Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Wahlkampf mit Geschenken

Georgien: Amtsinhaber Saakaschwili rechnet mit 60 bis 70 Prozent bei vorgezogener Abstimmung über Präsidentschaft in der Kaukasusrepublik

Von Knut Mellenthin *

Sieben Kandidaten für die vorgezogene georgische Präsidentenwahl am 5. Januar stehen jetzt fest. Angemeldet hatten sich zunächst 22 Bewerber. Nur 13 schafften es aber, in der kurzen Zeit von zwei Wochen die erforderlichen mindestens 50000 Unterschriften zu sammeln. Sechs von ihnen wurden nach Prüfung der Listen von der Wahlkommission abgelehnt. Drei Bewerber haben gegen diese Entscheidung Einspruch eingelegt.

Unter den Kandidaten sind Amtsinhaber Michail Saakaschwili, Lewan Gachechiladse als Vertreter eines aus neun Parteien bestehenden Oppositionsbündnisses, David Gankrelidse für die Partei der Neuen Rechten, Schalwa Natelaschwili für die sozialdemokratische Arbeitspartei und der in Rußland wegen Wirtschaftsver­brechen per Haftbefehl gesuchte Milliardär Badri Patarkatsischwili. Als einzige Frau bewirbt sich Irina Sarischwili, die Vorsitzende der als »pro-russisch« geltenden Hoffnungspartei.

Bei den abgelieferten Unterschriften liegt Saakaschwili mit 205000 nur um 3000 vor Patarkatsischwili. Der Präsident hatte zunächst 140000 Unterschriften vorgelegt und erst nachsammeln lassen, als er vom Ergebnis seines vielleicht gefährlichsten Konkurrenten erfahren hatte. Der Vertreter des Oppositionsbündnisses liegt mit 63000 Unterschriften nur auf dem sechsten Platz.

Eine am 2. Dezember veröffentlichte Meinungsumfrage sah ­Gachechiladse allerdings an zweiter Stelle, hinter dem Amtsinhaber, der demnach auf 54,4 Prozent käme. Für Patarkatsischwili würden laut dieser Erhebung 14,5 Prozent der Wähler stimmen. Die regierende Nationalpartei gibt sich zuversichtlich, daß ihr Präsident mit einem Ergebnis zwischen 60 und 70 Prozent wiedergewählt werden wird. Auch das wären weit weniger als die 96 Prozent, mit denen Saakaschwili am 4. Januar 2004 gesiegt hatte.

Der Präsident und seine Nationalpartei führen ihre Kampagne mit militanten Drohungen gegen die abtrünnigen Republiken Abchasien und Südossetien, nationalistischen Parolen gegen Rußland, vor allem aber mit sozialen Wahlgeschenken und Versprechungen. Saakaschwilis jüngste Idee ist eine Aufforderung an die Behörden, sämtliche offenen Gas- und Stromrechnungen der Bevölkerung zu bezahlen. Vorausgegangen waren unter anderem eine kräftige Erhöhung der niedrigen Lehrergehälter und eine Steigerung der Renten um fast 50 Prozent. Patarkatsischwili hat nun seinerseits angekündigt, daß er im Fall seiner Wahl zum Präsidenten eine Milliarde Dollar aus seinem Privatvermögen für ein Sozialprogramm ausgeben werde. Politiker der Nationalpartei haben ihm daraufhin Wählerbestechung vorgeworfen.

Dem meist in London oder Tel Aviv lebenden Finanzmann droht in Georgien ein Strafverfahren wegen Verschwörung zum Staatsstreich. Gemeint sind die Massendemonstrationen, die am 7. November durch Verhängung des Ausnahmezustands gewaltsam beendet wurden. Er genießt aber, wie alle Kandidaten, für die Zeit des Wahlkampfs Immunität und hat angekündigt, am Freitag nach ­Tbilissi zurückzukehren. Das Oppositionsbündnis steht in engem Kontakt zu Patarkatsischwili und würde diesen in einer eventuellen Stichwahl wahrscheinlich unterstützen.

* Aus: junge Welt, 13. Dezember 2007


Zurück zur Georgien-Seite

Zurück zur Homepage