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Guatemalas Politik ist durch Drogenhandel korrumpiert

Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú über die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen und ihre Aussichten *


Frau Menchú, Sie haben einen anstrengenden Wahlkampf hinter sich, doch wie schon bei den letzten Wahlen zeichnet sich kein Sieg für Sie ab. Sind Sie enttäuscht?

Nein, keinesfalls. Ich bin sehr zufrieden damit, was wir erreicht haben. Das wichtigste Ziel meines Wahlkampfes war wie schon 2007, die Institutionen zu dekolonialisieren und sie endlich für die indigene Bevölkerungsmehrheit der Mayas zu öffnen. Es ist ein historischer Wandel, die Mayas an der Politik zu beteiligen, und dazu haben wir entschieden beigetragen. Im Gegensatz zu früher haben diesmal auch die Medien über uns berichtet und uns einen Platz im Wahlkampfszenario eingeräumt. Wir werden sicherlich auch ein paar Abgeordnetensitze und Bürgermeisterämter gewinnen.

Sie sind nicht nur die einzige indigene Präsidentschaftskandidatin, sondern haben auch fast nur Männer als Konkurrenten. Ist Guatemala bereit für Frauen in Staatsämtern?

Das wäre wünschenswert. Auf kommunaler wie nationaler Ebene kandidieren Frauen meiner Partei Winaq für knapp die Hälfte aller Posten. Es sind Frauen mit politischer Erfahrung und Führungsqualitäten, sie werden unsere Partei in den nächsten Jahren nach vorne bringen. Wo Winaq gewählt wird, kommen mehr Frauen an die Macht. Das ist ein großer Unterschied zu den anderen, stets männlich dominierten Parteien, der sich auch an unserer Basis widerspiegelt.

Ihr Wahlkampf hat sich von dem Ihrer Rivalen fundamental unterschieden. Die pflastern Guatemala schon seit Monaten mit Plakaten und sprechen nur in großen Stadien. Sie laden zu Pressekonferenzen in die eigene Küche. Woher kommen die gigantischen Summen, die in den guatemaltekischen Wahlkampf gesteckt werden?

Es sind ganz klar illegale Gelder aus dem Drogenhandel. Wie Mexiko befindet sich Guatemala im Drogenkorridor zwischen Kolumbien und den USA und wird von den Kartellen beherrscht. Wir als kleines Wahlbündnis können und wollen mit den Millionensummen der anderen nicht mithalten.

Dadurch, dass wir keine Wähler kaufen und sie mit Bussen zur nächsten Wahlurne fahren lassen, ist schwer kalkulierbar, wie viele Stimmen wir tatsächlich erhalten werden. Der Drogenhandel hat das politische System in Guatemala korrumpiert und kommerzialisiert. Wir versuchen dem eine Politik der Würde gegenüberzustellen, auch wenn es uns kaum möglich sein wird, den Wahlsieg zu erringen.

Zum zweiten Mal treten Sie gegen einen mutmaßlichen Verantwortlichen des Genozids an der indigenen Bevölkerung an, den ehemalige General Otto Perez Molina. Wie empfinden Sie das?

Ich habe Angst, dass sich die Geschichte wiederholt. Natürlich nicht in diesem Maße, aber Perez Molina war lange Jahre Militärgeheimdienstchef, und dass er nun der chancenreichste Präsidentschaftskandidat ist, verspricht nichts Gutes für die Zukunft. Im Staatsamt wird er nur schwer kontrollierbar sein. Abgesehen von den Schatten der Vergangenheit, fürchte ich auch, dass sich die wirtschaftliche und soziale Krise in Guatemala unter seiner Präsidentschaft verschärfen wird. Soziale Kämpfe werden definitiv zunehmen.

Werden Sie 2015 erneut als Präsidentschaftskandidatin antreten?

Nein, das schließe ich aus. Ich sehe meine Aufgabe vielmehr darin, geeignete Kandidaten und Kandidatinnen in unseren Reihen auszumachen. Angesichts der politischen Krise in unserem Land halte ich Unbestechlichkeit für ein ausschlaggebendes Kriterium. Außerdem sollten besonders junge Leute gestärkt werden, denn auch durch einen Generationenwechsel kann Machtkonzentration vermieden werden. Auch darin unterscheiden wir uns von den herkömmlichen Parteien Guatemalas: In unserer Basis haben wir viele junge Menschen, und wir beteiligen sie aktiv an unseren Strukturen. In einem Land mit einer so jungen Bevölkerung sollte das selbstverständlich sein.

Haben Sie schon Pläne, was Sie nach Ihrer politischen Karriere machen werden?

Mein Leben habe ich den Kämpfen der indigenen Bewegung in Guatemala gewidmet; und das wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Mich erfüllt es mit großer Freude zu wissen, dass wir keine Wahlkampffahnen weißer Rassisten und ihrer Parteien mehr tragen müssen. Zu den nächsten Wahlen werden hoffentlich schon mehrere indigene Kandidaten antreten.

* Aus: Neues Deutschland, 8. September 2011


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