Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Alter Kurs mit neuem Kabinett

Europawahl zieht Regierungsumbildung in Griechenland nach sich

Von Anke Stefan, Athen *

Nach dem Desaster bei den Europawahlen hat der griechische Regierungschef Antonis Samaras sein Kabinett umgebildet.

Man habe »die Botschaft erhalten«, hatte der griechische Ministerpräsident die Niederlage seiner Regierungspartei bei den Europawahlen kommentiert und umfassende Änderungen angekündigt. Zwei Wochen danach versucht Antonis Samaras, dieses Versprechen mit einer rigorosen Umbildung seines Kabinetts einzulösen.

Dabei wurde die am Pfingstmontag von der neuen Regierungssprecherin Sofia Voultepsi verkündete Regierungszusammensetzung wohl weniger vom Heiligen Geist als vielmehr vom Austarieren von Gewichten innerhalb der Regierungskoalition aus konservativer Nea Dimokratia und sozialdemokratischer PASOK inspiriert. Die bei den EUWahlen von 12 auf 8 Prozent geschrumpfte PASOK behielt vier Ministerien. Vorsitzender Evangelos Venizelos ist darin nach wie vor in der Doppelfunktion als Außenminister und stellvertretender Regierungschef vertreten.

Mit Spannung war vor allem die Besetzung des Finanzministeriums erwartet worden. Denn ohne einen Rückzug des nach der bundesdeutschen Kanzlerin Angela Merkel wohl meistgehassten Menschen in Griechenland, Giannis Stournaras, hätten die Ankündigungen des Ministerpräsidenten über umfassende Änderungen wohl von Anfang an jede Glaubwürdigkeit verloren. Doch der neue »Zar im Finanzministerium« ist ebenfalls ein Banker und kein Politiker. Gikas Hardouvelis, unter anderem Inhaber eines Doktorgrades in Finanzwissenschaften der Universität Berkeley, dürfte im Ausland vor allem als amtierender Vertreter der griechischen Bankerinnung im Europäischen Bankenverband (EBF- EMAC) sowie aus seiner Amtszeit als stellvertretender Direktor der Europäischen Zentralbank (1994-95) ein Begriff sein. Im Inland hatte der Professor an der Universität von Piräus und Berater des Eurobank-Konzerns bisher als Berater sowohl in der zweiten Amtsperiode von Kostas Simitis (2000 – 2004) als auch unter dem eingesetzten Premier Lucas Papademos (November 2011 – Mai 2012) hinter den Kulissen Fäden gezogen. Radikale Änderungen in der ohnehin von der Gläubigertroika festgelegten Finanzpolitik sind vom neuen Finanzminister nicht zu erwarten. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger tritt Hardouvelis allerdings für eine Senkung der Unternehmensteuern ein.

Der bisherige Finanzminister Giannis Stournaras wird aller Voraussicht nach den in Kürze neu zu besetzenden Posten des Vorsitzenden der Griechischen Zentralbank übernehmen.

Im Gesundheitsministerium wurde mit Adonis Georgiadis ein zweiter Minister ausgetauscht, der sich durch die rigorose Umsetzung des Griechenland verordneten Sparprogramms unbeliebt gemacht hat. Bei seinem Nachfolger Makis Voridis handelt es sich wie bei Georgiadis selbst um einen in die Nea Dimokratia übergetretenen ehemaligen Abgeordneten der rechtspopulistischen LAOS-Partei.

Andere Schlüsselministerien bei der Umsetzung der mit den Gläubigern ausgehandelten Memoranden bleiben unverändert. So werden die für die Entlassung Zehntausender Staatsbediensteter zuständigen Ministerien für Verwaltungsreformen und für Arbeit nach wie vor von Kyriakos Mitsotakis und Giannis Vroutsis geleitet. Auch das in die Privatisierung von Staatsbetrieben involvierte Ministerium für Infrastruktur, Transport und Netzwerke verbleibt in den Händen von Michalis Chrysochoidis, während das ebenfalls wichtige Ministerium für Wirtschaftswachstum in Zukunft vom ehemaligen Minister für Öffentliche Ordnung und Bürgerschutz, Nikos Dendias, geleitet wird.

»Niemand glaubt, dass die jetzige Regierungsumbildung auch nur im Geringsten die von der Regierung Samaras umgesetzte Politik und ihre Verpflichtungen aus den Memoranden beeinflussen wird«, kommentierte die größte Oppositionspartei SYRIZA das neue Kabinett.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch 11. Juni 2014


Stühlerücken in Griechenland

Ministerpräsident Samaras bildet Regierung um. Alte Politik mit neuen Namen

Von Heike Schrader, Athen **


Zwei Wochen nach der Wahlniederlage der beiden griechischen Regierungsparteien PASOK und Nea Dimokratia bei den EU-Wahlen wurde in Athen am Pfingstmontag ein neues Kabinett vorgestellt. Doch trotz der Neubesetzung von insgesamt 17 Minister- und Staatssekretärsposten ist keine Änderung der Politik zu erwarten. So wird das Ministerium für Finanzen auch in Zukunft von einem Banker und »Technokraten« geführt werden. Diesen essentiellen Posten übernimmt der derzeitige griechische Vertreter im Europäischen Bankenverband EBF-EMAC, Gikas Hardouvelis, von Giannis Stournaras, der voraussichtlich mit dem Amt als Vorsitzender der Griechischen Zentralbank entschädigt werden wird.

Von den griechischen Massenmedien wurden diese Neubesetzungen als »rigorose Kabinettsumbildung« gefeiert. Tatsächlich sind sie ein eher verzweifelter denn erfolgversprechender Versuch, sich den Anschein einer Abkehr von der rigorosen Kürzungspolitik zu geben. Hardouvelis wurde denn auch in den ersten Kommentaren vor allem als Verfechter von Steuersenkungen angepriesen – für die Unternehmer wohlgemerkt, die Lohnabhängigen werden von dem hochrangigen Vertreter des griechischen Finanzkapitals ebensowenig zu erwarten haben wie von seinem Vorgänger. Andere wichtige Ministerien, darunter das Arbeitsministerium und das Ministerium für Verwaltungsreformen blieben dagegen personell unverändert.

Auch der Parteienproporz blieb unangetastet. Die sozialdemokratische PASOK behält vier Ministerien, wobei das Bildungsministerium an Andreas Loverdos ging, Mitbegründer des ­PASOK-dominierten EU-Wahlbündnisses Elia (Olive). Der ehemalige Minister in den Kabinetten Simitis und Papandreou war im Dezember 2012 aus der PASOK ausgetreten, als sich diese für eine Koalition mit der konservativen Nea Dimokratia ohne die Übernahme von Ministerpositionen entschied. ­PASOK-Chef Evangelos Venizelos behält seine beiden Ämter als Außenminister und Vizeregierungschef.

Der Wechsel in für die Bevölkerung eher zweitrangigen Ministerien wie dem Kulturministerium oder mit Sofia Voultepsi auch die erstmalige Ernennung einer Frau ins Amt der Regierungssprecherin wirkt wohl kaum wie die »radikale Veränderung«, die den Wählern nach dem EU-Wahl-Desaster versprochen worden war. Von der Opposition wurde die Regierungsumbildung einhellig als Augenwischerei verurteilt. Niemand erwarte, daß die Regierungsumbildung auch nur im geringsten die Politik und die Bindung an die Gläubigermemoranden beeinflussen würde, heißt es in der Stellungnahme der Linkspartei SYRIZA. »Was die Region braucht, sind keine billigen Kabinettsumbildungen sondern eine Regierung, die aufhört, den Verwalter der Interessen der Gläubiger zu geben«, lautet ihre Schlußfolgerung.

»Das Ziel auch der neuen Regierungsformation wird die Umsetzung alter und neuer volksfeindlicher Maßnahmen sein, die im Rahmen der auf Dauer angelegten Memoranden der EU gefördert werden und strategische Entscheidungen für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Kapitals darstellen«, ließ die Pressestelle der Kommunistischen Partei Griechenlands, KKE, verlauten. »Das Volk hat nunmehr genug Erfahrung, um zu erkennen, daß die Personen ausgetauscht werden, damit dieselbe volksfeindliche Politik erfolgreicher umgesetzt werden kann.«

Der Journalist und Chef der neugegründeten Partei »To Potami« (Der Fluß), Stavros Theodorakis, deutete an, daß die Umbildung nur der erste Schritt für eventuell anstehende vorgezogene Neuwahlen sein könnten. Er bezeichnete das neue Kabinett als »eine Regierung für Wahlkampfauftritte in den Nachrichten und keine für Lösungen«.

** Aus: junge Welt, Mittwoch 11. Juni 2014


Zurück zur Griechenland-Seite

Zur Griechenland-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage