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Heckler & Koch auf Seitenwegen

Rüstungsexperten bestätigen: Deutsche Waffen trotz Exportverbot schon seit Jahren in Georgien im Einsatz

Von Frank Brendle *

Georgische Militärs verfügen schon mindestens seit 2005 über deutsche Sturmgewehre des Typs G36. Das erfuhr junge Welt am Montag (19. August) von Otfried Nassauer, dem Leiter des gemeinnützigen Berliner Informationszentrums für Transatlantische Sicherheit (BITS). Er habe entsprechende Fotonachweise, sagte Nassauer. Weitere Bilder belegten, daß georgische Militärangehörige diese Waffe (in der Kurzversion) auch während ihres jüngsten Einsatzes in Südossetien verwendet haben. Das ARD-Magazin »Report Mainz« wollte die Bilder am Montag abend (19. Aug.) in seiner Sendung präsentieren. Die Bundesregierung versicherte gestern, sie könne »ausschließen, daß es Lieferungen von entsprechenden Waffen gibt«, so Regierungssprecher Thomas Steg.

Die G-36-Gewehre sind seit 1997 Standardwaffe der Bundeswehr. Produziert werden sie von der Firma Heckler & Koch im schwäbischen Oberndorf. Die Waffe ist ein Exportschlager und wird unter anderem in Spanien in Lizenz hergestellt. Rüstungsexperte Nassauer schließt aber aus, daß die in Georgien aufgefundenen Waffen aus der spanischen Produktionslinie stammen, da sie anders aussähen. »Es bleiben mehrere Möglichkeiten: Entweder Heckler & Koch hat illegal geliefert, oder die USA haben die Waffen weiterverkauft.« Die letztere Möglichkeit hält Nassauer für wahrscheinlicher. Die USA hätten damit zwar gegen die sogenannte Endverbleibsklausel verstoßen, die solche Weiterverkäufe gerade verhindern soll, »darüber setzen die sich aber häufiger hinweg«.

Daß die georgische Regierung ein großes Interesse an der deutschen Infanteriewaffe hat, bestätigte das britische Fachmagazin Jane's Defence Weekly. Dem Blatt zufolge hatten Heckler & Koch einen Antrag an die Bundesregierung gestellt, insgesamt 230 G-36-Exem­plare an Georgien liefern zu dürfen. Der sei aber abgelehnt worden. Die Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung untersagen Waffenexporte in Krisenregionen. 2006 wurde dem regierungsamtlichen Exportbericht zufolge lediglich ein »Selbstschutzsystem für VIP-Hubschrauber der Regierung« nach Georgien geliefert. Eine beantragte Lieferung von Handfeuerwaffen (unbekannten Typs) -- allerdings im Wert von lediglich 5700 Euro -- ist hingegen abgelehnt worden, unter anderem mit Verweis auf die Verletzung von Menschenrechten und die Instabilität in der Region.

Allerdings habe es »wiederholt Waffenlieferungen an menschenrechtsverletzende und sogar kriegführende Staaten« gegeben, erklärte Jürgen Gräss­lin vom Rüstungsinformationsbüro in Freiburg am Montag gegenüber jW. Die Bundesregierung müsse nun aufklären, wie es zu der illegalen Lieferung gekommen sei. Wenn sich der Verdacht erhärte, daß die Waffen aus einem nicht autorisierten Weiterexport aus den USA stammten, dürften so lange keine weiteren Rüstungsgüter mehr in die USA geliefert werden, »bis der Rüstungsexportskandal restlos aufgeklärt« sei. Allerdings bezweifle er, daß die Regierung »eine solche brisante Entscheidung gegen die USA« treffen würde, so Grässlin. Schließlich seien die USA »das Empfängerland Nummer eins deutscher Waffen«.

Ist Georgien erst in der NATO, gelten ohnehin weniger restriktive Grundsätze für Waffenlieferungen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erklärte am Sonntag in Tbilissi: »Georgien wird Mitglied der NATO werden.« Unterdessen zeichnet sich ab, daß den deutschen Waffen bald auch deutsche Soldaten folgen werden. Georgien brauche zur Befriedung internationale Unterstützung, so Regierungssprecher Steg.

* Aus: junge Welt, 19. August 2008


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