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Aufklärung versprochen

Georgien: Ermittlungen zum Tod des früheren Regierungschefs Schwanija werden wieder aufgenommen

Von Knut Mellenthin *

Der Tod des georgischen Premierministers Surab Schwanija vor bald acht Jahren soll endlich abschließend untersucht werden. Das teilte Justizministerin Tea Tsulukiani am Dienstag offiziell mit. Die Aufklärung der Umstände, unter denen der Politiker starb, gehöre zu den Prioritäten der neuen Regierung. Das Oppositionsbündnis Georgischer Traum hat nach einem klaren Wahlsieg am 1. Oktober die seit neun Jahren alleinregierende Vereinigte Nationalbewegung von Präsident Michail Saakaschwili abgelöst, der selbst aber noch bis zum Herbst nächsten Jahres im Amt bleiben kann.

Der damals 41jährige Schwanija war am Morgen des 3. Februar 2005 in einem Appartement in der Hauptstadt Tbilissi tot aufgefunden worden. Ebenfalls dort befand sich die Leiche von Raul Usupow, einem jungen Lokalpolitiker aus der Region Kwemo Kartli. Der vorläufige Obduktionsbefund – die Ermittlungen wurden damals nicht offiziell abgeschlossen – ergab, daß die beiden an einer Kohlenmonoxidvergiftung gestorben waren. Auslöser soll eine unsachgemäß installierte Gasheizung gewesen sein.

Schwanjias Verwandte und große Teile der Opposition äußerten den Verdacht, der Regierungschef und Usupow seien ermordet worden. Angeblich sollen in dem Appartement von beiden keine Fingerabdrücke gefunden worden sein. Das wurde als Hinweis interpretiert, daß die Leichen erst nachträglich dorthin geschafft wurden. Diese These bekam im September 2007 überraschende Unterstützung durch Irakli Okruaschwili, einen engen Kampfgefährte Saakaschwilis, der zur Zeit des Vorfalls Verteidigungsminister gewesen war und sich nun vom Präsidenten losgesagt hatte. Okruaschwili wurde wenig später verhaftet und offenbar unter Betäubungsmitteln in ein Flugzeug nach Frankreich gesetzt, wo er politisches Asyl bekam.

Schwanija war beim Sturz des früheren Präsidenten Eduard Schewardnadse im November 2003 ein wichtiger Verbündeter von Saakaschwili gewesen. Schwerwiegende Differenzen zwischen beiden, die ein Mordmotiv hätten sein können, sind nicht bekannt. Allerdings galt Schwanija als ein dialogbereiter Politiker, der auch von der Opposition und außenpolitischen Gegnern wie Rußland und den abtrünnigen Republiken Abchasien und Südossetien respektiert worden war.

Ebenfalls am Dienstag wurde bekannt, daß Beamte des georgischen Innenministeriums am Vortag in einem regionalen Hauptquartier des Verfassungsschutzes in der Stadt Sugdidi fünf unregistrierte Handfeuerwaffen und Munition beschlagnahmt haben. Der Vorgang berührt einen besonders heiklen Aspekt der Praktiken des alten Regimes, nämlich die Aufstellung irregulärer Einheiten, die zahlreiche Terroranschläge in Abchasien verübten – Sugdidi liegt direkt an der Grenze –, aber tendenziell auch als Bürgerkriegstruppe verfügbar sein sollten.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 29. November 2012


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