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Warum nicht zur Armee?

Omer Goldman über Kriegsdienstverweigerer in Israel / Die 19-Jährige verweigert wegen der Besatzungspolitik den Kriegsdienst in Israel


ND: Sie sind Mitglied der so genannten Shministim, einer Bewegung junger Leute, die den Kriegsdienst in Israel verweigern. Warum wollen Sie nicht zur Armee?

Goldmann: Wir verweigern den Dienst an der Waffe, weil wir glauben, dass die israelischen Streitkräfte ein Instrument der Besatzungs- und Unterdrückungspolitik sind. Ich will nicht zu einer Armee gehören, die jeden Tag Kriegsverbrechen begeht. Auch die gegenwärtigen Angriffe im Gaza-Streifen richten sich gegen die Zivilbevölkerung. Ich möchte keine Mitschuld an dieser illegalen Militäroperation tragen. Sicherheit gibt es nur durch Frieden.

Ein Mitglied der Antikriegsbewegung Ometz Lesarev (Den Mut zu verweigern) wurde am gestrigen Dienstag (13. Jan.) zu zwei Wochen Arrest verurteilt. Es war das erste Urteil gegen einen Kriegsdienstverweigerer ...

... wobei Ometz Lesarev Soldaten organisiert. Unsere Bewegung, die Shministim, besteht aus Schulabgängern, die sich erst gar nicht an der Waffe ausbilden lassen wollen.

Beide Gruppen werden von der Regierung kriminalisiert. Geht der israelische Staat nun härter gegen die Gegner der Militärpolitik vor?

Natürlich. Die Regierung versucht jeden zum Schweigen zu bringen, der sich gegen den laufenden Krieg ausspricht. Seit Beginn der Angriffe wurden rund 300 Kriegsgegner festgenommen. Der Kampf der Regierung gegen die Kriegsgegner wird in einem starken Maß auch über die Medien geführt. Wenn man hier das Fernsehen einschaltet, bekommt man den Eindruck, dass alle den Krieg befürworten. Kritiker kommen kaum zu Wort. Wenn Sie den Fernseher dann ausschalten und auf die Straße gehen, können Sie, wie am Montag, zehntausend Menschen sehen, die gegen diesen Krieg demonstrieren. Deswegen auch die zunehmenden Festnahmen.

Sie waren wegen Ihres politischen Engagements auch inhaftiert.

Ja, ich saß bislang insgesamt zwei Monate in Haft.

Wie kann eine Antikriegsbewegung unter solchen widrigen Bedingungen überhaupt effektiv arbeiten?

Die organisierten Kriegsdienstverweigerer haben noch keinen sehr großen Einfluss. In den vergangenen Monaten haben sich neun Schulabgänger geweigert, in die Armee zu gehen. Aber der Einfluss dieser noch jungen Bewegung wächst ständig, besonders in diesen Kriegstagen. Auch wenn Verweigerer manchmal wie Schwerverbrecher behandelt werden. Ein anderes Problem ist das gesellschaftliche: In Israel muss man um Akzeptanz kämpfen, wenn man den friedlichen Weg bevorzugt und nicht in die Armee gehen will. Wenn jemand an diesen Gewalttaten teilnimmt, wird er sehr viel schneller akzeptiert.

Die Tageszeitung »Haaretz« schrieb am vergangenen Mittwoch (7. Jan.), die Regierung müsse den Krieg »schnell beenden«, bevor der Konsens zerbricht. Ändert sich die öffentliche Meinung?

Vielen Menschen in Israel ist klar, dass dieser Krieg sinnlos ist. Viele wissen, dass ein Motiv die unmittelbar bevorstehenden Wahlen in Israel sind. Aber niemand traut sich, das offen auszusprechen. Vor allem in den großen Medien, dem Fernsehen, sind diese politischen Hintergründe tabu. Aber die Leute merken, dass die Regierung sich nicht um ihre Meinung schert. Hier finden zum Teil dreimal täglich Proteste mit tausenden Teilnehmern statt. Die Regierung reagiert darauf noch nicht einmal. Sie macht, was sie will.

Fragen: Harald Neuber

* Aus: Neues Deutschland, 15. Januar 2009


Knast statt Krieg

Erster Reservist in Israel wegen Verweigerung des Militäreinsatzes in Gaza zu zweiwöchiger Arreststrafe verurteilt

Von Rüdiger Göbel **


In Israel ist der erste Reservist verurteilt worden, der sich dem Kriegs­einsatz im Gazastreifen verweigert. Die Organisation »Ometz Iesarev« (Mut zum Verweigern - Courage to Refuse) teilte am Dienstag (13. Jan.) mit, der 35jährige wolle mit seiner Weigerung gegen den Tod Hunderter Palästinenser in Gaza protestieren, seinen Namen aber nicht in den Medien genannt haben. Wegen »Gehorsamsverweigerung« sei er zu 14 Tagen Arrest verurteilt worden. Gegenüber AFP bestätigte ein Sprecher der israelischen Armee die Verurteilung des Kriegsgegners. Gleichzeitig wiegelte das Militär ab und sprach von einer Woche Haft wegen »illegaler Abwesenheit«. Außerdem habe der Mann nicht in den Gazastreifen geschickt werden sollen.

In »Ometz Iesarev« haben sich Soldaten und Offiziere der israelischen Armee zusammengeschlossen, die sich gegen die Besatzungspolitik ihres Landes wenden. Am vergangenen Donnerstag hatten rund 300 ihrer Anhänger vor dem Verteidigungsministerium in Tel Aviv protestiert. »Die Demonstranten riefen zur Beendigung des Krieges in Gaza und Soldaten der israelischen Armee zur Verweigerung auf«, so »Ometz Iesarev«. Noch ist die Resonanz bescheiden: Seit Beginn der israelischen Offensive »Gegossenes Blei« am 27. Dezember hätten acht Reservisten angerufen, um rechtlichen Rat zu bekommen. Drei der Anrufer hätten letztlich den Einsatz im Gaza­streifen verweigert. Zweien davon sei es aber gelungen, mit ihren Vorgesetzten eine Regelung auszuhandeln, daß sie nicht an die Front müssen.

Einer der Reservisten, die sich dem Einsatz in Gaza verweigerten, ist Yitzchak Ben Mocha. Er war zu seiner Fallschirmspringer-Eliteeinheit einberufen worden, meldete sich dort, verweigerte aber die Ausführung von Befehlen. Daraufhin schickte ihn das Militär wieder nach Hause. Am Montag stellte er seine Gründe ausführlich im australischen Sender ABC vor: »Ich bin in die Armee eingetreten, weil ich Teil einer Armee sein wollte, die Israel verteidigt. Doch im Laufe meines Dienstes setzte sich die Erkenntnis durch, daß der Staat Israel weder dem Ende der Besatzung noch dem Leiden eines ganzen Volkes noch dem Leben der eingesetzten Soldaten auf politischer und sozialer Ebene Priorität einräumt.« Die Ausübung von Gewalt und Unterdrückung gegenüber einem ganzen Volk könne zu nichts Gutem führen, begründete der 25jährige sein Nein zum Kriegseinsatz in Gaza weiter.

Doch nicht nur Reservisten verweigern dem Besatzungsregime die Gefolgschaft. Bekannt geworden sind auch Abiturienten, die sich in der israelischen Gruppe »Shministim« zusammengeschlossen haben. Sie protestieren mit ihrer Verweigerung »gegen die Politik der Besatzung und gegen die Methoden des Militärapparats, wie sie sich heute darstellen: Rechtsverletzungen, rassistische Diskriminierung und völkerrechtswidriges Handeln«. Darüber hinaus gibt es einen hohen Prozentsatz von israelischen Wehrpflichtigen, die sich der Ableistung des Militärdienstes entziehen. Nicht einmal die Hälfte eines Jahrgangs leistet Militärdienst oder beendet ihn regulär, berichtet die antimilitaristische Organisation »New Profile« unter Berufung auf offizielle Angaben der israelischen Armee, die aber nach wie vor zu den schlagkräftigsten und am besten ausgerüsteten Streitmächten weltweit zählt.

** Aus: junge Welt, 14. Januar 2009


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