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Sturz in neue Krise

Haiti: Premier Conille trat zurück

Von Hans-Ulrich Dillmann *

Das krisengeschüttelte Haiti kommt nicht zur Ruhe. Nach nur vier Monaten Amtszeit ist am Freitag der Ministerpräsident des Armenhauses Lateinamerikas, Garry Conille, überraschend zurückgetreten.

In einem Schreiben an Staatspräsident Michel Martelly hatte Conille am Freitag (24. Feb.) seinen sofortigen Rücktritt erklärt. Nur wenige Stunden hätte er dem Senat und dem Abgeordnetenhaus seine Ausweispapiere vorlegen sollen, die belegen, dass er Haitianer und nicht gleichzeitig Bürger eines ausländischen Staates ist.

In einer Ansprache am Freitagabend im haitianischen Fernsehen bedauerte Martelly, der selbst erst seit neun Monaten im Amt ist, den Rücktritt seines Kabinettschefs »in einem Moment, in dem das Land Fahrt aufnimmt«. Er versicherte den »Partnern der internationalen Gemeinschaft«, dass die politische Arbeit der Regierung reibungslos weitergehe. Er werde in Absprache mit den Präsidenten der beiden Parlamentskammern einen Ministerpräsidenten nominieren, versprach der frühere Musiker, dem selbst nachgesagt wird, neben der haitianischen auch die US-Staatsbürgerschaft zu besitzen.

Brisant ist der Rücktritt auch deshalb, weil bei der Berufung Conilles, eines Gynäkologen und ehemaligen hohen UN-Funktionärs, dessen Staatsbürgerschaft nicht endgültig geklärt werden konnte und das Parlament die Ernennung des neuen Regierungschefs nach heftigem internationalem Druck schließlich doch akzeptierte. Aber das Parlament ließ nicht locker und untersuchte die mögliche doppelte Staatsbürgerschaft von Regierungsmitgliedern. Der Rücktritt Conilles erfolgte unmittelbar, nachdem 17 der 18 Minister - ein Minister befindet, sich auf einer Auslandsreise - und zehn Staatssekretäre der Forderung des Parlaments nachgekommen waren, entsprechende Unterlagen vorzulegen.

Ob das Volk am Ende siegreich sein wird, wie Ex-Musiker Martelly im Fernsehen den Song »Viktwa pou pèp la« aus seiner Wahlkampagne zitierend versicherte, ist mehr als unsicher, denn die Ernennung Conilles im vergangenen Jahr dauerte schon fast fünf Monate, weil Kandidaten entgegen der Verfassung auch über ausländische Pässe verfügten. Viele der zur politischen Elite gehörenden Haitianer besitzt eine zweite Staatsangehörigkeit, weil sie im Ausland gelebt und studiert haben.

Der Leiter der UN-Friedenstruppen in Haiti, Mariano Fernández, zeigte sich über die Regierungskrise besorgt. Der Streit zwischen Regierung, Parlament und Präsident werde nicht die Bedingungen für den »Wiederaufbau, die Erholung der Wirtschaft und die institutionelle Stärkung der Rechtsstaatlichkeit verbessern«, warnte der Minustah-Chef.

* Aus: neues deutschland, 27. Februar 2012


Haitian premier's resignation sparks concern at UN **

24 February 2012 – The head of the United Nations peacekeeping mission in Haiti (MINUSTAH) today expressed his deep concern following the resignation of Prime Minister Garry Conille, just four months after his appointment.

Mariano Fernández Amunátegui, who is also the Secretary-General's Special Representative in Haiti, stressed in a statement that “the resignation of Mr. Conille shows, unfortunately, that rifts have taken over reconciliation efforts to the detriment of the country, while the Haitian population are aspiring to initiate a new phase that will lead towards reconstruction, economic growth, and strengthening of the rule of law.”

Mr. Fernández Amunátegui praised the contribution of Mr. Conille in the stabilization of the country, and called on Haitian authorities to focus and maintain a harmonious atmosphere that is conducive to the democratic stabilization and economic recovery of the country.

He also urged them to designate a new prime minister as soon as possible to avoid delaying the adoption of elements that form the basis of political stability such as adopting a national budget, developing a consensus agenda, publishing amendments to the constitution and organizing local, municipal and senatorial elections.

Secretary-General Ban Ki-moon also voiced his concern over Mr. Conille's resignation, saying it came at a time when the people of Haiti are eager to embark decisively on the path towards reconstruction, economic growth and the strengthening rule of law institutions.

“The Secretary-General urges the Haitian authorities to act in the interests of the Haitian people and appoint a new prime minister as soon as possible,” said a statement issued by his spokesperson.

Earlier this month, the Security Council called on the Government to implement security and improve the living conditions of thousands of Haitians who remain displaced after the January 2010 earthquake.

MINUSTAH, which has been in place in the country since 2004, is closely working with authorities to achieve progress on reconstruction, job creation and capacity building.

** Source: UN News Centre; www.un.org


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