Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Israel zerstört UN-Quartier

40 000 in Gaza auf der Flucht / Schlimmste Angriffe seit Kriegsbeginn

Trotz intensiver diplomatischer Bemühungen um eine Waffenruhe hat die israelische Armee am Donnerstag ihre Angriffe auf den Gaza-Streifen verstärkt. UNO-Generalsekretär Ban und Bundesaußenminister Steinmeier kritisierten die israelischen Angriffe auf UN-Einrichtungen und Krankenhäuser als »empörend« bzw. »inakzeptabel«.

Tel Aviv/Gaza (Agenturen/ND). Das Hauptquartier des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) in Gaza ist nach Angaben eines Sprechers am Donnerstag von Granaten getroffen worden, während israelische Panzer tief in die Stadt eindrangen. Drei Mitarbeiter des UNRWA wurden bei dem Beschuss verletzt. Ein Gebäude stand in Flammen. Nach Angaben des Hilfswerk verbrannten Hunderte Tonnen Hilfsgüter. Das UNRWA musste seine Arbeit vorläufig einstellen.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich »empört« über den Beschuss. Er fordere vom israelischen Verteidigungs- und Außenministerium eine umfassende Erklärung, sagte er in Tel Aviv, wo er mit israelischen Spitzenpolitikern über eine »sofortige« Waffenruhe verhandeln wollte. Seinen Angaben zufolge sprach der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak von einem »schweren Fehler«, der sich nicht wiederholen werde.

Ban nannte zudem die Zahl der palästinensischen Opfer im Gaza-Streifen »unerträglich«. Seit Beginn der israelischen Militäroffensive am 27. Dezember kamen bis zum Donnerstagmittag nach Angaben der Rettungskräfte 1070 Palästinenser ums Leben, unter ihnen 335 Kinder. Mehr als 5000 weitere Menschen wurden verletzt.

Die Bewohner Gazas erlebten am Ende der zweiten Woche der Kämpfe den schlimmsten Tag. Rund 40 000 Einwohner sind nach UN-Angaben auf der Flucht und versuchten, in UN-Schulen und Gebäuden von Hilfsorganisationen Schutz zu finden.

Bei einem Luftangriff wurde am Donnerstag auch ein Gebäudekomplex mit Journalistenbüros getroffen. Zwei palästinensische Kameramänner wurden dabei nach Berichten von Augenzeugen verletzt. Durch Granatenangriffe brach auch im El-Quds-Krankenhaus im Stadtteil Tal El Hawa Feuer aus. Nach Angaben von Mitarbeitern kamen Phosphorgranaten zum Einsatz, die schwere Verbrennungen verursachen.

In Tal El Hawa drangen israelische Panzerverbände am Donnerstag erstmals mehrere hundert Meter tief in ein Wohnviertel der Hauptstadt vor. Israelische Soldaten lieferten sich dort den Berichten der Augenzeugen zufolge erbitterte Kämpfe mit palästinensischen Kämpfern.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat die jüngsten israelischen Angriffe auf ein Krankenhaus und das UNRWA scharf kritisiert. Steinmeier sagte in Tel Aviv, die Angriffe bestätigten, »dass die Waffen so schnell wie möglich schweigen müssen«. Die Bilder aus dem Gaza-Streifen seien nach wie vor besorgniserregend, sagte der Außenminister, der am Donnerstag mit dem israelischen Präsidenten Schimon Peres und Premier Ehud Olmert beriet. Dabei verwies er auf das Recht Israels, seine Bevölkerung zu schützen.

Israel will sich zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht auf eine Waffenruhe im Gazastreifen festlegen, wie sie in einem ägyptischen Plan zur Beendigung des Konflikts vorgesehen ist. Der israelische Regierungssprecher Mark Regev sagte am Donnerstag, Israel diskutiere mit Ägypten auf der Grundlage des ägyptischen Plans. Der israelische Chefunterhändler Amos Gilad werde dazu seinen Bericht vorlegen, erst dann könne eine Entscheidung getroffen werden.

* Aus: Neues Deutschland, 16. Januar 2009


Zurück zur Gaza-Seite

Zur Israel-Seite

Zur Palästina-Seite

Zurück zur Homepage