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"Diamantenkrieg" in Guinea

Flüchtlinge und andere grenzüberschreitende Probleme am westafrikanischen "Papageienschnabel"

Von Pierre Poulin

Wird Guinea zu einem neuen Schauplatz blutiger Konflikte in Westafrika? Jüngste Vorgänge haben derartigen Befürchtungen Nahrung gegeben.

Seit Anfang Februar haben bewaffnete Auseinandersetzungen in dem als "Papageienschnabel" bekannten Landstrich im Südosten Guineas an der Grenze zu Sierra Leone und Liberia neue Flüchtlingsströme ausgelöst. Das UNO-Hochkommissariat für das Flüchtlingswesen (HCR) schätzte, dass zwischen zwei- und zehntausend Menschen, einheimische Dorfbewohner wie in dieser Gegend lebende Flüchtlinge aus den Nachbarstaaten, erneut auf der Flucht sind, um den blutigen Zusammenstößen bewaffneter "Milizen" untereinander und mit der guineischen Armee zu entgehen. Das HCR hat damit begonnen, Lkws in die Gegend zu schicken, um Flüchtende in neue Auffanglager rund 200 Kilometer nördlich ihrer bisherigen Wohnorte zu transportieren.

In Guinea leben nach UNO-Angaben etwa 330 000 Bürgerkriegsflüchtlinge aus Sierra Leone und 130 000 aus Liberia. Seit September letzten Jahres haben die bewaffneten Auseinandersetzungen in den beiden Nachbarstaaten auch auf Guinea und vor allem die Grenzregion im "Papageienschnabel" übergegriffen. Ende Januar hatten bewaffnete "Rebellengruppen", die über die Grenze gekommen waren, rund zehn Tage lang Stadt Guékédou besetzt. Am 3./4. Februar waren sie von Einheiten der guineischen Armee, unterstützt von lokalen Milizen, wieder verjagt worden. Doch vier Tage später kamen die bewaffneten Banden zurück. Erneute Kampfhandlungen mit der Armee waren die Folge.

Die "Rebellen" sind im Wesentlichen Einheiten der RUF ("Vereinigte Revolutionäre Front"), die unter ihrem Chef Foday Sankoh seit Mai 2000 in Sierra Leone wieder zum "bewaffneten Kampf" gegen die dortige Regierung Kabbah übergegangen sind. Zuvor war der Versuch eines "Friedensprozesses" in Sierra Leone mit Beteiligung der "RUF" an der Regierung und Entwaffnung der bewaffneten "Milizen" gescheitert.

Die RUF wird vom liberianischen Staatspräsidenten Taylor unterstützt. Dieser behauptet, die Regierung Guineas in Conakry unter Staatschef Conté habe 1999 das Vordringen von Rebellen der "ULIMO" aus Guinea in die aufständische liberianische Provinz Kolahun unterstützt. Umgekehrt wirft Conakry der liberianischen Staatsführung die Unterstützung der RUF und deren Überfälle auf das Staatsgebiet Guineas vor. Bei den drei beteiligten westafrikanischen Staatschefs handelt es sich übrigens um Militärmachthaber, die sich im Umgang mit politischen Gegnern als nicht zimperlich erwiesen haben.

Offenbar geht es aber nicht nur um regionale Rivalitäten, persönliche Machtkämpfe und "ethnische Auseinandersetzungen". Ziel des Eindringens bewaffneter Banden aus Sierra Leone und Liberia in Guinea sei "die Übernahme der Kontrolle über die Diamantenvorkommen in den Waldgebieten Guineas". Dies meinte jedenfalls der Direktor des "Nationalen Expertisenbüros", Mamadou Soumalo, das den Diamantenhandel Guineas abwickelt, gegenüber dem französischen "Figaro". "Die Rebellionen in Westafrika sind gerade in Regionen mit großen Edelsteinvorkommen aufgetreten", sagte er. Es genüge, die politischen und die geologischen Karten der Region zu vergleichen um sich davon zu überzeugen. Deshalb sei es kein Zufall, dass die Attacken der über die Grenze gekommenen "Rebellen" gegen die beiden Städte Macenta und Kissidougou gerichtet sind, "zwei Städte in der Nähe bedeutender Lagerstätten".

In der Tat sollen in den von der RUF beherrschten Gebieten von Sierra Leone so reiche Diamantenlager vorhanden sein, dass die Edelsteine mit der Hand aus den Flussbetten geholt werden konnten. RUF-Chef Sankoh finanziert seinen "bewaffneten Kampf" offensichtlich durch den Verkauf dieser Steine. Sein politischer Gönner, Liberias Staatschef Taylor, soll höchstpersönlich als Vermittler und Schutzherr in dieses florierende illegale Geschäft mit Diamanten im Tausch gegen Waffen verwickelt sein. Das Eindringen von RUF-Banden nach Guinea könnte also sehr wohl von den gleichen "edlen" Motiven bestimmt sein.

Insofern weist der "regionale Konflikt" im Grenzgebiet zwischen Guinea, Sierra Leone und Liberia sichtbare Parallelen zu dem auf, was sich in erheblich größerem Maßstab in der Republik Kongo und zwischen den Truppen Angolas, Simbabwes, Ruandas und Burundis auf kongolesischem Territorium abspielt. Sozusagen "natürliche Folgen" einer urtümlichen "Globalisierung" des internationalen Diamanten- und Waffengeschäfts...




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