Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Guinea-Bissau erhält nach langem Anlauf neuen Präsidenten

Nach einem Putsch und drei Wahlverschiebungen bleibt das Militär das größte Sicherheitsrisiko

Von Markus Schönherr, Kapstadt *

Seit einem Putsch 2012 ist Guinea-Bissau ohne legitime Regierung. Am Sonntag ist es so weit: Ein neuer Präsident wird gewählt.

Es wird der erste Urnengang, seit das Militär Guinea-Bissaus im April 2012 die Regierung stürzte und ein Übergangsrat die Geschäfte in der Hauptstadt Bissau übernahm. Entsprechend hoch sind die Erwartungen. Laut UNO macht das krisengebeutelte Land mit der Wahl »einen entscheidenden Schritt zur Rechtsstaatlichkeit.«

Die Geschichte des westafrikanischen Landes, etwa so groß wie Belgien, ist gezeichnet von politischen Unruhen und der Willkür der Sicherheitskräfte. Viermal seit der Unabhängigkeitserklärung 1974 stürzten sie die Regierung. Der letzte ordentlich gewählte Präsident, Malam Bacai Sanha, starb im Januar 2012. Zwischen dem ersten und dem zweiten Wahlgang für seinen Nachfolger riss das Militär erneut die Macht an sich.

Die Entwicklungshilfegeber senkten ihre Spendierlaune gegen null, was die armutsgeplagte Nation von 1,6 Millionen Einwohnern hart traf. Zwar hatte die Übergangsregierung versprochen, innerhalb eines Jahrs Wahlen abzuhalten, doch die wurden bisher dreimal verschoben – vor allem aus Geldmangel. Zuletzt sprang die westafrikanische Staatengemeinschaft ECOWAS ein und stellte 13 Millionen US-Dollar, Fahrzeuge und Material zur Wählerregistrierung zur Verfügung. Die EU unterstützt die Wahlen durch das UN-Entwicklungsprogramm mit zwei Millionen Euro.

Die ECOWAS hatte bei ihrem Gipfeltreffen Ende März mit »weitreichenden Konsequenzen« für alle gedroht, die den demokratischen Prozess aufhalten wollten. Auch die UNO bekräftigte ihre Missstimmung: Der verspätete Wahlprozess habe »negative Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Wirtschaft des Landes, ebenso wie auf die fragile Sicherheit und die Menschenrechte«. Deshalb sei der Sicherheitsrat gegebenenfalls bereit, »gezielte Sanktionen« gegen Politiker und Militärs zu verhängen. In der Vorwahlzeit kam es zwar vereinzelt zu Gewalttaten, nach Angaben von Beobachtern deutet aber nichts auf eine neuerliche Verschiebung des Urnengangs hin.

Übergangspräsident Manuel Serifo Nhamadjo tritt nicht an. Insgesamt gehen 13 Kandidaten ins Rennen, die größten Chancen werden José Mário Vaz eingeräumt. Er ist als ehemaliger Finanzminister nicht nur ein bekanntes Gesicht, Vaz vertritt als Kandidat auch die ehemalige Befreiungsbewegung, die Afrikanische Partei für die Unabhängigkeit Guineas und der Kapverdischen Inseln (PAIGC). »Wir werden die Parlaments- und die Präsidentschaftswahlen gewinnen«, verkündet Jomav, wie er auch kurz genannt wird, siegesgewiss.

»Die Bevölkerung sehnt sich nach Fortschritt und Stabilität. Darauf baut die Partei«, schrieb das katholische Magazin »SouthWorld«. Eine ernst zu nehmende Opposition stelle nur die Partei für Sozialen Fortschritt (PRS) dar, die in der Vergangenheit ebenfalls eine Regierung stellte.

Wie immer die Wahlen ausgehen, das südafrikanische Institut für Sicherheitsstudien (ISS) sieht darin nur den ersten Schritt eines langen Friedensprozesses. Denn »vorschnelle Wahlen nach einem Konflikt drohen im Rennen um eine Regierung tiefe politische und sozioökonomische Mängel zu überdecken«. Nach den Wahlen würden oft alle Bemühungen fallen gelassen, demokratische Institutionen oder Abläufe herzustellen.

In Guinea-Bissau versucht ein Friedensbüro der Vereinten Nationen (UNIOBIS), der neuen Regierung unter die Arme zu greifen. Doch das größte Sicherheitsrisiko bleibt das Militär. Alle Putschisten kamen bisher aus den Sicherheitskräften, die Politik und Wirtschaft kontrollieren. Zudem sorgten hohe Offiziere für Schlagzeilen, weil sie Guinea-Bissau zum Umschlagplatz für Drogen aus Südamerika nach Europa machten. Vor genau einem Jahr verhafteten US-Sicherheitskräfte Guinea-Bissaus ehemaligen Marinegeneral José Américo Bubo Na Tchuto, der auf hoher See Kokain schmuggelte.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 12. April 2014


Zur Guinea-Bissau-Seite

Zurück zur Homepage