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"Willkommen, Obama junior"

Guineas Putschpräsident Hauptmann Camara lässt sich feiern

Von Marc Engelhardt, Nairobi *

Die neue Militärregierung in Guinea wirbt um Unterstützung für ihr Putschisten-Regime. Sie wiederholte die Ankündigung von Wahlen 2010.

Tausende säumten die Straßen, als der Leichnam von Lansana Conté am Freitag (26. Dez.) durch die Straßen von Guineas Hauptstadt Conakry gefahren wurde. Nach einer Aufbahrung im Fußballstadion und einem Gedenken in der größten Moschee der Stadt sollten die sterblichen Überreste des offiziellen Angaben zufolge am Montag gestorbenen Präsidenten in seinem Heimatdorf Lansanaya, 120 Kilometer von Conakry entfernt, beigesetzt werden.

Zu dem Staatsbegräbnis mit allen Ehren haben sich Guineer zum zweiten Mal innerhalb von 48 Stunden auf den Straßen von Conakry versammelt. Erst am Mittwoch (24. Dez.) hatten ebenfalls Tausende dem Militärhauptmann Moussa Dadis Camara zugejubelt, der nach Contés Tod geputscht und sich dann zum neuen Präsidenten ernannt hatte. »Willkommen, Obama junior« war einer der Slogans, mit denen der junge Soldat sich von den Massen feiern ließ. Dass Camara seinem Vorgänger Conté, der das westafrikanische Land fast ein Vierteljahrhundert mit eiserner Hand regiert hat, ein Staatsbegräbnis spendiert, ist vor allem ein Signal, mit dem er die Zustimmung Afrikas und des Westens für die Militärregierung gewinnen möchte. In Interviews kündigte Camara zudem Wahlen für 2010 an und bekräftigte mehrmals, er selbst wolle nicht antreten.

Keinen Zweifel ließ Camara am Freitag (26. Dez.) daran, dass er inzwischen die Macht im Staate innehat. Ein Treffen mit dem bisherigen Premierminister Ahmed Tidiane Souaré, der sich am Donnerstag samt seinem Kabinett ergeben hatte, geriet zum puren Machtbeweis. »Gestern wart ihr an der Macht, heute sind wir dran«, ließ Camara Souaré wissen. »Wir haben euch geholfen, jetzt helft ihr uns.«

Souaré revanchierte sich mit Unterwerfungsgesten. »Wir stehen zu Ihrer vollständigen Verfügung«, erklärte er, und setzte nach: »Wir danken Euch für Eure Weisheit, Herr Präsident.« Der hatte da bereits angeordnet, dass die von Conté eingesetzten Gouverneure durch seine Getreuen ersetzt werden. Zudem scheint es, als hätten Camara und sein »Konsultativrat«, der die politischen Geschicke des Landes leiten soll, einigen Rückhalt im Volk, das nach 24 Jahren despotischer Herrschaft hofft, dass es nur besser werden kann. Zwei Oppositionsparteien, die unter Conté unter anderem mit Hilfe des Militärs brutal unterjocht worden waren, erkannten am Freitag Camara als Regierungschef an und forderten ihn lediglich auf, sein Versprechen auf freie Wahlen einzulösen. Eine oppositionelle Gewerkschaftsführerin gratulierte den Militärs gar zu ihrem Putsch.

Kritische Stimmen kamen aus dem Ausland, von Frankreich, der EU, den USA und der Afrikanischen Union, die einstimmig eine Rückkehr zur zivilen Regierung forderten. Doch auch unter Conté hatte es schon lange keine demokratischen Strukturen mehr gegeben. Der General litt an Diabetes und angeblich auch an Leukämie, die Tagespolitik kontrollierte er schon lange nicht mehr.

Dafür, dass bei Unruhen nach einem Generalstreik im vergangenen Jahr mindestens 180 Menschen ums Leben kamen, wurden damals schon Hardliner innerhalb der Armee verantwortlich gemacht. Dass der junge und unerfahrene Camara selbst der starke Mann innerhalb der Rebellion ist, mag kaum jemand glauben.

* Aus: Neues Deutschland, 27. Dezember 2008


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