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Mühsame Wiederannäherung

Rußland und Georgien verhandeln über praktische kleine Schritte

Von Knut Mellenthin *

Die Normalisierung der Beziehungen zwischen der Kaukasusrepublik Georgien und Rußland entwickelt sich positiv. »In einer Reihe praktischer Fragen« gebe es Fortschritte, stellten beide Seiten übereinstimmend fest, nachdem ihre Vertreter am Freitag in der tschechischen Hauptstadt Prag zusammengekommen waren. Es war die zweite Begegnung dieser Art nach einem Treffen in der Schweiz am 14. Dezember vorigen Jahres. Die Gespräche sollen zu einer festen Einrichtung werden und Ende Mai oder im Juni fortgesetzt werden. Georgien wird dabei durch einen Sondergesandten von Premierminister Bidsina Iwanischwili vertreten: Surab Abaschidse, der sein Land von 1998 bis 2004 als Botschafter in Moskau und zuvor bei der NATO in Brüssel repräsentiert hatte. Rußland schickt mit Grigori Karasin einen seiner stellvertretenden Außenminister zu den Treffen.

Das Verhältnis zwischen beiden Ländern war aufs Äußerste angespannt, seit Michail Saakaschwili und seine Vereinigte Nationalbewegung im November 2003 durch einen vom Westen geförderten unblutigen Putsch die Macht übernommen hatten. Der damals 36jährige Nationalist, der sich am 4. Januar 2004 mit erstaunlichen 96 Prozent zum Präsidenten wählen ließ, verkündete vom ersten Tag an die Rückeroberung von Abchasien und Südossetien, die sich Anfang der 1990er Jahre von Georgien losgesagt hatten, als sein wichtigstes Ziel. In der Nacht vom 7. zum 8. August 2008 ließ er seine Streitkräfte auf die südossetische Hauptstadt Tschinwali losmarschieren. Das Voraussehbare geschah: Moskau griff militärisch ein und zwang Saakaschwili in wenigen Tagen zur Kapitulation. Es folgte die Anerkennung der beiden Separatistenrepubliken durch Moskau. Daraufhin brach Georgien die diplomatischen Beziehungen zu Rußland ab.

Dabei ist es bis heute geblieben. Die Gespräche zwischen Karasin und Abaschidse sind der erste bilaterale Kontakt zwischen beiden Regierungen. Er wurde möglich, nachdem die neun Jahre lang alleinherrschende Nationalbewegung am 1. Oktober 2012 bei der Parlamentswahl in die Opposition geschickt worden war. Bis zu einer umfassenden Normalisierung scheint es trotzdem noch ein weiter Weg. Nicht nur die betont prowestliche georgische Außenministerin Maja Pandschikidse – ehemalige Botschafterin in Berlin –, sondern auch Regierungschef Iwanischwili beharren darauf, daß die diplomatischen Beziehungen erst wieder aufgenommen werden könnten, wenn Rußland die »Besetzung« von Abchasien und Südossetien beendet, also die beiden Republiken fallen läßt.

Daß daraus nichts werden kann, wissen selbstverständlich auch die georgischen Politiker. Am 25. Februar, kurz vor dem zweiten Treffen, bekräftigte Moskaus Außenminister Sergei Lawrow, daß man bereit sei, über alle für die georgische Seite interessanten Themen zu sprechen und auf diesen Gebieten eine Zusammenarbeit zu entwickeln. »Aber«, so Lawrow, »nicht um den Preis des Verrats an unseren Brüdern in Abchasien und Südossetien. Das wird niemals geschehen.«

Es gibt auch unter vorläufiger Ausklammerung dieses Themas genug zu besprechen und auf den Weg zu bringen. Da ist zum Beispiel die Wiederaufnahme der Verkehrsverbindungen zwischen beiden Ländern, die Einrichtung regelmäßiger Linienflüge und die von der jetzt entmachteten Regierung in Tbilissi scharf abgelehnte Neueröffnung der Bahnlinie zwischen Georgien und Rußland, die über das Territorium Abchasiens führt. Georgien hat außerdem ein großes wirtschaftliches Interesse, wieder Weine und Mineralwasser nach Rußland exportieren zu können. Moskau hatte diese beim russischen Publikum traditionell beliebten Artikel 2006 vom Markt verbannt, weil sie angeblich nicht den Gesundheitsvorschriften entsprachen. Gruppen russischer Experten haben in jüngster Zeit mehrmals Georgien besucht, um die Exportweine zu untersuchen, das Verbot könnte schon im Frühjahr aufgehoben werden.

* Aus: junge Welt, Montag, 4. März 2013


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