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Sieg der Migranten

Größter Hungerstreik in der Geschichte Griechenlands beendet

Von Heike Schrader, Athen *

Die knapp 300 Migranten, die seit 44 Tagen keine Nahrung und teilweise auch keine Flüssigkeit zu sich genommen hatten, haben am Mittwoch ihren Hungerstreik mit einem beachtlichen Teilerfolg beendet. Die Vollversammlung der Migranten akzeptierte das Angebot der griechischen Regierung, allen Hungerstreikenden zunächst eine sechs Monate gültige Duldung mit der Aussicht auf Verlängerung auszustellen. Außerdem sollten alle Migranten, die bereits jahrelang im Lande leben, einen Antrag auf die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltsgenehmigung stellen können. Dabei solle dann geprüft werden, ob man im Einzellfall die gesetzlich vorgeschriebenen zwölf Jahre Aufenthalt in Griechenland unterschreiten könne. Ursprünglich hatten die Hungerstreikenden die Legalisierung aller im Land lebenden Arbeitsmigranten gefordert.

Nach den Zugeständnissen der Regierung würden die Migranten ihren Kampf beenden, verkündete Abdul Haci im Anschluß an eine Vollversammlung aller Hungerstreikenden in deren Namen. Da eine Duldung mit der Aussicht auf Verlängerung sowie die Ausstellung von Papieren erreicht worden sei, könnten die Migranten ihre Familien in den Heimatländern besuchen und legal wieder einreisen. Den meisten von ihnen wäre nun auch der Weg zu einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis geöffnet, da sie sich teilweise bereits seit über einem Jahrzehnt im Lande befänden.

Nach 44 Tagen war die Lage der Hungerstreikenden nach Aussage der sie begleitenden Ärzte äußerst kritisch geworden. Über 100 von ihnen waren bereits mit Herzproblemen, Dehydration und Nierenversagen ins Krankenhaus eingeliefert worden.

»Die Entscheidung der Regierung entspricht dem größten Teil der Forderungen der 300 hungerstreikenden Migranten«, sagte Petros Giotis von der griechischen »Initiative Solidarität« zum Ende des Hungerstreiks. »Dies zeigt, daß nur der Kampf, der nicht geführt wird, ein verlorener ist.«

Innenminister Giannis Ragousis dagegen erklärte, die Regierung habe sich nicht erpressen lassen und drei wichtige Ziele erreicht. Diese seien der Schutz menschlichen Lebens als absolute Priorität, die Einhaltung der griechischen Gesetze sowie die Wahrung des gesellschaftlichen Friedens, erklärte Giannis Ragousis im griechischen Fernsehen. »Wir haben von Anfang an gesagt, daß wir keine massenhaften oder individuellen Legalisierungen aus humanitären Gründen vornehmen können«, so der Innenminister. Dies sei letztendlich auch von den Hungerstreikenden akzeptiert worden.

Die den Streik von Anfang an unterstützende Linksallianz SYRIZA erklärte, es habe »44 Tage Hungerstreik gebraucht, bis die Regierung buchstäblich um fünf vor zwölf eine Lösung für die Probleme der Streikenden gefunden hat«. Dieser Erfolg sei aber nur eine Station in einem Kampf und ein Versuch, der weiter geführt werden müsse. »Weder Europa noch Griechenland können eine Festung sein«, heißt es in der am Mittwoch abend veröffentlichten Presseerklärung von SYRIZA. »Unsere migrantischen Mitbürger haben ernste Gründe für das Verlassen ihrer Heimat und jedes Recht darauf, ein Leben in Würde zu führen.«

* Aus: junge Welt, 11. März 2011


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