Griechische Linke auf Positionssuche
Parteien streiten um Haltung zu Protesten
Von Harald Neuber *
Die andauernden Proteste in Griechenland -- auch am Neujahrstag gab es Zwischenfälle in
Thessaloniki und Athen -- trafen die konservative Regierung von Ministerpräsident Kostas
Karamanlis völlig unvorbereitet. Die linken Parteien Griechenlands reagieren auf die Entwicklung
äußerst unterschiedlich.
Griechenlands Linke ist noch immer damit beschäftigt, ihre Position zu den Protestaktionen von
Jugendlichen zu finden. Während die sozialistische Synaspismos (Koalition der Linken, der
Bewegungen und der Ökologie) das Aufbegehren unterstützt, bleibt die Kommunistische Partei
Griechenlands (KKE) kritisch. Besonders die gewalttätigen Ausschreitungen spielten der
Staatsführung in die Hände, heißt es von ihrer Seite.
Knapp vier Wochen nach dem gewaltsamen Tod des 15-jährigen Schülers Alexandros
Grigoropoulos in Athen setzen sich die Proteste fort. Aus den anfänglich spontanen
Demonstrationen gegen den mutmaßlichen Mord hat sich inzwischen eine breite, dauerhafte soziale
Protestbewegung entwickelt. Nach Angaben der Lehrergewerkschaft OLME sind 700 Schulen und
150 Hochschulinstitute besetzt. Parallel zu den Jugendprotesten gegen das marode Bildungssystem
nahmen Arbeiter in der vorletzten Dezemberwoche in Athen die Zentrale des Gewerkschaftsbundes
GSEE ein, um gegen die staatsnahe Führung dieses Verbandes zu protestieren. Der Widerstand, so
wird klar, entgleitet der Kontrolle der Parteien. Ein Novum für Griechenland, wo alles und jeder in
Parteien organisiert ist.
Für eine Kontroverse sorgte in dieser Situation die Führung von Synaspismos, als sie sich Mitte
Dezember offen für die spontanen Proteste aussprach. Es handele sich um eine »neue politische
Bewegung«, hieß es aus dieser Partei, die zu Beginn der 90er Jahre aus der KKE hervorgegangen
war. Synaspismos versucht mit der öffentlichen Annäherung an die Proteste offenbar, seine
Anhängerschaft unter Jugendlichen auszubauen. Nach einer Umfrage im Auftrag der Zeitung »Real
News« liegt Synaspismos inzwischen mit 10,3 Punkten fast gleichauf mit den Kommunisten, die als
drittstärkste Kraft nach Sozialdemokraten und Konservativen in Griechenland auf knapp elf
Prozentpunkte kommen.
Trotzdem nimmt die straff organisierte KKE gegenüber den Protesten weiterhin eine kritische
Haltung ein. Besonders die gewalttätigen Ausschreitungen werden von den Kommunisten
abgelehnt. Die Koukoulofóri (etwa: Vermummte), wie die gewaltbereiten Autonomen in Griechenland
genannt werden, hätten »keine Verbindung zur organisierten Arbeiterschaft«, bekräftigte KKEGeneralsekretärin
Aleka Papariga auf einer Pressekonferenz in Athen vor wenigen Tagen. Die
gewalttätigen Ausschreitungen und Übergriffe auf Autos, Ladenlokale und Banken verglich Papariga
gar mit den Terroranschlägen am 11. September 2001 in den USA. So wie diese Angriffe die
repressiven Antiterrorgesetze und Feldzüge Washingtons verursacht hätten, würden die Randalierer
»Öl ins Feuer der Herrschenden« gießen. Die Unterstützung der Proteste durch Synaspismos sei
Opportunismus und habe keine Perspektive. Dies habe sich auch bei der in der Vergangenheit
hochgejubelten Bewegung von Globalisierungskritikern und Sozialforen gezeigt, von denen
inzwischen kaum mehr etwas zu hören sei.
Wer Recht hat, wird sich vermutlich schon bald zeigen. Die konservative Regierung von Karamanlis
und seiner Partei Neue Demokratie will die Proteste, wie es scheint, aussitzen. Für den 9. Januar
aber ist in Griechenland ein neuer, landesweiter Aktionstag von Schülern, Studenten und
Lehrpersonal angesetzt, zu dem Gewerkschaften und Basisgruppen aufgerufen haben. Die
Resonanz wird zeigen, ob aus den Protesten wirklich eine neue Bewegung hervorgegangen ist oder
ob es ein Strohfeuer blieb -- hell, aber kurz.
* Aus: Neues Deutschland, 3. Januar 2009
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