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Grünen-Politiker: Schuldenschnitt darf kein Tabuwort sein

Studie: Spardiktate ließ griechische Wirtschaft einbrechen / Große Mehrheit gegen Entschädigung für NS-Unrecht / Unternehmerlobby weist Korruptionsvorwürfe aus Athen zurück


Update 15.55 Uhr: Politiker vom linken Flügel der Grünen haben sich für eine Schuldentlastung für Griechenland ausgesprochen. Es sei »klar, dass das Land ohne Reduzierung seiner Schuldenlast nicht auf die Beine kommen wird«, heißt es in einem wirtschaftspolitischen Positionspapier, das unter anderem von den Landesvorsitzenden in Berlin und Nordrhein-Westfalen, Daniel Wesener und Sven Lehmann, der Europaabgeordneten Ska Keller sowie Barbara Unmüßig vom Vorstand der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung unterzeichnet wurde. »Ein Schuldenschnitt darf kein Tabuwort sein«, heißt es darin weiter. Europa brauche »dringend einen Altschuldentilgungsfonds, mit dem zwar jedes Land seine Schulden tilgt, aber die Gemeinschaft unter klaren Kriterien bürgt«. Kanzlerin Angela Merkel sei »mit ihrer einseitigen Austeritätspolitik in Europa gescheitert«. Angesichts von »Hinterzimmerverhandlungen und Troika-Beschlüssen erleben viele Menschen subjektiv einen gefährlichen Abbau der Demokratie in Europa«, schreiben die Grünen-Politiker weiter. Das Wort »Reform« sei zum »Synonym für sozialen Abbau geworden; die EU steht in den am meisten betroffenen Ländern eher für Massenentlassungen als für Solidarität«. Inzwischen stehe nicht nur die wirtschaftliche Stabilität »auf dem Spiel, sondern auch der Zusammenhalt und damit das Friedensprojekt Europa«.

Update 13.15 Uhr: Die staatlichen Ausgabenkürzungen haben die griechische Wirtschaft einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung zufolge einstürzen lassen. Ohne diese Kürzungen in den vergangenen Jahren oder mit einer langgestreckten Konsolidierung ginge es dem Land heute besser, heißt es in einer Untersuchung des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), die am Freitag veröffentlicht wurde. Darin analysieren die Ökonomen des IMK, wie Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen zwischen 2010 und 2014 die Wirtschaftskraft des Landes beeinflussten. In dem Zeitraum hätten die Maßnahmen das Bruttoinlandsprodukt um mehr als 25 Prozent schrumpfen lassen. So führten im Konjunkturabschwung Kürzungen und höhere Steuern zu einer weiteren Abnahme der Nachfrage und damit zu einer Verstärkung des Abschwungs. Hätte es die Sparpolitik in diesem Ausmaß nicht gegeben, wäre Griechenland der massive Einbruch erspart geblieben, resümieren die Autoren. Die einbrechende Wirtschaftsleistung habe zugleich den Schuldenstand ansteigen lassen.

Update 12 Uhr: Das kompromisslose Nein der Bundesregierung und einer Mehrheit der Medien in Deutschland zur Forderung Griechenland nach Wiedergutmachung für erlittenes NS-Unrecht findet seinen Widerhall bei einer übergroßen Mehrheit der Bundesbürger. Laut dem ZDF-Politbarometer sagen 78 Prozent Nein zu einer finanziellen Entschädigung für die in Griechenland begangenen Verbrechen während der Nazizeit. Zwar zeigen sich dabei auch Unterschiede zwischen den Anhängern der jeweiligen Parteien – die Front der Ablehnung ist aber übergreifend groß. Lediglich bei den Wählern der Grünen sagen »nur« 50 Prozent Nein zu den hierzulande von Juristen und Oppositionspolitikern unterstützten Forderung nach Wiedergutmachung. 86 Prozent der Unionsanhänger, 74 Prozent der SPD-Wähler und auch 64 Prozent der Anhängerschaft der Linkspartei sprach sich in der Umfrage dagegen aus. Insgesamt nur 15 Prozent unterstützten die Forderung, die auch von der SYRIZA-geführten Regierung erhoben wird.

Update 8.40 Uhr: Die SYRIZA-geführte Regierung in Griechenland geht von einem Durchbruch in den Verhandlungen mit den internationalen Kreditgebern in der nächsten Woche aus. »Ich denke, dass wir Anfang der kommenden Woche eine Einigung haben werden«, sagte Wirtschaftsminister Giorgos Stathakis dem Sender Antenna TV am Donnerstag. Er erwarte Anfang kommender Woche sowohl eine Einigung »zu dem Reformpaket, das von der griechischen Regierung vorgeschlagen wird, als auch über den Fluss der Finanzierung«, sagte Wirtschaftsminister Stathakis. Er verwies dabei auch auf das Treffen von Regierungschef Alexis Tsipras mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montag in Berlin. »Seit den Gesprächen ist das politische Klima ausgezeichnet.« Aus seinem laufenden Kreditprogramm stehen für Athen noch 1,8 Miliarden Euro zur Verfügung. Zudem kann Griechenland mit 1,9 Milliarden Euro aus Zinsgewinnen der Europäischen Zentralbank (EZB) kalkulieren, wenn es zum Durchbruch mit den Gläubigern kommt. Zusammen mit ausstehenden Hilfszahlungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) kann Tsipras insgesamt auf 7,2 Milliarden Euro hoffen. Unternehmerlobby weist Korruptionsvorwürfe aus Athen zurück

Der Chef der deutschen Unternehmer-Lobby, Ingo Kramer, hat Korruptionsvorwürfe gegen deutsche Unternehmen in Griechenland zurückgewiesen. »Zur Korruption gehören generell immer zwei: einer, der gibt, und einer, der nimmt«, sagte er der »Rheinischen Post«. Keiner gebe »gerne freiwillig. Das tut er nur, wenn ein anderer etwas fordert«, erklärte der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Er versicherte zudem: »Korruption ist nie gerechtfertigt.«

Zuvor hatte die griechische Regierung gegen deutsche Rüstungsfirmen wegen der Verwicklung in Korruptionsfälle Forderungen über mehrere hundert Millionen Euro Entschädigung erhoben. Zuerst hatte die »Bild«-Zeitung unter Berufung auf bisher unbekannte Dokumente aus dem griechischen Verteidigungsministerium darüber berichtet. Ermittler hätten bereits tausende Akten geprüft, mehrere Fälle seien breites vor Gericht.

Dabei soll es laut Medienberichten unter anderem um den deutsch-französischen Eurocopter-Konzern und den Verkauf von NH 90-Hubschraubern an Griechenland gehen. Dabei sollen laut der Ermittler in Athen über 40 Millionen Euro Schwarzgeld geflossen sein. Außerdem gibt es laut »Bild-Zeitung« Ermittlungen gegen Rheinmetall und STN Atlas. Beim Verkauf von U-Booten nach Griechenland sollen über 60 Millionen Euro Schwarzgeld geflossen sein.

Derweil hat die SYRIZA-geführte Regierung erstmals seit ihrem Amtsantritt mit der Schweiz über unversteuertes griechisches Geld auf Schweizer Bankkonten gesprochen. Das verlautete am Donnerstag aus übereinstimmenden Quellen. Die Gespräche fanden demnach während des Besuchs des Schweizer Staatssekretärs für internationale Finanzangelegenheiten, Jacques de Watteville, in Athen statt.

Beide Seiten hätten sich darauf verständigt, die Maßnahmen zum gegenseitigen Austausch sowie den Datentransfer zu verstärken, hieß es aus griechischen Regierungskreisen. Ein weiteres Treffen sei für Ende April geplant. Laut der Schweizer Behörde für Finanzen wurde auch die Vorbereitung des automatischen Informationsaustauschs diskutiert, der in den Jahren 2017/2018 eingeführt werden soll.

Die Schweizer Zeitung »Tages-Anzeiger« hatte in der Vergangenheit berichtet, dass griechische Bürger insgesamt 1,5 Milliarden Franken (1,4 Milliarden Euro) auf Schweizer Bankkonten horteten. Ein Teil dieser Gelder ist demnach unversteuert. In den vergangenen Tagen war in Schweizer Medien darüber spekuliert worden, warum sich das vom Staatsbankrott bedrohte Griechenland bislang nicht um die Schwarzgeldmillionen in der Schweiz gekümmert hatte.

* Aus: neues deutschland (online), Freitag, 27. März 2915


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