Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Krise in Honduras beigelegt?

Putschist Micheletti und der rechtmäßige Präsident Zelaya schließen Abkommen / Parlament und Oberstes Gericht sollen entscheiden / Putsch-Regime erhebt Anklage gegen Brasilien

Die Meldungen über die Einigung zwischen dem rechtmäßien Präsidenten von Honduras, Manuel Zelaya, und dem Putsch-Führer Roberto Micheletti sind noch nicht ganz eindeutig. Auf der einen Seite schließen beide ein Abkommen über das weitere Verfahren, auf der anderen Seite bleibt offen, ob eine der Hauptforderungen Zelayas, vor der umstrittenen Wahl Ende November in sein Amt zurückkehren zu können, tatsächtlich erfüllt wird. Im Folgenden informieren wir anhand von Agenturberichten über die jüngsten Entwicklungen in Honduras.



Putsch-Präsident in Honduras willigt in Abkommen ein *

In Honduras gibt es erste konkrete Anzeichen für ein Ende der politischen Krise: Putsch-Präsident Roberto Micheletti willigte in ein Abkommen ein, dass dem gestürzten Präsidenten Manuel Zelaya den Weg zurück an die Macht ebnen könnte, wie die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) mitteilte. Beide hätte eine positive Übereinkunft getroffen, sagte der politische Sekretär der OAS, Victor Rico, am 29. Oktober. Micheletti ließ allerdings in einer Erklärung wissen, das Parlament solle in dieser heiklen Frage auf Basis einer Stellungnahme des Obersten Gerichts entscheiden. US-Außenministerin Hillary Clinton sprach von einem "historischen Abkommen".

Er habe der Vereinbarung zugestimmt, die die poltischen Krise des Landes beenden solle, erklärte Micheletti in der Hauptstadt Tegucigalpa. In der Erklärung Michelettis hieß es, "mit Freude gebe ich bekannt, dass ich vor wenigen Minuten meine Unterhändler zur Unterzeichnung des Abkommens autorisiert habe, das den Anfang vom Ende der politischen Krisenlage des Landes markiert".

Im Umgang mit dem "strittigsten Punkt", der "mögliche" Rückkehr Zelayas ins Präsidentenamt, habe seine Regierung entschieden, einen Vorschlag für ein Parlamentsvotum zu unterstützen, dass eine Wiederherstellung der Exekutive ermöglicht, wie sie vor dem 28. Juni bestand. Vor dem Votum solle das Oberste Gericht seine Ansicht bekunden, hieß es in der Erklärung Michelettis weiter.

Weiterhin werden in der Vereinbarung unter anderem die Bildung einer Regierung der Versöhnung erwähnt und der Wahltermin 29. November bekräftigt. Die internationale Gemeinschaft forderte Micheletti in seiner Erklärung auf, die Sanktionen gegen Honduras aufzuheben und Beobachter zur Wahl zu schicken. An Zelayas Lager appellierte der Interimspräsident, die Vereinbarung mitzutragen.

Micheletti und Zelaya stritten zuletzt insbesondere darum, ob der abgesetzte Präsident vor den Wahlen Ende kommenden Monats wieder eingesetzt werden und bis zur Vereidigung eines Nachfolgers im Amt bleiben soll. Zelayas Lager forderte die Unterzeichnung einer entsprechenden Übereinkunft.

Zelaya sitzt nach wie vor in der brasilianischen Botschaft fest, wo er seit seiner heimlichen Rückkehr ins Land am 21. September ausharrt. Nach dem Gespräch mit Shannon sagte Zelaya, dass die USA weiterhin ihn als Präsidenten von Honduras ansähen und die Wahlen nicht anerkennen würden, sollte er nicht vorher wieder ins Amt eingesetzt werden. Zelaya sagte, er sei optimistisch, dass er wieder als Präsident eingesetzt werde. Micheletti zufolge liegt die Entscheidung darüber beim Obersten Gerichtshof und beim Parlament. Und hier könnte der Haken des Abkommens sein: Das Oberste Gericht hatte sich bisher hinter die Putschisten gestellt.

Honduras steckt seit Monaten in einer politischen Krise. Präsident Zelaya war Ende Juni entmachtet und vom Militär außer Landes gebracht worden. Der ehemalige Parlamentspräsident Micheletti übernahm daraufhin die Macht.

* Nach AFP und AP, 30. Oktober 2009


Honduras bringt Brasilien wegen Hilfe für Zelaya vor Gericht **

Die Putschregierung in Honduras hat Brasilien wegen des seit Wochen in der Botschaft des Landes in Tegucigalpa ausharrenden gestürzten Präsidenten Manuel Zelaya vor den Internationalen Strafgerichtshof zitiert. Die Regierung von Übergangspräsident Roberto Micheletti habe vor dem Gericht in Den Haag die Eröffnung eines Verfahrens gegen Brasilien beantragt, teilte Außenminister Carlos Lopez am 29. Oktober mit.

In dem Verfahren sollten juristische Fragen im Zusammenhang mit dem "Prinzip der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten" erörtert werden. Zelaya war nach seiner Entmachtung Ende Juni am 21. September heimlich nach Honduras zurückgekehrt. Seitdem sitzt er in der brasilianischen Botschaft fest.

In Tegucigalpa bemühte sich derweil ein ranghoher Gesandter der US-Regierung um Vermittlung zwischen den verfeindeten Lagern. Der Lateinamerika-Beauftragte des Außenministeriums, Thomas Shannon, traf in der US-Botschaft Delegationen Michelettis und Zelayas. Anschließend sprach er in der brasilianischen Botschaft auch persönlich mit dem gestürzten Staatschef. Zelaya sagte im Anschluss der Nachrichtenagentur AFP, die USA betrachteten weiterhin ihn als Präsidenten von Honduras.

Die am 29. November geplanten Präsidentschaftswahlen werde Washington nicht anerkennen, wenn er nicht vorher wieder ins Amt eingesetzt werde, sagte Zelaya AFP. Vergangene Woche hatte Zelayas Delegation Gespräche mit der Putschregierung im Streit über seine Wiedereinsetzung abgebrochen.

** Nach AFP, 29. Oktober 2009


Putschistenlogik

Von André Scheer ***

Absurdes Theater in Tegucigalpa. Das Putschistenregime in Honduras versucht allen Ernstes, Brasilien wegen der »Einmischung in die inneren Angelegenheiten« des Landes vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag zu verklagen. Mit der Aufnahme des vor vier Monaten gestürzten Präsidenten des Landes, Manuel Zelaya, der sich seit dem 21. September in der brasilianischen Botschaft in Tegucigalpa aufhält, habe Brasilien internationales Recht verletzt, beklagen dieselben Herren, die den rechtmäßigen Staatschef am 28. Juni frühmorgens aus dem Bett holten und ihn in einem Flugzeug ins Ausland abschoben.

In Brasilien ließ sich davon niemand den Schlaf rauben. Die Klage werde »nicht einmal entgegengenommen«, teilten Vertreter der Regierung in Brasilia lapidar mit. Da die Vereinten Nationen den Putsch verurteilt haben und nach wie vor die Regierung von Manuel Zelaya als rechtmäßige Vertretung des Landes anerkennen, wird auch keine Instanz der Weltorganisation Eingaben des De-facto-Regimes bearbeiten.

Vielleicht hätte jemand den Putschisten den Rat geben sollen, lieber ihre eigene Verteidigungsschrift vorzubereiten. Honduranische Anwälte sowie die Internationale Föderation für Menschenrechte haben nämlich bereits den ebenfalls in Den Haag angesiedelten Internationalen Strafgerichtshof eingeschaltet. Wegen des Staatsstreichs, dem Tod zahlreicher Menschen und der Verfolgung der Gegner des Regimes sollen u. a. Putschistenpräsident Roberto Micheletti, Generalstabschef Romeo Vásquez Velásquez und andere hohe Militärs vor Gericht angeklagt werden.

*** Aus: junge Welt, 30. Oktober 2009 (Kommentar)


Zurück zur Honduras-Seite

Zurück zur Homepage