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First Lady aus dem Rennen

Guatemala: Gericht verbietet ehemaliger Präsidentengattin Kandidatur. Ultrarechter Exgeneral haushoher Favorit für Wahlen im September

Von Johannes Schulten *

Knapp einen Monat vor den Wahlen in Guatemala scheint das Rennen um den nächsten Präsidenten schon ausgemacht. Nicht nur, daß der ultrarechte Exgeneral Otto Pérez Molina in allen Umfragen weit vorn liegt. Am Sonntag (7. Aug.) erklärte das Verfassungsgericht auch noch die Kandidatur seiner engsten Verfolgerin, der ehemaligen First Lady Sandra Torres, für ungültig. Torres, die am 11. September für das regierende Mitte-rechts-Bündnis UNE-GANA antreten will, hatte sich im April von Staatschef Álvaro Colom scheiden lassen, um sich eine Kandidatur zu ermöglichen. Die Verfassung des zentralamerikanischen Landes verbietet es den nächsten Verwandten des Präsidenten, zur Wahl des höchsten Amtes des Landes anzutreten. Die Richter werteten die Trennung von Colom als »Wahlbetrug«. Damit bestätigten sie ein Urteil des Obersten Gerichtshofes des Landes, das Sandra Torres bereits Ende Juli die Kandidatur untersagt hatte. Sie hatte den Spruch als »politisch motiviert« verurteilt und war vor das Verfassungsgericht gezogen.

»Die Entscheidung ist endgültig«, stellte der Vorsitzende Richter, Alejandro Maldonade, am Sonntag (7. Aug.) fest. Es gebe keine Möglichkeit mehr, in Guatemala dagegen vorzugehen.

Nach den Anfang des Monats in der Tageszeitung Prensa Libre veröffentlichten letzten Umfragen führt Pérez Molina mit 37,6 Prozent, Torres wäre auf 17,2 Prozent gekommen. Ohne deren Kandidatur kam Molina demnach sogar mit 41,2 Prozent. Schärfster Verfolger ist nun der Unternehmer und ehemalige Abgeordnete Manuel Baldizión, der für die liberale LDR antritt. Er kommt jedoch lediglich auf 13,6 Prozent. Wie schon in den vergangenen Jahren ist die Linke auch bei diesen Wahlen praktisch chancenlos. Für das Parteienbündnis Frente Amplio (Breite Front), das mit der Friedensnobelpreisträgerin und indigenen Aktivistin Rigoberta Menchú antritt, werden nicht mehr als 2,8 Prozent prognostiziert.

Der sichere Sieger Pérez Molina umriß am Wochenende schon einmal den von ihm zu erwartenden wirtschaftspolitischen Kurs. »Wir werden uns zur Welt öffnen wie nie zuvor«, versprach er nach einem Treffen mit dem mexikanischen Multimilliardär Carlos Slim in Mexiko-Stadt. Besonders Privatfirmen sollen nach den Vorstellungen des Exgenerals zukünftig eine wichtige Rolle in der Wirtschaft spielen. Der Telekommunikationsunternehmer Slim, laut Forbes-Magazin aktuell der reichste Mann der Welt, kündigte ein stärkeres Engagement in Guatemala an. Investitionen werben will Pérez Molina vor allem mit der »Rechtssicherheit für ausländisches Kapital«.

Während es mit der Rechtssicherheit für Investoren tatsächlich keine Probleme geben dürfte, ist die Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen des Exmilitärs Pérez Molina nicht zu erwarten. Denn dem langjährigen General wird selbst die Verantwortung für zahlreiche Morde während des blutigen Bürgerkriegs zwischen 1960 und 1996 vorgeworfen. Eine Fortsetzung des seit einigen Monaten laufenden gerichtlichen Aufarbeitungsprozesses dieser Zeit wird es mit ihm nicht geben.

Zum ersten Mal stehen in Guatemala Militärs wegen Kriegsverbrechen vor Gericht. Anfang August waren vier ehemalige Soldaten zu 6060 Jahren Haft verurteilt worden. Sie sollen im Jahr 1982 unter der Terrorherrschaft von General Rios Montt (1982 bis 1983) gemeinsam mit ihrer Einheit mindestens 202 Menschen in einem Dorf ermordet haben.Und auch weitere Verfahren sind geplant. Ende Juli wurde der ehemalige Stabschef Pedro García Arredondo verhaftet. Er soll für den Tod von 32 Menschen während der Erstürmung der von indigenen Guerilleros besetzten spanischen Botschaft im Jahre 1980 verantwortlich sein. Festgenommen wurde er während einer Wahlkampfveranstaltung von Pérez Molina.

* Aus: junge Welt, 10. August 2011


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