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Kampf der Troika

Generalstreik gegen Kürzungspolitik von EU, IWF und EZB in Griechenland. Samaras sieht Erfolgsgeschichte

Von Heike Schrader, Athen *

Zwei Tage vor dem Besuch von Angela Merkel in Athen hat ein neuerlicher Generalstreik Griechenland am Mittwoch weitgehend lahmgelegt. Aufgerufen hatten dazu die Gewerkschaftsdachverbände der privaten Wirtschaft, GSEE, und des öffentlichen Dienstes, ADEDY. Alle Branchengewerkschaften im öffentlichen Dienst sowie viele bedeutende Beschäftigenvertretungen des privaten Sektors gingen in den Ausstand. Landesweit fielen am Mittwoch so sämtliche Fähr- und Zugverbindungen aus, Behörden und Bankfilialen und viele Schulen blieben geschlossen, Krankenhäuser und Apotheken arbeiteten im Notbetrieb. Um über die Streiks berichten zu können, hatten die Mediengewerkschaften ihren Protest vorgezogen und bereits am Dienstag für einen Tag die Arbeit niedergelegt. Deswegen hatte es am Dienstag keinerlei Nachrichtensendungen in Rundfunk und Fernsehen gegeben, bis auf die Berichte weniger Streikbrecher waren auch die Nachrichtenportale im Internet nicht mit Meldungen versorgt worden. Am gestrigen Mittwoch erschienen daher auch keine Tageszeitungen.

Anlaß des Streiks war jedoch nicht der Besuch Merkels, die in Griechenland als eine der Hauptverantwortlichen für die dem Land aufgezwungene Austeritätspolitik gilt. In zwei großen Streikdemonstrationen in der Hauptstadt Athen wehrten sich die Betroffenen vielmehr weiterhin gegen die Vielzahl der in den diversen Gläubigermemoranden festgeschriebenen »Sparmaßnahmen«, die innerhalb von nur vier Jahren zu einer massiven Verschlechterung des Lebensstandards der Bevölkerung geführt hat. »Erfolgsgeschichte mit 1,5 Millionen Arbeitslosen«, höhnte so beispielsweise das Transparent des Betriebsrates der griechischen Arbeitsagentur. Dieser bezieht sich damit auf die vom griechischen Ministerpräsidenten Andonis Samaras immer wieder als solche verkaufte bedingungslose Umsetzung der Forderungen der Gläubigertroika aus EU, IWF und EZB.

Auf der Kundgebung in Athen zählte GSEE-Vorstandsmitglied Alekos Kominis einige der wichtigsten davon auf: die Senkung der Mindestlöhne auf 486 Euro netto und der Mindest­renten auf 368 Euro im Monat, die Aushebelung landesweit geltender Tarifverträge zu Gunsten von erpresserischen Individualabkommen zwischen Unternehmern und Lohnabhängigen, die Zerschlagung des Sozialstaates, die Privatisierung von Staatsaufgaben und der Ausverkauf des öffentlichen Reichtums zum Schleuderpreis. Ziel der Gläubigertroika sei von Anfang an nicht die Rettung des überschuldeten Staates, sondern vielmehr die Einrichtung einer Sonderwirtschaftszone am Rande der EU gewesen, so Kominis.

Auf der Kundgebung der kommunistisch orientierten Gewerkschaftsfront PAME, die kurz zuvor ebenfalls in Athen stattfand, übte deren Sprecher Vassilis Stamoulis jedoch harte Kritik an den Gewerkschaftsdachverbänden. Deren immer noch auf Sozialpartnerschaft und den kapitalistischen Aufschwung glaubende Mehrheit hätte gar kein Interesse an machtvollen Streikkundgebungen, die in der Lage wären, die gegnerische Seite unter Druck zu setzen. Stamoulis wandte sich auch gegen die von der Regierung und sozialdemokratischen Gewerkschaftsorganisationen verbreitete Mär, Griechenland brauche nur auf den Pfad des Wachstums zurückgebracht zu werden, damit es den Menschen im Land wieder besser geht. »Was nützt ein Wachstum, bei dem große Hotels und neue Yachthäfen entstehen, in denen die Beschäftigten noch länger für noch weniger Geld schuften müssen?« fragte der kommunistische Gewerkschafter rhetorisch.

Die Folgen der Troika-Politik erläuterte ein Sprecher des Betriebsrats von Coca Cola in Thessaloniki: Während der Konzern im Land goldene Gewinne einfährt, würden Werke geschlossen und die Waren aus noch billiger produzierenden Ländern importiert. Um Steuern zu sparen habe Coca Cola seinen Hauptsitz gleichzeitig ebenfalls ins Ausland verlegt. Die Branchengewerkschaft in der Getränkeindustrie Griechenlands hat deswegen zum Boykott aller Produkte von Coca Cola aufgerufen, bis das Unternehmen seine Werke im Land wieder öffnet und die entlassenen Mitarbeiter wieder einstellt.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 10. April 2014


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