Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Kampf um sauberes Wasser

nd-Solidaritätsaktion: Goldabbau in Guatemala verseucht das lebensnotwendige Nass

Von Willi Volks, INKOTA *

Beim Goldabbau im guatemaltekischen Hochland kommt nicht nur die Natur unter die Räder. Auch die Menschenrechte der armen, vorwiegend indigenen Bevölkerung werden verletzt.

Ich treffe mich mit Valerio de León und Elfido Mendez. Beide kommen aus dem kleinen Ort San Miguel Ixtahuacán unweit der Goldmine »Marlin« und sind Umweltpromotoren, ausgebildet von unserer Projektpartnerorganisation COPAE (Kommission für Frieden und Ökologie). Valerio erklärt mir, worin eine ihrer wichtigsten Aufgaben besteht: »Wir kontrollieren die Wasserqualität im Umfeld der Goldmine und sind konkret verantwortlich für drei Messpunkte, die sich an den Flüssen Tzalá und Quivichil unterhalb des Goldbergwerks befinden.«

Wir machen uns auf den Weg zu einem dieser Messpunkte und Valerio, ein Mann von reichlich 50 Jahren, erzählt mir nicht ohne Stolz: »Ich wurde vor fast fünf Jahren als einer der ersten von COPAE als Promotor ausgebildet und bin der einzige, der an allen vier Berichten der Organisation zur Wasserqualität im Umfeld der Mine beteiligt war.« Das kann Elfidio nicht von sich behaupten, er ist ungefähr 20 Jahre alt und wurde erst im letzten Jahr von Valerio gewonnen, gemeinsam mit ihm die Daten zu erheben.

Inzwischen sind wir bei dem Messpunkt angekommen. Valerio und Elfidio holen Messgeräte und Plastikflaschen aus ihren Rucksäcken, entnehmen damit an verschiedenen Stellen Wasserproben und -daten und tragen diese mit großer Sorgfalt in Auswertungsbögen ein und beschriften die Flaschen. Regelmäßig, so erfahre ich von den beiden, entnehmen die COPAE-PromotorInnen Wasserproben an insgesamt sechs Messstellen, die sich sowohl oberhalb als auch unterhalb der Mine befinden. Durch den Vergleich kann ermittelt werden, ob und in welchem Ausmaß die Wasserqualität durch die Arbeit des Bergwerkes beeinflusst wird. »Wir haben über die Jahre hinweg ganz eindeutige Belege dafür, dass durch die Mine in erheblichem Ausmaß das Wasser kontaminiert wird«, erklärt Valerio und fährt fort »So wurden zum Teil weit überhöhte Werte von Kupfer, Aluminium, Arsen und Magnesium festgestellt, die unter anderem schwere Nieren- und Leberkrankungen sowie Schädigungen des Gehirns und des Nervensystems hervorrufen können.«

Anfang 2011 hat Goldcorp, die kanadische Betreiberfirma der Mine, damit begonnen, das Wasser des riesigen Auffangbeckens, das beim Auswaschen des Goldes entstanden ist, sukzessive abzulassen. Seitdem sind die Metallkonzentrationen im Wasser und damit die gesundheitlichen Gefährdungen der Menschen im Umfeld der Mine weiter angestiegen. Außerdem wurden erstmals auch in Trinkwasserbrunnen erhöhte Werte dieser Metalle gemessen und bei unabhängigen Untersuchungen durch die Universität Michigan wurden Spuren toxischer Metalle in Blut- und Urinproben von Menschen aus dem Umfeld des Goldbergbaus gefunden.

Und wie reagieren Goldcorp und die Politik auf diese traurigen Erkenntnisse? Goldcorp veröffentlichte einzelne Wassertests, die in Ordnung waren und finanzierte ein Gutachten des guatemaltekischen Umweltministeriums, das »seltsamerweise« zu denselben Ergebnissen kommt.

Doch Valerio de León weiß es besser: »Nur unsere Werte sind wissenschaftlich haltbar. Das wurde uns kürzlich erst von der Norwegischen Universität für Lebenswissenschaften bestätigt. Unsere Daten haben ganz wesentlich dazu beigetragen, dass die Interamerikanische Menschenrechtskommission bereits im Mai 2010 entschieden hat, dass die Goldmine Marlin ihre Produktion einzustellen hat. Und wir müssen dafür kämpfen, dass die guatemaltekische Regierung diesen Gerichtsbeschluss endlich umsetzt.«

Dann verabschiedet er sich von mir und setzt gemeinsam mit Elfido Mendez seinen Weg zum nächsten Messpunkt fort.

* Aus: neues deutschland, 3. Januar 2011


»Die Erde ist nicht käuflich«

Der indigene Intellektuelle Amilcar Pop über die Situation der Ureinwohner in Guatemala **

Amilcar Pop ist einer der bekanntesten indigenen Rechtsanwälte und Intellektuellen Guatemalas. Vor fünf Jahren war er Mitbegründer der indigenen Partei Winaq - an der Seite von Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú. Der politische Erfolg blieb bisher aus. Zur indigenen Perspektive in Guatemala befragte ihn für »nd« Kathrin Zeiske.


nd: Herr Pop, wie sieht Ihr Kampf für indigene Rechte aus?

Pop: Meine Welt sind die Gesetze, ich kämpfe an den Gerichtshöfen. Mit 24 Jahren habe ich die Vereinigung der Maya-Anwälte und Notare Guatemalas gegründet. Als ich 26 Jahre alt war, gründeten wir die Indigene Rechtsfakultät an der Universität San Carlos, mit Bachelor- und Masterstudiengängen. Mein Traum ist es, dass mindestens die Hälfte aller Rechtsanwälte und Richter in Guatemala Indigene wären.

Welche indigenen Fragen werden vor Gericht vertreten?

Mein Großvater sagte immer, Anwälte sind die schlimmsten Feinde der Indigenen, deshalb sind in unserer Familie fünf Brüder Anwälte geworden. Denn der Kampf um Land wird letztendlich vor Gericht ausgefochten. Es ist ein überlebenswichtiger Kampf für die indigenen Gemeinden. Heute verabschieden sich die indigenen Bauern von ihrer Kosmovision eines Lebens mit und von der Erde und verkaufen ihr Land an die Palmölkonzerne. Doch auch Landkauf ist Diebstahl, denn welchen Wert hat das Geld schon im Vergleich zu Land? Es hält nicht lange vor. Wer sein Land verkauft, zieht das Los der generationenübergreifenden Armut als Binnenmigranten in den Städten.

Neben neu angelegten Palmölplantagen bringt auch die Konzessionierung riesiger offener Tageminen Landraub und Vertreibungen mit sich ...

Guatemala bekommt ein Prozent der Gewinne aus diesem Goldabbau. Die Linke fordert einen höheren Prozentsatz. Wir Indigene sagen schlichtweg, die Erde ist nicht käuflich, die Natur wird unwiderruflich zerstört. Manche sagen, wir sitzen auf dem Gold, es muss abgebaut werden, um uns Wohlstand zu bringen. Aber was ist Wohlstand, was ist Reichtum? Das ist eine Definitionssache. Seit 500 Jahren versuchen sie uns zu erklären, dass Wohlstand in Geld aufgewogen werden kann. Wir glauben immer noch nicht daran. Es ist letztendlich eine Rechnung, die nicht aufgeht. Besonders was die Bewahrung der Natur statt Ressourcenausbeutung angeht, sind linke und indigene Positionen in Guatemala sehr verschieden.

Sie waren 2011 jedoch Teil eines links-indigenen Wahlbündnisses. Konnten die internen ideologischen Konflikte beigelegt werden?

Uns fehlt noch einiges an Diskussionen und Auseinandersetzungen. Ich sehe mich in erster Linie als Indigener, als Maya. Ich stimme aber mit vielen Zielen der Linken überein und trage gewisse Kämpfe mit. Ich gelte jedoch als rebellisch, denn ich achte keine alten Guerillahierarchien. Einem ehemaligen Kommandanten bringe ich wegen historischer Taten keine Hochachtung entgegen, sondern nur aufgrund aktueller politischer Qualitäten. Ich denke, es ist wichtig, Machtpositionen nicht zu reproduzieren. In diesem Bündnis habe ich deshalb sehr um eine klare indigene Vormachtstellung gekämpft. Denn wir sind immer die Lastenträger der anderen, wir haben buchstäblich das mecapal, das Stirnband zum Tragen schwerer Lasten an. Das war so unter spanischer Kolonialherrschaft, das war aber auch so in der Guerilla, wo wir immer in erster Reihe die Kugeln abbekamen. In diesem Bündnis sollte das nicht passieren, hier sollten alle gemeinsam tragen.

Indigene Positionen werden oft als folkloristisch und tradiert betrachtet. Was haben die Indigenen der Linken voraus?

Das kulturelle Erbe der Indigenen ist nicht mit der geschaffenen Kultur kommerzieller Gesellschaften zu vergleichen. Die multikulturellen Gesellschaften, in denen die teilhaben dürfen, die zum neoliberalen Markt beitragen, sind nicht unsere Vision. Wer nichts hat, bekommt den Rest, und der wird immer weniger. Bildung, Gesundheit und Sicherheit sind für die meisten Menschen zu unerschwinglichen Gütern geworden. Alle Werte, die allgemein zugänglich sein sollten, beugen sich der Marktlogik. Die Ideologie des Wettbewerbs und die dadurch bedingte Vereinzelung innerhalb der modernen Gesellschaft ist keine zukunftsträchtige Idee. In meiner Sprache gibt es kein Wort für »ich«. Wir zeigen der jüngeren Generation, dass wir Teil der ganzen Menschheit sind.

Damit liegen Sie doch gar nicht so weit von linken Konzepten. Warum braucht es dann eine eigene indigene Partei?

Niemand hat uns Indigene je gefragt, was für einen Staat wir wollen. Der Staat muss gleiche Bedingungen für unterschiedliche Staatsbürger schaffen können, damit diese ihre Diversität auf den unterschiedlichsten Ebenen leben können. Ein partizipativer pluralistischer, nicht ein homogener Staat ist das Ziel, für Alte wie für Jugendliche; sexuelle Vielfalt muss genauso wie ethnische Diversität vertreten sein. Letztere soll dabei nicht den Staat beeinflussen, wir wollen schließlich keine Folklore. Es geht nicht darum, Trachten zu tragen, ob ich diesen Hut anziehen darf, weil er meine indigene Identität darstellt. Der Staat soll Diversität garantieren.

Spielt der weltweite Kampf der indigenen Völker eine existenzielle Rolle für den Prozess in Guatemala?

Ja, vor allen Dingen hat die 1996 in Guatemala vom Parlament verabschiedete ILO-Konvention 169 über Indigene Rechte einen politischen und juristischen Fortschritt gebracht, den niemand mehr zurückdrehen kann. Die große nationale Identitätsdebatte, wie sie es in Mexiko und Südamerika gab, hat in Guatemala allerdings immer noch nicht stattgefunden. Alles, an dem diese Gesellschaft krankt, Machismus, Rassismus, gilt weiter als Normalzustand und wird nicht angesichts der kolonialen Vergangenheit überprüft. Wir müssen als Bewegung unsere Basis in den Dörfern und Landkreisen erweitern. Das wird für die nächsten Jahre unsere Aufgabe sein, in einem Staat, der längst den Bankrott vor dem Drogenhandel erklärt hat und seine Wirtschaft auf ihm aufbaut.

** Aus: neues deutschland, 3. Januar 2011


Zurück zur Guatemala-Seite

Zurück zur Homepage