Guineas Präsident klebt an Macht
Ernennung eines neuen Regierungschefs heizt die Spannungen weiter an
Von Anton Holberg*
Nach der Ernennung eines neuen Regierungschefs sind bei gewaltsamen Auseinandersetzungen in
der westafrikanischen Republik Guinea mindestens 23 Menschen ums Leben gekommen. Am
Freitagabend hatte Präsident Lansana Conté den bisherigen Minister für Präsidentschaftsfragen,
Eugène Camara, zum Premier ernannt.
Als Guineas Präsident Conté am Freitag Camara zum neuen Ministerpräsidenten ernannte, kam er
nur formal gewissermaßen im letzten Augenblick der zentralen Forderung der Gewerkschaften nach.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass er in Wirklichkeit eine blutige Repression vorbereitet, die sein
strauchelndes Regime retten soll.
Die Gewerkschaften hatten am 10. Januar zum dritten Mal innerhalb eines Jahres zum Generalstreik
aufgerufen. Im Zentrum ihrer Forderungen standen eine Reihe ökonomischer Forderungen, vor
allem aber die nach der Ernennung eines Ministerpräsidenten, um die Macht des Staatspräsidenten
zu beschneiden. Der Höhepunkt dieses größten Streiks in der Geschichte des Landes war das
Massaker, dass die »Ordnungskräfte« am 21. Januar in der Hauptstadt Conakry und anderen Orten
des Landes anrichteten. Alleine nach offiziellen Angaben starben dabei 59 Streikende und wurden
mindestens 150 weitere teilweise schwer verletzt.
Kurz darauf kam es zu Verhandlungen zwischen der Gewerkschaftsführung und der Regierung.
Conté – so scheint es wenigstens – akzeptierte die wichtigsten gewerkschaftlichen Forderungen.
Guinea ist eines der potenziell reichsten Länder Afrikas. Es verfügt über eine vergleichsweise große
und konzentrierte Arbeiterklasse im Bergwerkssektor. Dass die Gewerkschaften schon im
antikolonialen Kampf gegen Frankreich eine führende Rolle spielten, kann deshalb nicht
verwundern.
Nach seiner Machtübernahme 1984 hatte sich Lansana Conté verstärkt den USA zugewandt und
auch frühzeitig die von dort gesandten Signale gehört. 1990 erhielt Guinea deshalb eine neue
Verfassung, die den Weg für eine gewählte Regierung freimachen sollte. Seit Anfang dieses
Jahrhunderts allerdings wird die formale Demokratie des Landes vom inzwischen auch schwer
kranken autokratischen Präsidenten, seiner Familie und seinen Vertrauten zunehmend ausgehöhlt.
Noch vor kurzem wurden zwei der bekanntesten Kleptokraten des Landes auf Contés Druck hin und
unter Missachtung jeglicher Unabhängigkeit der Justiz auf freien Fuß gesetzt. Gleichzeitig
verschlechtert sich die wirtschaftliche Lage nach der Durchführung mehrerer neoliberaler
Strukturanpassungsprogramme wieder deutlich.
Heute muss der Großteil der Bevölkerung mit weniger als einem US-Dollar am Tag auskommen..
Die beiden wichtigsten guineischen Gewerkschaftsverbände CNTG und USTG hatten Contés
Versprechen vom 26. Januar, einen Ministerpräsidenten zu ernennen, als Sieg gefeiert und den
Generalstreik beendet.
Mit Eugène Camara hat Conté nun aber einen alten Vertrauten seines bis auf die Knochen korrupten
Regimes ernannt und so selbst deutlich gemacht, dass ein Wandel ohne ein Ende seiner eigenen
Herrschaft nicht zu haben ist.
Wenngleich nicht zu sehen ist, dass die Oppositionsparteien des Landes über Programme
verfügten, die die wirtschaftliche Not der Massen lindern könnten, hat die Absage eines Treffens mit
den Parteien durch die Gewerkschaften am vergangenen Woche deutlich gemacht, dass die
Gewerkschaften schlecht beraten waren, der Empfehlung aus Kreisen des Internationalen Bundes
Freier Gewerkschaften folgend den Parteien deshalb einen Korb zu geben, weil sich diese nicht auf
die Forderung nach einem Premierminister beschränken, sondern – wenn vielleicht auch nur aus
selbstsüchtigen Gründen – Präsident Conté stürzen wollten.
Ohne auf eine Aufforderung durch die Gewerkschaften zu warten, sind in mehreren Städten die
Massen spontan auf die Straße gegangen. Dabei wurden zahlreiche Menschen von der Armee
erschossen. Die Gewerkschaften werden unter diesen Umständen kaum umhinkommen, am
heutigen Montag ihren Generalstreik zu erneuern. Nachdem Conté im Januar bereits eine
Eliteeinheit aus Guinea-Bissau ins Land geholt haben soll, ist jetzt die Rede davon, dass 400
ehemalige Kämpfer der liberianischen Bürgerkriegspartei ULIMO in den Vororten von Conakry
zusammengezogen worden seien.
* Aus: Neues Deutschland, 12. Februar 2007
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