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Athen plant Zaun an der Grenze zur Türkei

Illegale Einwanderung soll gestoppt werden *

Griechenland will die 206 Kilometer lange Grenze zur Türkei großteils mit einem Zaun abriegeln, um den Strom illegaler Einwanderer zu stoppen. Vorbild ist offenbar der Grenzzaun zwischen den USA und Mexiko.

»Die griechische Gesellschaft hat bei der Aufnahme illegaler Einwanderer ihre Grenzen erreicht. Griechenland kann nicht mehr«, sagte der für Einwanderungsfragen zuständige Minister Christos Papoutsis am Sonnabend der griechischen Nachrichtenagentur Ana. Griechenland plane deshalb einen Zaun entlang der Landgrenze zur Türkei.

Die griechisch-türkische Landgrenze ist für Flüchtlinge aus Ländern wie Afghanistan, Irak und Somalia zum Haupteingangstor in die Europäische Union geworden. Von Januar bis November 2010 wurden allein an einem 12,5 Kilometer langen Stück des Grenzflusses Evros 32 500 Einwanderer ohne Papiere festgenommen. Im Gegenzug ging die Zahl der Festnahmen auf den griechischen Inseln nahe der türkischen Küste um knapp 80 Prozent zurück. Die Inselwelt war zuvor von Schleuserbanden angefahren worden, um die illegalen Einwanderer in die EU zu bringen.

Griechenland hatte Brüssel im Oktober als erstes EU-Land um die Entsendung von schnellen Eingreifteams der Frontex gebeten. Im November wurden mehr als 200 EU-Grenzwächter an den Grenzfluss Evros entsandt, woraufhin die Zahl der gefassten illegalen Einwanderer von rund 250 pro Tag auf rund 140 zurückging.

Die Zustände in griechischen Flüchtlingslagern gelten als katastrophal. Zudem ist Griechenlands Asylsystem angesichts der vielen Flüchtlinge völlig überlastet.

* Aus: Neues Deutschland, 3. Januar 2010


Trügerischer Schutz

Von Fabian Lambeck **

Europa macht dicht. Nun will EU-Mitglied Griechenland einen Grenzzaun zur Türkei errichten. Die Griechen hoffen, so den Flüchtlingsstrom aufzuhalten. Der neue Zaun mag zwar das Problem für die Griechen entschärfen, dass gewaltige Flüchtlingsproblem entschärft er jedoch nicht. Im Gegenteil: Durch die Abschottung der relativ gefahrlos zu überquerenden Landgrenze treibt man die Flüchtlinge wieder in die Boote. Schon jetzt wagen viele Verzweifelte die Fahrt über den Atlantik oder das Mittelmeer. Und während ganze Regionen in Krieg und Elend versinken, versinken alljährlich auch die Boote jener Menschen, die vor der Perspektivlosigkeit in ihren Heimatländern fliehen. Niemand weiß, wie viele Menschen bislang ihr Leben ließen auf der Flucht ins vermeintliche Paradies Europa. Erst wenn die Leichen jener Unglücklichen an die idyllischen Strände der mediterranen Urlaubsstrände gespült werden, dann ahnt man etwas von jener Verzweiflung, die Menschen dazu bringt, ihr Leben so aufs Spiel zu setzen.

Der neue Zaun wird also ganz sicher Opfer fordern. Nicht an der Landgrenze, aber auf hoher See. Zudem nährt das Projekt die Illusion, die EU könne wie bisher auf ein tragfähiges Flüchtlingskonzept verzichten. Diese Kurzsichtigkeit wird sich rächen, weil sich irgendwann Millionen aufmachen werden und dann schützt auch kein Zaun mehr. Egal wie hoch man ihn auch baut.

** Aus: Neues Deutschland, 3. Januar 2011


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