Alter Kurs mit neuem Kabinett
Europawahl zieht Regierungsumbildung in Griechenland nach sich
Von Anke Stefan, Athen *
Nach dem Desaster bei den Europawahlen
hat der griechische Regierungschef
Antonis Samaras sein Kabinett umgebildet.
Man habe »die Botschaft erhalten«,
hatte der griechische Ministerpräsident
die Niederlage seiner Regierungspartei
bei den Europawahlen
kommentiert und umfassende Änderungen
angekündigt. Zwei Wochen
danach versucht Antonis Samaras,
dieses Versprechen mit einer
rigorosen Umbildung seines Kabinetts
einzulösen.
Dabei wurde die am Pfingstmontag
von der neuen Regierungssprecherin
Sofia Voultepsi verkündete
Regierungszusammensetzung
wohl weniger vom Heiligen Geist als
vielmehr vom Austarieren von Gewichten
innerhalb der Regierungskoalition
aus konservativer Nea Dimokratia
und sozialdemokratischer
PASOK inspiriert. Die bei den EUWahlen
von 12 auf 8 Prozent geschrumpfte
PASOK behielt vier Ministerien.
Vorsitzender Evangelos
Venizelos ist darin nach wie vor in
der Doppelfunktion als Außenminister
und stellvertretender Regierungschef
vertreten.
Mit Spannung war vor allem die
Besetzung des Finanzministeriums
erwartet worden. Denn ohne einen
Rückzug des nach der bundesdeutschen
Kanzlerin Angela Merkel wohl
meistgehassten Menschen in Griechenland,
Giannis Stournaras, hätten
die Ankündigungen des Ministerpräsidenten
über umfassende Änderungen wohl von Anfang an jede
Glaubwürdigkeit verloren. Doch
der neue »Zar im Finanzministerium« ist ebenfalls ein Banker und kein
Politiker. Gikas Hardouvelis, unter
anderem Inhaber eines Doktorgrades
in Finanzwissenschaften der
Universität Berkeley, dürfte im Ausland
vor allem als amtierender Vertreter
der griechischen Bankerinnung
im Europäischen Bankenverband
(EBF- EMAC) sowie aus seiner
Amtszeit als stellvertretender Direktor
der Europäischen Zentralbank
(1994-95) ein Begriff sein. Im
Inland hatte der Professor an der
Universität von Piräus und Berater
des Eurobank-Konzerns bisher als
Berater sowohl in der zweiten Amtsperiode
von Kostas Simitis (2000 –
2004) als auch unter dem eingesetzten
Premier Lucas Papademos
(November 2011 – Mai 2012) hinter
den Kulissen Fäden gezogen. Radikale
Änderungen in der ohnehin
von der Gläubigertroika festgelegten
Finanzpolitik sind vom neuen Finanzminister
nicht zu erwarten. Im
Gegensatz zu seinem Vorgänger tritt
Hardouvelis allerdings für eine Senkung
der Unternehmensteuern ein.
Der bisherige Finanzminister
Giannis Stournaras wird aller Voraussicht
nach den in Kürze neu zu
besetzenden Posten des Vorsitzenden
der Griechischen Zentralbank
übernehmen.
Im Gesundheitsministerium wurde
mit Adonis Georgiadis ein zweiter
Minister ausgetauscht, der sich
durch die rigorose Umsetzung des
Griechenland verordneten Sparprogramms
unbeliebt gemacht hat.
Bei seinem Nachfolger Makis Voridis
handelt es sich wie bei Georgiadis
selbst um einen in die Nea Dimokratia
übergetretenen ehemaligen
Abgeordneten der rechtspopulistischen
LAOS-Partei.
Andere Schlüsselministerien bei
der Umsetzung der mit den Gläubigern
ausgehandelten Memoranden
bleiben unverändert. So werden die
für die Entlassung Zehntausender
Staatsbediensteter zuständigen Ministerien
für Verwaltungsreformen
und für Arbeit nach wie vor von Kyriakos
Mitsotakis und Giannis
Vroutsis geleitet. Auch das in die Privatisierung
von Staatsbetrieben involvierte
Ministerium für Infrastruktur,
Transport und Netzwerke
verbleibt in den Händen von Michalis
Chrysochoidis, während das
ebenfalls wichtige Ministerium für
Wirtschaftswachstum in Zukunft
vom ehemaligen Minister für Öffentliche
Ordnung und Bürgerschutz,
Nikos Dendias, geleitet wird.
»Niemand glaubt, dass die jetzige
Regierungsumbildung auch nur im
Geringsten die von der Regierung
Samaras umgesetzte Politik und ihre
Verpflichtungen aus den Memoranden
beeinflussen wird«, kommentierte
die größte Oppositionspartei
SYRIZA das neue Kabinett.
* Aus: neues deutschland, Mittwoch 11. Juni 2014
Stühlerücken in Griechenland
Ministerpräsident Samaras bildet Regierung um. Alte Politik mit neuen Namen
Von Heike Schrader, Athen **
Zwei Wochen nach der Wahlniederlage der beiden griechischen Regierungsparteien PASOK und Nea Dimokratia bei den EU-Wahlen wurde in Athen am Pfingstmontag ein neues Kabinett vorgestellt. Doch trotz der Neubesetzung von insgesamt 17 Minister- und Staatssekretärsposten ist keine Änderung der Politik zu erwarten. So wird das Ministerium für Finanzen auch in Zukunft von einem Banker und »Technokraten« geführt werden. Diesen essentiellen Posten übernimmt der derzeitige griechische Vertreter im Europäischen Bankenverband EBF-EMAC, Gikas Hardouvelis, von Giannis Stournaras, der voraussichtlich mit dem Amt als Vorsitzender der Griechischen Zentralbank entschädigt werden wird.
Von den griechischen Massenmedien wurden diese Neubesetzungen als »rigorose Kabinettsumbildung« gefeiert. Tatsächlich sind sie ein eher verzweifelter denn erfolgversprechender Versuch, sich den Anschein einer Abkehr von der rigorosen Kürzungspolitik zu geben. Hardouvelis wurde denn auch in den ersten Kommentaren vor allem als Verfechter von Steuersenkungen angepriesen – für die Unternehmer wohlgemerkt, die Lohnabhängigen werden von dem hochrangigen Vertreter des griechischen Finanzkapitals ebensowenig zu erwarten haben wie von seinem Vorgänger. Andere wichtige Ministerien, darunter das Arbeitsministerium und das Ministerium für Verwaltungsreformen blieben dagegen personell unverändert.
Auch der Parteienproporz blieb unangetastet. Die sozialdemokratische PASOK behält vier Ministerien, wobei das Bildungsministerium an Andreas Loverdos ging, Mitbegründer des PASOK-dominierten EU-Wahlbündnisses Elia (Olive). Der ehemalige Minister in den Kabinetten Simitis und Papandreou war im Dezember 2012 aus der PASOK ausgetreten, als sich diese für eine Koalition mit der konservativen Nea Dimokratia ohne die Übernahme von Ministerpositionen entschied. PASOK-Chef Evangelos Venizelos behält seine beiden Ämter als Außenminister und Vizeregierungschef.
Der Wechsel in für die Bevölkerung eher zweitrangigen Ministerien wie dem Kulturministerium oder mit Sofia Voultepsi auch die erstmalige Ernennung einer Frau ins Amt der Regierungssprecherin wirkt wohl kaum wie die »radikale Veränderung«, die den Wählern nach dem EU-Wahl-Desaster versprochen worden war. Von der Opposition wurde die Regierungsumbildung einhellig als Augenwischerei verurteilt. Niemand erwarte, daß die Regierungsumbildung auch nur im geringsten die Politik und die Bindung an die Gläubigermemoranden beeinflussen würde, heißt es in der Stellungnahme der Linkspartei SYRIZA. »Was die Region braucht, sind keine billigen Kabinettsumbildungen sondern eine Regierung, die aufhört, den Verwalter der Interessen der Gläubiger zu geben«, lautet ihre Schlußfolgerung.
»Das Ziel auch der neuen Regierungsformation wird die Umsetzung alter und neuer volksfeindlicher Maßnahmen sein, die im Rahmen der auf Dauer angelegten Memoranden der EU gefördert werden und strategische Entscheidungen für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Kapitals darstellen«, ließ die Pressestelle der Kommunistischen Partei Griechenlands, KKE, verlauten. »Das Volk hat nunmehr genug Erfahrung, um zu erkennen, daß die Personen ausgetauscht werden, damit dieselbe volksfeindliche Politik erfolgreicher umgesetzt werden kann.«
Der Journalist und Chef der neugegründeten Partei »To Potami« (Der Fluß), Stavros Theodorakis, deutete an, daß die Umbildung nur der erste Schritt für eventuell anstehende vorgezogene Neuwahlen sein könnten. Er bezeichnete das neue Kabinett als »eine Regierung für Wahlkampfauftritte in den Nachrichten und keine für Lösungen«.
** Aus: junge Welt, Mittwoch 11. Juni 2014
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