Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Bruch mit der Barbarei"

Griechenland: Syriza will bei Wahlsieg Ende Januar Schuldenrückzahlung neu verhandeln und "Überbesteuerung" der Bürger zurückfahren. Keine Absage an Euro und EU

Von Heike Schrader, Athen *

Nach Ansicht der Linkspartei Syriza setzt nicht nur Griechenland, sondern auch das »demokratische Europa« Erwartungen in die Wahlen am 25. Januar. Sie beträfen »die sich gegen die Austerität wehrende Mehrheit der Gesellschaft, die begreift, dass Europa nicht von der Linken bedroht wird, sondern von der Politik Frau Merkels«, sagte Syriza-Chef Alexis Tsipras in seiner Parteitagsrede am Wochenende mit Blick auf die deutsche Kanzlerin. Auf der Versammlung wurde das Regierungsprogramm bestätigt, wie es der Parteivorsitzende bereits im vergangenen Oktober in Thessaloniki vorgestellt hatte. Darin wird der »Logik der unrealistischen primären Haushaltsüberschüsse« eine Absage erteilt; statt dessen werden langfristig »ausgeglichene Primärhaushalte« angestrebt. Zweitens sieht das Programm eine »Übereinkunft auf Werkzeuge für ein Wirtschaftswachstum« vor, von dem alle Bürger profitieren sollen. Das inländische Banksystem und die Spareinlagen der Bürger will Syriza »im Rahmen der Europäischen Zentralbank« schützen und garantieren. In Verhandlungen »innerhalb der Europäischen Union und der europäischen Institutionen« soll schließlich über die Bedienung der griechischen Schulden neu entschieden werden. Dabei strebt Syriza »die Streichung des größten Teils der Schulden« und die Rückzahlung des Restes abhängig vom Wirtschaftswachstum des Landes an. Ein neuer »europäischer New Deal« soll das Wirtschaftswachstum mit Investitionen ankurbeln.

Tsipras verwahrte sich gegen die Ansicht, im Fall eines Wahlsieges seiner Partei an die von Antonis Samaras mit der Troika aus EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) getroffenen Vereinbarungen gebunden zu sein. Unmissverständlich machte er jedoch klar, seine Partei stehe für den Verbleib von Griechenland in der EU und die Beibehaltung des Euro. Es werde Verhandlungen und auch eine neue Übereinkunft geben, so der Syriza-Vorsitzende. Davon unabhängig werde seine Partei jedoch unverzüglich mit der Umsetzung ihrer Vorhaben beginnen. »Das Programm von Thessaloniki ist der Nationale Plan zum Wiederaufbau und wird unabhängig vom Verlauf der Verhandlungen umgesetzt«, versicherte Tsipras. An erster Stelle nannte er dabei Maßnahmen »zur Bewältigung der humanitären Krise«. Diese sehen kostenlose Energieversorgung und Lebensmittelzuwendungen für mindestens 300.000 besonders bedürftige Familien, ein Wohnraumprogramm, die kostenlose medizinische Versorgung für alle und die Wiedereinführung der 13. Rente für Senioren mit Bezügen unter 700 Euro monatlich vor.

Ein weiterer Schwerpunkt des Syriza-Programms ist die Wiederankurbelung der Wirtschaft. Auch hier will die Partei bei der Kaufkraft der Bürger ansetzen. So sind unter anderem die Beschränkung von Kreditraten auf 30 Prozent der monatlichen Einkommen und die Wiedereinführung des Steuerfreibetrages von 12.000 Euro im Jahr für Lohnabhängige und Freiberufler vorgesehen. Die von Samaras eingeführte Sondersteuer auf Immobilien soll abgeschafft und durch eine gerechte Vermögensbesteuerung ersetzt werden.

Darüber hinaus will Syriza den gesetzlichen Mindestlohn auf 751 Euro anheben. Schrittweise sollen 300.000 Arbeitsplätze im Staatsdienst und in der privaten Wirtschaft geschaffen werden. Und nicht zuletzt kündigt die Linkspartei einen radikalen Umbau der staatlichen Institutionen an. Danach sind beispielsweise in der Regierung nur zehn statt der bisher üblichen etwa 20 Ministerien vorgesehen. Mit einem völlig neuen Kontrollapparat und der Abschaffung der zahlreichen an die Regierung angelehnten Ämter sollen Korruption und Vetternwirtschaft der Kampf angesagt werden.

Ein nicht unerheblicher Teil der Gelder, die zur Umsetzung dieser Vorhaben benötigt werden, soll aus der Verfolgung von Schwarzhandel und Steuerhinterziehung kommen. Insbesondere bei der Finanzierung der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit setzt Syriza dagegen auf Gelder aus EU-Förderprogrammen. Andere Mittel will Tsipras aus der heimischen Kasse zur Sicherung der Finanzsystems abziehen. Und nicht zuletzt setzt seine Partei darauf, dass bei einer gerechteren Besteuerung mehr Einnahmen in die Staatskassen fließen als derzeit, denn die Überbesteuerung der Bürger habe zu Ausständen in Höhe von etwa 68 Milliarden Euro geführt.

Man werfe der Partei vor, sie strebe einen Bruch mit den Partnern in der Euro-Zone an, erklärte Tsipras in seiner Rede in Athen. Tatsächlich gehe es um einen »Bruch mit der Barbarei«. Dass die Austeritätspolitik nicht fortgesetzt werden könne und die Schulden nicht tragbar seien, wüssten auch die Partner in der EU.

Der 25. Januar werde eine Wende in Europa einleiten, die von Griechenland ausgehend auf andere Länder übergreifen werde: mit einem Sieg von PODEMOS und der Vereinigten Linken in Spanien Ende dieses Jahres und einem weiteren Wahlsieg der Sinn Fein in Irland 2016, »und schrittweise auf immer mehr«, gab sich Tsipras kämpferisch.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 6. Januar 2015


KKE: Auch Syriza hat keine alternativen Lösungen für Griechenland

ie Kommunistische Partei Griechenlands wird nach den Wahlen in Opposition zu jeder Regierung stehen

Von Heike Schrader, Athen **


Die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) wird in Opposition zu jeder Regierung stehen, egal welche aus den Wahlen am 25. Januar hervorgehen wird. »Denkt daran, dass am folgenden Tag die EU und die Memoranden hier sein und fortfahren werden, das Volk auszubluten, mit alten und neuen Maßnahmen, die das Kapital fordert, um auf dem globalen kapitalistischen Markt wettbewerbsfähiger zu sein.« Mit diesen Worten beginnt der Aufruf des Zentralkomitees der KKE, in knapp drei Wochen die Kandidaten der Kommunisten zu wählen. Eine Regierung der Linkspartei Syriza wäre für die KKE nur eine Variante der Verwaltung von Kapitalinteressen: »Die Syriza-Führung bescheinigt den Gläubigern, der EU und den Märkten nicht nur, dass sie keine einseitigen Aktionen durchführen wird, sie fordert sie auf, ihr zu vertrauen und eine Syriza-Regierung zu unterstützen, denn diese kann ihre Interessen besser vertreten.« An anderer Stelle der KKE-Entschließung heißt es, Syriza habe sich bereits in den vergangenen zwei Jahren nützlich für das Kapital gezeigt, indem sie die Bewegung der Arbeiter und des Volkes mit einer Logik der Stellvertreterpolitik untergraben habe. »Syriza stellt keine alternative Lösung im Interesse des Volkes dar. Im Bestreben, stärkste Partei zu werden, hat sie sich in Windeseile in eine Partei zur bürgerlichen und volksfeindlichen Systemverwaltung entwickelt.« Auch die klar auf den Bruch mit der EU ausgerichtete linke Plattform innerhalb von Syriza, die immerhin ungefähr ein Drittel der Mitglieder der Linkspartei vertritt, ist für die KKE nur ein Alibi. Damit sollen Stimmen von links eingefangen werden. Für die kommunistische Partei liegt der Unterschied zwischen der konservativen Nea Dimokratia und Syriza nur im »Rezept«, mit dem »ein kapitalistisches Wirtschaftswachstum« gesichert werden soll.

Denn selbst wenn die Linkspartei mit ihren Verhandlungen eine Lockerung der Austeritätsmaßnahmen erreichen sollte, werde dies »nicht zu Erleichterungen für das Volk, sondern zur Erhöhung der staatlichen Unterstützung von inländischen Unternehmenskonzernen und Investoren führen«. Jeder Schuldenschnitt im Einvernehmen mit den Gläubigern, wie Syriza ihn anstrebe, sei dagegen unweigerlich mit »neuen volksfeindlichen Verpflichtungen verbunden«.

Auch bei den von Syriza angekündigten Schritten zur Verbesserung der Einkommen der Lohnabhängigen kann die KKE keinen Unterschied zur amtierenden Nea Dimokratia erkennen: »Die einen verteilen ›soziale Zuwendungen‹, die anderen versprechen Armenspeisungen und die Wiedereinführung der 13. Rente nur für die am meisten verarmten Rentner.« Selbst die angekündigte sofortige Wiederanhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf die vor der Krise geltenden 751 Euro ist für die KKE nur ein hohles Wort, »denn sie erfasst nicht die Tausende insbesondere jungen Lohnabhängigen, die in prekarisierten Arbeitsverhältnissen stecken und nicht einmal den Mindestlohn erhalten«. Deswegen gelte es, die Kommunisten zu wählen, denn nur eine »starke KKE bildet die einzige wirkliche Gegnerin für die Monopole und ihre Macht, für EU und die Memoranden, für die volksfeindlichen Regierungen«.

** Aus: junge Welt, Dienstag, 6. Januar 2015


Zurück zur Griechenland-Seite

Zur Griechenland-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage