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Hellas’ tödliche Dämmerung

Erstochener Antifaschist beerdigt / Verbot von Neofaschisten wird vorbereitet

Von Anke Stefan, Athen *

Die Ermordung eines 34-Jährigen hat in Griechenland Entsetzen und Wut ausgelöst – und eine Debatte über ein Verbot der »Goldenen Morgendämmerung«.

Hunderte Menschen gaben Pavlos Fyssas am Donnerstag in der griechischen Hafenstadt Piräus das letzte Geleit. Der 34-jährige Antifaschist und Hip-Hop-Musiker (alias Killah P.) war in der Nacht zu Mittwoch von einer Schlägertruppe der neofaschistischen Partei Chrysi Avgi (Goldene Morgendämmerung) erstochen worden. Daraufhin zogen überall im Lande tausende Menschen auf die Straßen. Die größten Protestzüge bildeten sich in Athen, Thessaloniki und Patras. Bei Auseinandersetzungen mit der Polizei, die vielerorts die regionalen Büros von Chrysi Avgi schützte, wurden über 100 Personen vorläufig festgenommen.

Nach einer ganzen Reihe faschistischer, teils tödlicher Angriffe vorwiegend auf dunkelhäutige Menschen, bei denen allerdings bisher nie die Täter dingfest gemacht werden konnten, hat der jüngste Mord in Griechenland eine breite Debatte um ein längst fälliges Thema ausgelöst: das Verbot der mit 18 Abgeordneten im 300-köpfigen griechischen Parlament vertretenen Chrysi Avgi. Zu eindeutig ist diesmal die Beweislage schon nach den ersten polizeilichen Ermittlungen.

Danach hat ein noch am Tatort mit einem blutigen Messer festgenommener Tatverdächtiger bereits gestanden, in enger Beziehung zu Chrysi Avgi zu stehen. Giorgos Roupakias besuchte deren regionales Parteibüro mehrmals in der Woche, sowohl er als auch seine Frau und Tochter arbeiteten zudem in der dortigen Kantine, was in Griechenland als eindeutiges Zeichen für eine Parteizugehörigkeit gedeutet wird.

Der 45-Jährige gilt auch nicht als Einzeltäter. Das Opfer und seine Begleiter wurden gezielt in einen Hinterhalt gelockt. Fyssas hatte im selben Café ein Fußballspiel verfolgt, in dem auch Anhänger von Chrysi Avgi waren. Laut Aussage der Ehefrau des mutmaßlichen Mörders wurde dieser erst per Telefon zum Tatort gerufen.

In Griechenland wird nun ein Verbot von Chrysi Avgi diskutiert. Unter Verfassungsrechtlern ist aber umstritten, inwieweit eine im Parlament vertretene Partei verboten werden kann. Ein Verbotsverfahren ist nicht vorgesehen. Auch mit Blick darauf hatten die Vorsitzenden der mitregierenden PASOK, Evangelos Venizelos, sowie der oppositionellen DIMAR, Fotis Kouvelis, am Mittwoch gefordert, Chrysi Avgi als kriminelle Vereinigung einzustufen. Nikos Dentias, Minister für öffentliche Ordnung und Bürgerschutz von der großen Regierungspartei Nea Dimokratia, kündigte nun eine Gesetzesnovelle an.

Der Mord an Fyssas sorgte auch für internationales Echo. Der Generalsekretär des Europarats, Thorbjörn Jagland, sprach für Griechenland und andere Teile Europas von einer »echten Gefahr«, dass Hassreden zu Gewalt und kaltblütigem Morden führten. Die europäischen Staaten dürften nicht dulden, dass »radikale Gruppen demokratische Gesellschaften zerstören.«

* Aus: neues deutschland, Freitag, 20. September 2013


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