Erneut Putsch in Westafrika
Armee verhaftet Präsident und Regierungschef von Guinea-Bissau *
Im westafrikanischen Guinea-Bissau haben Militärs den amtierenden Präsidenten und den Regierungschef festgenommen. Gut zwei Wochen vor der geplanten Stichwahl um das Präsidentenamt, bei der ein Sieg von Regierungschef Carlos Gomes Junior zu erwarten war, übernahmen die Putschisten ab Donnerstag abend die Kontrolle über das öffentliche Leben. Sie begründeten dies damit, daß mit Angola ein »geheimes« Militärabkommen abgeschlossen worden sei. Die regionale Staatengemeinschaft ECOWAS und die Afrikanische Union verurteilten das Vorgehen der Armee.
Die Lage in dem kleinen Land an der Westküste Afrikas, das zu den ärmsten der Welt gehört, war am Freitag unübersichtlich. Gomes sei mit einem Militärtransporter in »unbekannte Richtung« aus seiner Residenz abtransportiert worden, sagte seine Frau. Auch Interimspräsident Raimundo Pereira wurde auf ähnliche Weise verschleppt, wie ein Mitglied seiner Leibwache berichtete. Dessen ungeachtet erklärte das Militär am Freitag, es habe »nicht die Absicht, die Macht zu übernehmen«.
Das Vorgehen richte sich gegen eine ausländische Aggression. In dem Land sind seit einem Jahr im Rahmen eines bilateralen Militärabkommens 200 angolanische Soldaten stationiert. »Das Streitkräftekommando will nicht die Macht, aber es ist zum Handeln gezwungen, sich gegen Manöver der Regierung Guinea-Bissaus zu verteidigen, die darauf zielt, die Streitkräfte unter Anwendung militärischer Gewalt zu beseitigen«, hieß es in dem von einem Offizier verlesenen Kommuniqué. Die Regierung habe in einem Geheimdokument Angola beauftragt, die eigenen Streitkräfte anzugreifen.
Für den 29. April ist eine Stichwahl um die Präsidentschaft geplant. Der als Favorit geltende Ministerpräsident Carlos Gomes Junior sollte dabei gegen den ehemaligen Präsidenten Kumba Yala antreten. Yala hatte kürzlich verkündet, er werde die Wahl boykottieren. Die vorgezogene Abstimmung war nach dem Tod von Präsident Malam Macai Sanha im Januar notwendig geworden. Nach der ersten Runde hatte es Betrugsvorwürfe gegeben. Yala und vier weitere Präsidentschaftsbewerber veröffentlichten eine Erklärung, in der sie Unregelmäßigkeiten anprangerten und eine Annullierung der Abstimmung forderten.
Seit der Unabhängigkeit von Portugal im Jahr 1974 hat es in Guinea-Bissau bereits mehrere Staatsstreiche gegeben.
* Aus: junge Welt, Samstag, 14. April 2012
Militärputsch in Guinea-Bissau
Machtsituation und Verbleib des Regierungschefs unklar **
Nach dem Umsturz in Mali greifen
zum zweiten Mal binnen weniger Wochen
in einem westafrikanischen
Staat Militärs nach der Macht: dieses
Mal in Guinea-Bissau.
In Guinea-Bissau feuerten Soldaten nach
Angaben örtlicher Medien am
Donnerstagabend (Ortszeit) Granaten
auf das Haus von Ministerpräsident
Carlos Domingos Gomes
Júnior ab. Auf den Straßen der
Hauptstadt Bissau habe es zudem
heftige Schießereien gegeben. Am
Freitag war die Lage in Bissau zunächst
zwar ruhig, die Machtsituation
aber unklar.
Sprecher der Regierungspartei
PAIGC versicherten dem portugiesischen
Radiosender TSF zwar,
Gomes Júnior sei wohlauf und »an
einem sicheren Ort«. Doch die
Ehefrau des Ministerpräsidenten,
Salomé Gomes, sagte Reportern am
Freitag, ihr Mann sei von aufständischen
Militärs festgenommen
und auf der Ladefläche eines Pickup
an einen unbekannten Ort verschleppt
worden. Auch der Interimspräsident
Raimundo Pereira
wurde von Soldaten festgenommen,
wie einheimische Journalisten
berichteten.
Die Unruhen in Bissau ereigneten
sich gut zwei Wochen vor den
für den 29. April angesetzten Präsidenten-
Stichwahlen. Ministerpräsident
Gomes Júnior hatte im
März die erste Runde klar gewonnen
und galt als Favorit auf die
Nachfolge des im Januar gestorbenen
Staatschefs Malam Bacai Sanha.
Gomes Júniors Rivale Kumba
Yala hatte jedoch angekündigt,
die Stichwahlen wegen Unregelmäßigkeiten
boykottieren zu
wollen. »Es wird keinen Wahlkampf
geben, das garantiere
ich«, hatte er erst am Donnerstag
kurz vor dem Militärcoup
erklärt. Yala soll enge Beziehungen
zum Militär unterhalten
und wurde schon in vergangenen
Jahren für Putschversuche
verantwortlich gemacht.
Die Regierung der früheren
Kolonialmacht Portugal rief in
Lissabon »vehement zur Beendigung
aller Gewaltakte und
zur Achtung des Gesetzes« in
Bissau auf. Angolas Außenminister
Georges Chicoti räumte am Freitag
ein: »Die Lage in Bissau ist nicht
gerade die Beste, wir wissen nicht,
was sich da zur Zeit abspielt.« Der
Ministerrat der Gemeinschaft Portugiesischsprachiger
Länder (CPLP) berief für diesen Sonnabend
in Lissabon ein Krisentreffen ein.
Bei den Unruhen in Bissau hatten
Soldaten laut Medien die wichtigsten
Fernseh- und Radiosender
des Landes geschlossen.
** Aus: neues deutschland, Samstag, 14. April 2012
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