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Jugendbanden statt Kommunisten

Honduras will Polizei und Militär zusammenlegen – wie unter den Militärdiktaturen

Von Thelma Mejía, Tegucigalpa (IPS) *

Ein neues Gesetz läßt in Honduras Erinnerungen an die »Doktrin der Nationalen Sicherheit« aufleben, in deren Rahmen die USA in den 70er und 80er Jahren Militärdiktaturen in lateinamerikanischen Ländern unterstützt hatten: Honduras will Polizei und Militär zusammenlegen. Der Entwurf stammt aus der Feder der Nationalen Geheimdienstdirektion (DNII), die keiner Bundesbehörde gegenüber rechenschaftspflichtig ist und keiner zivilen demokratischen Kontrolle unterliegt.

Die Regierung in Tegucigalpa versucht, das Gesetz im Schnellverfahren durch das Parlament zu peitschen. Zwei der bei solchen Entscheidungen üblichen drei Debatten wurden einfach übersprungen. Als der Abgeordnete Sergio Castellanos von der linken Demokratischen Vereinigung (UD) mehr Zeit für eine Entscheidung verlangte und der Diskussion des Themas mehr Raum einräumen wollte, wurde er von der Mehrheit aus rechtsgerichteten Abgeordneten der regierenden Nationalpartei und der Liberalen Partei überstimmt.

Zudem öffnen die unklaren Formulierungen im Gesetzentwurf »dem Mißbrauch Tür und Tor«, warnte der Rechtsberater Roberto Cajina im Gespräch mit der Nachrichtenagentur IPS. »Es muß ganz deutlich gemacht werden, was mit Begriffen wie Untersuchung, strategische Aktion, Schutz der Privatsphäre, nationale Sicherheit, Spezialeinheiten, verdeckte Ermittlungen, Spezialagenten, gesonderte Schutzmaßnahmen und speziellen Risiken gemeint ist.« Die Befugnisse des Geheimdienstes seien zu weitreichend, so Cajina. Man könne fast »von einer feindlichen Übernahme von Militär und Polizei durch die DNII sprechen«. Die Unterschiede zwischen Militär und Polizei seien nicht geklärt.

Als gefährlich gilt auch ein weiterer Punkt des Gesetzentwurfs, der zivile Kräfte zu Komplizen der Geheimpolizei machen will, aber sehr vage formuliert ist: Das Gesetz verlangt von privaten Einrichtungen, den Nachrichtendiensten Informationen zukommen zu lassen, die für diese wichtig sein könnten. Diese Verpflichtung müsse wesentlich konkreter formuliert werden, forderte Cajina. Ansonsten könne der Chef der DNII jederzeit jede Einrichtung ohne besondere Angaben von Gründen als relevant einstufen und sie zwingen, alle möglichen Informationen preiszugeben.

Auch die Aktivistin Bertha Oliva vom Komitee der Familienangehörigen von Verschwundenen in Honduras (COFADEH) zeigte sich besorgt. Laut Gesetz dürfe die DNII geheime Spezialeinheiten gründen, um mit anderen Geheimdienstorganisationen des Staates zusammenzuarbeiten. »Bedeutet das also, daß es noch weitere Geheimdienstorganisationen gibt? Aber welche sind das? Und warum kennen wir sie nicht?«

In den 80er Jahren hatte der Geheimdienst des Landes das sogenannte Todesbataillon gegründet. Dieses war einem offiziellen Bericht zufolge für das »Verschwindenlassen« von 187 Menschen verantwortlich. Menschenrechtsaktivisten befürchten nun, daß sich dieses Kapitel der honduranischen Geschichte wiederholen könnte.

* Aus: junge Welt, Freitag 8. Februar 2013


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