joav Galant, sprach sich für die
Ausweitung des Einsatzes aus, wie die Zeitung »Jediot Aharonot« berichtete. Galant habe Olmert
um grünes Licht für die dritte Phase der Offensive gebeten. Dazu müssten Zehntausende bereits
mobilisierte Reservisten den Marschbefehl erhalten.
Am Sonntagmorgen (11. Jan.) tobten Beobachtern zufolge heftige Kämpfe in den Stadtvierteln Tal el Hawa
und Scheich Adschlin von Gaza. Demnach brachten sich israelische Soldaten auf Dächern in
Stellung. Hamas-Kämpfer leisteten erbitterten Widerstand. Unter Trümmern wurden zwölf Leichen
gefunden, wie Mediziner sagten. Zehn der Toten hätten der Hamas angehört. Bei einem
Bombenangriff auf Beit Lahija im Norden wurden Augenzeugen zufolge vier Kinder und zwei Frauen
getötet. Auch während einer dreistündigen Feuerpause war Artilleriebeschuss zu hören.
Die Hamas feuerte unterdessen sieben Raketen auf Israel ab, die bis zu 40 Kilometer weit in den
Süden des Landes flogen, durch die aber niemand verletzt wurde. Hamas-Chef Chaled Meschaal
sagte im Fernsehen, auch über eine befristete Waffenruhe werde die Hamas nicht verhandeln, bis
Israel seine Offensive beende. Israel habe mit seinem Angriff auf den Gaza-Streifen »die letzte
Chance für eine Einigung« verspielt.
Seit Beginn der Kriegshandlungen sind nach Angaben palästinensischer Rettungskräfte mindestens
879 Menschen im Gaza-Streifen getötet worden, 3620 Personen wurden verletzt. Auf israelischer
Seite kamen zehn Soldaten und drei Zivilisten ums Leben.
Wie aus einer Meldung der Londoner Agentur Reuters hervorgeht, haben die USA ein Handelsschiff
angeheuert, das »Hunderte von Tonnen« Waffen und Munition aus dem in Griechenland gelegenen
US-Stützpunkt Astakos in den israelischen Hafen Ashdod bringen soll. Der Frachter, der einer
deutschen Rederei gehöre, werde in den nächsten Tagen ablegen.
In Paris, Madrid und weiteren europäischen Städten demonstrierten derweil Hunderttausende gegen
Israel. Allein in Frankreich gingen am Samstag über 120 000 Menschen protestierend auf die
Straße. In London demonstrierten am Sonntag Tausende ihre Solidarität mit Israel.
Auch in Deutschland haben am Samstag (10. Jan.) bundesweit mehr als 20 000 Menschen gegen den Krieg
im Gaza-Streifen demonstriert. In Berlin gab es einen Protestmarsch mit nach Polizeiangaben bis zu
9000 Teilnehmern. In Nordrhein-Westfalen nahmen der Polizei zufolge rund 13 000 Menschen an
Kundgebungen teil.
Rund 700 Personen beteiligten sich am Sonntag (11. Jan.) in Berlin an einer Solidaritätskundgebung für Israel.
Die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Lala Süsskind, und Politiker aus der Hauptstadt machten
an der Gedächtniskirche ihre Unterstützung für Israel deutlich.
* Aus: Neues Deutschland, 12. Januar 2009
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